Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie

Die Bundesregierung hatte am 23.03.2020 einen Formulierungsvorschlag des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ beschlossen. Hinter diesem griffigen Titel verbergen sich einige Regelungen, die erhebliche Eingriffe vor allem in das Vertragsrecht bedeuten und daher auch nur vorübergehender Natur sind. Der Gesetzesentwurf ist mittlerweile am 25.03.2020 vom Bundestag angenommen worden; der Bundesrat hat diesen in der Sondersitzung am 27.03.2020 gebilligt. Das Gesetz kann nun also pünktlich in Kraft treten.

In diesem Beitrag wollen wir Sie in aller Kürze über die Einwirkungen des geplanten Gesetzes auf das Zivilrecht informieren.

Grundlage ist nunmehr der Entwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD mit Stand 24.03.2020, der – wie gerade erwähnt – Gegenstand der Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat war und nun Gesetz werden wird.

Regelungsgegenstände

Das Gesetz enthält, wie der Titel schon nahelegt, Regelungspakete aus verschiedenen Rechtsbereichen. Eingegriffen wird in folgende Rechtsgebiete:

Artikel 1: Insolvenzrecht

Artikel 2: Gesellschafts-, Vereins-, Genossenschafts- und Wohnungseigentumsrecht

Artikel 3, 4: Strafprozessordnung

Artikel 5: Zivilrechtliche Regelungen

Artikel 6 regelt das Inkrafttreten und Außerkrafttreten.

Auswirkungen auf das Zivilrecht

Wie einleitend erwähnt, wollen wir uns in diesem Beitrag mit den Auswirkungen des Gesetzes auf das „klassische“ Zivilrecht befassen. Zu den anderen Bereichen, insbesondere zum Insolvenz- und zum Gesellschaftsrecht, finden Sie weitere Beiträge auf unserer Homepage.

In Artikel 5 sind die Änderungen zusammengefasst, die in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) aufgenommen werden sollen. Diese betreffen drei Lebensbereiche, nämlich:

  • Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht („Moratorium“) für Verbraucher und Kleinstunternehmer (§ 1),
  • Regelungen für Miet- und Pachtverhältnisse (§ 2) und
  • Regelungen zum Darlehensrecht (§ 3).

Abgerundet wird der Regelungsreigen durch eine Ermächtigung zur Verlängerung der einzelnen Regelungen in § 4.

Allgemeines Leistungsverweigerungsrecht – Moratorium (Art. 240 § 1 EGBGB)

§ 1 des geplanten Art. 240 EGBGB sieht vor, dass unter bestimmten Bedingungen Verbraucher und Kleinstunternehmer in den Genuss eines Leistungsverweigerungsrechts hinsichtlich ihrer Leistungsverpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen kommen. Die Voraussetzungen sind jeweils ähnlich ausgestaltet. Gemeinsam ist den Regelungen für Verbraucher und Kleinstunternehmer:

  • Sie sind anwendbar auf Verträge über Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 08.03.2020 geschlossen worden sind.
  • Das Leistungsverweigerungsrecht gilt vorerst bis zum 30.06.2020.

Die Voraussetzungen sind für Verbraucher:

  • Es handelt sich um wesentliche Dauerschuldverhältnisse; das sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind. Gemeint sind damit insbesondere Versorgungsverträge wie Strom, Telefon, Internet, aber auch Pflichtversicherungen.
  • Die Leistungserbringung ist infolge von Umständen, die auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen sind, nicht möglich, ohne den angemessenen Lebensunterhalt des Verbrauchers selbst und/oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen zu gefährden.

Für Kleinstunternehmer (d. h. weniger als 10 Mitarbeiter, bis zu 2 Mio. EUR Jahresumsatz) greift das Leistungsverweigerungsrecht unter folgenden Bedingungen:

  • Es geht um Leistungen zur Erfüllung eines Anspruch im Zusammenhang mit einem wesentlichen Dauerschuldverhältnis. Das sind im Fall des Kleinstunternehmers solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind. Auch für die Kleinstunternehmen kommen dabei die Verträge mit den Versogern in Frage. Zu denken ist aber auch z. B. an Miet- oder Leasingverträge für Geschäftsfahrzeuge u. ä.
  • Die Leistungen können infolge von auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführenden Umständen entweder von dem Kleinstunternehmen nicht erbracht werden oder deren Erbringung würde die wirtschaftlichen Grundlagen des Erwerbsbetriebs gefährden.
  • Während sich das Leistungsverweigerungsrecht bei Verbrauchern in der Regel auf die Verweigerung der Entgeltleistung beziehen wird, kommen bei den Kleinstunternehmen auch eventuelle sonstige Erfüllungsleistungen in Frage, die z. B. infolge von Quarantäne-Anordnungen oder Mitarbeitermangel nicht mehr erfüllt werden können.

Es gibt allerdings eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger unzumutbar ist. Der Gläubiger kann sich dabei im Grunde auf die gleichen Gründe berufen wie der Schuldner, also eine Gefährdung der Grundlagen des Gewerbebetriebs oder des angemessenen Lebensunterhalts. Ist die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts ausgeschlossen, kann der Schuldner kündigen.

