E-Mobilität, Fördermittel und Vergabepflicht
Die „Verkehrswende“ ist im vollen Gange. Ein zentraler Bauteil des „immissionsbewussten“ Individualverkehrs ist die in der Entwicklung begriffene E-Mobilität. Doch wer sich elektrisch fortbewegt, braucht entsprechende Ladepunkte. Und zwar flächendeckend. Die Notwendigkeit der Entwicklung einer engmaschigen E-Ladeinfrastruktur hat die Politik erkannt und in den Haushaltsplänen von Bund und Ländern entsprechende Fördermittel bereitgestellt.
Förderung der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge
Die Bundesanstalt für Verwaltungsdienste (kurz BAV) mit Sitz in Aurich ist Herrin des Förderprogramms „Förderung der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge“ (abrufbar unter https://www.bav.bund.de/DE/4_Foerderprogramme/6_Foerderung_Ladeinfrastruktur/Foerderung_Ladeinfrastruktur_node.html Stand 29.01.2020). Inzwischen, am 30.10.2019 ist der vierte Aufruf zur Beantragung von Fördermitteln für die Errichtung neuer E-Ladestationen zwar ausgelaufen, doch wie aus fachkundigen Kreisen zu hören war, könnte ein fünfter Aufruf spätestens 2021 folgen. Auf Länderebene sind vergleichbare Förderprogramme ins Leben gerufen worden. Beispielhaft sei für Nordrhein-Westfalen auf https://www.elektromobilitaet.nrw/foerderprogramme/oeffentlich-zugaengliche-ladeinfrastruktur/ (Stand 29.01.2020) verwiesen.
Bewilligungsbescheid und dann? ANBest-P und Vergabepflicht
Wurden im Rahmen des vierten Aufrufs Fördermittel bewilligt oder sollte dies im Zuge eines fünften Aufrufs geschehen, stellt sich die praktische Frage, welche vergaberechtlichen Pflichten mit der Förderung einhergehen. Hier kommen die „Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung“ (kurz ANBest-P) ins Spiel. Denn der Bewilligungsbescheid zu den beantragten Fördermitteln wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit folgenden, nahezu unscheinbaren Passus enthalten: Folgende Anlagen sind Bestandteile dieses Zuwendungsbescheides:
- Anlage 1: Gesamtfinanzierungsplan
- Anlage 2: Aufstellung des Zuwendungszwecks
- Anlage 3: Liste zuwendungsfähiger und nicht zuwendungsfähiger Ausgaben
- Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P)
Ferner wird der Zuwendungsbescheid regelmäßig
„Auf Nr. 3 ANBest-P, wonach der Zuwendungsempfänger vergaberechtliche Bestimmungen einzuhalten hat, […] ausdrücklich [hinweisen].“
Die ANBest-P, welche ebenfalls vom BAV online bereitgestellt wird (https://www.bva.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aufgaben/ZMV/Zuwendungen_national/nebenbestimmungen_anbest_p_2019.html Stand 29.01.2020) bestimmt unter Ziffer 3 Folgendes:
„3. Vergabe von Aufträgen
3.1 Wenn die Zuwendung oder bei Finanzierung durch mehrere Stellen der Gesamtbetrag der Zuwendung mehr als 100.000 Euro beträgt, sind bei der Vergabe von Aufträgen folgende Regelungen anzuwenden:
- für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen die Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenvergabeordnung - UVgO). Die Verpflichtung zur Anwendung gilt nicht für folgende Vorschriften:
- § 22 zur Aufteilung nach Losen,
- § 28 Absatz 1 Satz 3 zur Veröffentlichung von Auftragsbekanntmachungen
- § 30 zur Vergabebekanntmachung,
- § 38 Absatz 2 bis 4 zu Form und Übermittlung der Teilnahmeanträge und Angebote,
- § 44 zu ungewöhnlich niedrigen Angeboten,
- § 46 zur Unterrichtung der Bewerber und Bieter;
- für die Vergabe von Bauleistungen Teil A Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A).
3.2 Verpflichtungen des Zuwendungsempfängers als Auftraggeber gemäß Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bleiben unberührt.“
Danach sind private Unternehmen grundsätzlich ausschreibungspflichtig, wenn sie Zuwendungen von einem Gesamtbetrag von mehr 100.000 Euro erhalten. Die Pflicht zur Ausschreibung und zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens trifft daher nicht nur staatliche Einrichtungen als öffentliche Auftraggeber, sondern auch private Unternehmen! Dies gilt unabhängig davon, ob das Unternehmen über Kenntnisse im Zusammenhang mit Vergabeverfahren verfügt.