Wichtig ist, dass die vorstehenden Regelungen nicht gelten für

  • Miet- und Pachtverhältnisse im Sinne von § 2 des Gesetzes sowie Darlehensverträge (denn dafür gibt es gesonderte Regelungen) sowie
  • im Zusammenhang mit Arbeitsverträgen (denn dafür sind die vorhandenen Regelungen des Arbeitsschutzes ausreichend).

Miet- und Pachtverhältnisse (Art. 240 § 2 EGBGB)

Der geplante § 2 von Art. 240 EGBGB regelt den Schutz von Mietern und Pächtern vor Kündigungen wegen Zahlungsrückstandes. Das wird dadurch bewirkt, dass solche Kündigungen unter bestimmten Bedingungen ausgeschlossen werden.

Wichtig ist zunächst, dass (anders als in einem älteren Entwurf) diese Regelungen nicht auf Wohnraummiete begrenzt sind, sondern jegliches Miet- oder Pachtverhältnis über Grundstücke oder Räume betrifft. Erfasst ist damit auch die Gewerberaummiete.

  • Der Mietrückstand muss auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruhen, was vom Mieter / Pächter glaubhaft zu machen ist. Glaubhaftmachung ist eine besondere, vereinfachte Art der Beweisführung. Im Gegensatz zum „Vollbeweis“ reicht es hier, dafür zu sorgen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Zutreffen einer Behauptung besteht. Zudem ist die Versicherung an Eides statt als Mittel der Glaubhaftmachung zulässig.
  • Es geht um Rückstände, die im Zeitraum vom 01.04.2020 bis (zunächst) zum 30.06.2020
  • Der Kündigungsschutz gilt nur bis zum 30.06.2022. Mit anderen Worten: Bis dahin sind die aufgelaufenen Rückstände auszugleichen.

Wichtig zu wissen ist, dass die Regelung an der Fälligkeit der Mietzahlung nichts ändert. Das heißt insbesondere, dass der Mieter bei Nichtzahlung in Verzug gerät und somit Verzugszinsen anfallen können.

Darlehensrecht (Art. 240 § 3 EGBGB)

Auch für Verbraucherdarlehen enthält der Gesetzesentwurf zeitlich beschränkte Sonderregelungen. Vorgesehen ist eine Stundung für die Dauer von drei Monaten für Rückzahlungs-, Zins- oder Tilgungsleistungen. Kündigungen des Kreditgebers wegen Zahlungsverzugs oder Verschlechterung der Vermögensverhältnisse sind bis zum Ablauf der Stundung ausgeschlossen. Die Voraussetzungen sind:

  • Die Regelungen gelten zunächst nur für Verbraucher, nicht für Kleinstunternehmer.
  • Der Darlehensvertrag muss vor dem 15.03.2020 abgeschlossen worden sein.
  • Es geht um die Ansprüche des Darlehensgebers, die zwischen dem 01.04. und dem 30.06.2020 fällig werden.
  • Der Verbraucher muss aufgrund der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie außergewöhnliche Einnahmeausfälle haben, die dazu führen, dass ihm die Leistungserbringung nicht zumutbar ist.
  • Nicht zumutbar ist die Leistungserbringung insbesondere dann, wenn ansonsten der angemessene Lebensunterhalt des Verbrauchers und/oder seiner Unterhaltberechtigten gefährdet

Die Regelung sieht weiterhin vor, dass die Parteien versuchen, eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich der Anpassung des Vertrages zu finden. Gelingt dies nicht, verlängert sich die Vertragslaufzeit um drei Monate und die Fälligkeit der vertraglichen Leistungen wird entsprechend hinausgeschoben.

Auch diese Regelung enthält in Abs. 6 eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass dem Darlehensgeber dies unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls einschließlich der Veränderungen durch die Pandemie unzumutbar macht.

Schließlich wird die Bundesregierung im Abs. 8 ermächtigt, den personellen Anwendungsbereich zu ändern und insbesondere Kleinstunternehmer mit einzubeziehen.

Verordnungsermächtigung (Art. 240 § 4 EGBGB)

Wie einleitend erwähnt, gibt § 4 der Bundesregierung eine Ermächtigungsgrundlage für eine Verlängerung der Maßnahmen, wenn zu erwarten ist, dass die Beeinträchtigungen durch die Covid-19-Pandemie weiterhin erheblich bleiben.

  • Ohne Zustimmung des Bundesrates geht das im Grunde bis zum 30.09.2020; die Verlängerung der Vertragslaufzeit von Darlehensverträgen im Fall der Stundung kann auf bis zu 12 Monate erstreckt werden.
  • Mit Zustimmung des Bundesrates ist eine Verlängerung auch über den 30.09.2020 hinaus möglich.

Inkraft- und Außerkrafttreten (Art. 6 des Gesetzesentwurfs)

Die hier behandelten Regelungen für den Bereich des Zivilrecht sollen am 01.04.2020 in Kraft treten. Am 30.09.2022 tritt Art. 240 EGBGB wieder außer Kraft.  

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