Eine Kontrollüberlegung verdeutlicht, dass die Vergabepflicht des Privaten nur konsequent ist: Hätte eine staatliche Stelle die E-Ladestation selbst errichten lassen, wären die Bauleistungen infolge der gesetzlichen vergaberechtlichen Vorschriften ausschreibungspflichtig gewesen. Vorliegend gewährt der Staat einem privaten Unternehmen finanzielle Zuwendungen, damit dieser E-Ladestationen unter Verwendung von staatlichen Mitteln errichten lässt und betreibt. Würde die öffentliche Hand den Zuwendungsempfänger nicht zur Vergabe verpflichten, könnte das Vergaberecht und der dahinterstehende Zweck der transparenten, diskriminierungsfreien und wirtschaftlichen Beschaffung allzu leicht ausgehebelt werden.
Vergabeverfahren
Wie bereits ausgeführt, ist der Zuwendungsempfänger grundsätzlich ausschreibungspflichtig. Auf die Ausschreibung folgt die Konzeptionierung und Durchführung des Vergabeverfahrens, die Beantwortung von Bieterfragen oder vergaberechtlicher Rügen, die Wertung der abgegebenen Angebote, deren Auswahl und Gewichtung. Hier ist eine genaue Kenntnis der einschlägigen vergaberechtlichen Vorschriften unerlässlich. Die ANBest-P entpuppt sich dabei als trügerischer Freund: Sie benennt nur die Vorschriften ausdrücklich, die zugunsten einer Vereinfachung keine Anwendung finden. Den Inhalt der verbleibenden Vorschriften nennt sie nicht. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die VOB/A, die anders als die UVgO, keine Ausnahmen erfährt. Hinzu kommt noch der Verweis bzw. der Anwendungsbefehl nach Ziffer 3.2 ANBest-P, wonach die sonstigen Verpflichtungen gemäß §§ 97 ff. GWB weiterhin zu berücksichtigen sind.
Fehler im Vergabeverfahren
Doch was passiert, falls der Zuwendungsempfänger die Bauaufträge vergibt, ohne ein Vergabeverfahren durchgeführt zu haben? Womit muss der Zuwendungsempfänger rechnen, falls er den Hinweis auf die ANBest-P übersieht? Im klassischen Vergabeverfahren sind grundsätzlich Fehler im Vergabeverfahren zunächst gegenüber dem ausschreibenden öffentlichen Auftraggeber zu rügen. Sofern der öffentliche Auftraggeber der Rüge nicht abhilft, kann ein Nachprüfungsantrag vor der zuständigen Vergabekammer gestellt werden. Dabei würde die Vergabekammer nur prüfen, was der unterlegene Bieter als Verletzung seiner Rechte geltend macht.
Im Zuwendungsrecht ist die Zuwendungsbehörde zur vollumfänglichen Rechtskontrolle ermächtigt. Stellt sie einen Verstoß gegen das Vergaberecht und die ANBest-P fest, kann sie die gewährten Zuwendungen nebst Zinsen zurückfordern. Die Rückforderung steht im Ermessen der Zuwendungsbehörde. Die Höhe der Rückforderungssumme hängt von der Schwere der Verstöße gegen die Vorschriften des Vergaberechts ab; etwa ob ganz oder teilweise Vorschriften nicht eingehalten wurden und ob fahrlässig oder vorsätzlich gegen Vergabevorschriften verstoßen wurde. Dabei erhält ein zur Rückzahlung aufgeforderter Zuwendungsempfänger vor Erlass des Rückforderungsbescheids die Möglichkeit nach § 28 VwVfG, zu den vermeintlichen Verstößen Stellung zu nehmen.
Wie die einschlägige Rechtsprechung belegt, sind derartige Rückforderungen auch Jahre nachdem die Zuwendung gewährt wurde, möglich. Gegen derartige Rückforderungen, genauer Rückforderungsbescheide, steht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten über § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) offen und grundsätzlich nicht zu den Vergabekammern.
Fazit
Zuwendungen sind ein Geldsegen und ermöglichen Entwicklungen. Gleichwohl sind die rechtlichen Zusammenhänger oft komplexer als sie beim Stellen des Antrags auf Gewährung von Zuwendungen scheinen. Dabei ist es in jedem Fall ratsam, bereits nach Erhalt des Zuwendungsbescheides fachkundigen Rat für die Durchführung des anschließenden Vergabeverfahrens einzubinden. Auch an späterer Stelle im Zuwendungsverfahren, etwa wenn gewisse Verstöße bereits eingetreten sein sollten, ist rechtliche Unterstützung empfehlenswert. Denn selbst dann noch können Rückforderungen vermieden oder zumindest reduziert werden.
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