Rechenzentren – die planerische Herausforderung des 21. Jahrhunderts?

Rechenzentren boomen. Mit der zuletzt nochmals durch die Entwicklungen in der Covid 19-Pandemie befeuerten Zunahme der Digitalisierung steigt der weltweite Bedarf an digitaler Infrastruktur massiv und stetig an. Die wichtigsten Bausteine dieser digitalen Infrastruktur zur Datenverarbeitung sind hierbei die Rechenzentren. Ohne diese digitale Infrastruktur würden unsere Staatsstrukturen, wie wir sie heute kennen, schlichtweg zusammenbrechen. Sämtliche Unternehmen und vor allem auch der Staat selbst sind auf eine reibungslos funktionierende und redundante digitale Infrastruktur angewiesen. Insbesondere das Rhein-Main Gebiet mit dem weltweit größten Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt am Main ist einer der weltweit wichtigsten Ansiedlungsstandorte. Um den Knotenpunkt herum sind bereits zahlreiche Rechenzentren entstanden, Frankfurt am Main ist schon heute der europaweit größte Rechenzentrumsstandort1. Der folgende Beitrag gibt einen Kurzüberblick über die mit dem „Boom“ einhergehenden planerischen Herausforderungen und mögliche Steuerungsansätze.

I. Planerische Herausforderungen

Für die Kommunen birgt die Ansiedlung von Rechenzentren gleichermaßen Chancen und Risiken: Auf der einen Seite besteht ein hohes Interesse an der Ansiedlung der für die Digitalgesellschaft existenziell notwendigen Infrastruktur. Hiermit werden Investoren angezogen und es fließen Gewerbesteuereinnahmen in die kommunalen Haushalte. Auf der anderen Seite entstehen Herausforderungen in Bezug auf Klimaschutz, Energie- und Flächenverbrauch und nachhaltige Stadtentwicklung, die die Frage nach planerischer Steuerung aufwerfen.

Die Ansiedlung eines Rechenzentrums geht wegen der hochspezifischen Anforderungen, die diese Einrichtungen stellen, mit vielfältigen Herausforderungen einher. Bei der Datenübertragung kommt es auf Millisekunden an, daher sind Standorte möglichst nah an einem Internetknotenpunkt begehrt. Vor allem aber haben Rechenzentren für Betrieb und Kühlung einen immensen Energiebedarf: So sind die Rechenzentren in Frankfurt am Main noch vor dem Frankfurter Flughafen die größten Stromabnehmer der Stadt. Aktuellen Studien zufolge hat der IT-Sektor einen Anteil von 2-4 % am weltweiten CO2-Ausstoß – etwa so viel wie der gesamte weltweite Flugverkehr2. Hier besteht die Herausforderung, einerseits notwendige Versorgungsinfrastruktur bereitzustellen und andererseits den Strombedarf möglichst aus erneuerbaren Energien zu decken. Der hohe Energieverbrauch führt als Nebeneffekt zur vermehrten Abgabe von Abwärme an die Umgebung. Bisher entweicht diese zumeist ungenutzt in die Atmosphäre. Hier werden Wege gesucht, diese Wärme nachhaltig zu nutzen und so im energieintensiven IT-Sektor einen Beitrag zur Erreichung des 1,5°C Ziels zu leisten. Weiterhin stellen Rechenzentren eine sicherheitsrelevante Infrastruktur dar, die hohe Sicherheitsanforderungen an ihren Standort stellt. Und nicht zuletzt haben Rechenzentren einen immensen Flächenbedarf. Beispielsweise nahmen Rechenzentren in Frankfurt am Main 2019 rund 600.000 m² Fläche ein3. Die hochsolventen Betreiber zahlen hierbei Summen, die andere Marktteilnehmer in Zeiten stetig steigender Grundstückspreise nicht aufbringen können oder wollen – und übernehmen dabei teilweise auch freiwillig allfällige Altlastensanierungen in Gewerbegebieten: Es kommt vermehrt zu einer Konkurrenz um die besten Flächen4. Hinzu kommt, dass ein Rechenzentrum im Vergleich zu anderen Gewerbeansiedlungen verhältnismäßig wenige Arbeitsplätze schafft, was für viele Kommunen ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt sein dürfte.

II. Steuerungsmöglichkeiten

Angesichts der genannten Herausforderungen und der stetig steigenden Anzahl von Rechenzentren stellt sich die Frage, ob und wie hier eine planerische Steuerung der Ansiedlung stattfinden kann und soll. Die verschiedenen Planungsebenen enthalten unterschiedliche Instrumente, die zur planerischen Steuerung herangezogen werden können. Auf Ebene der Landesplanung kommen insbesondere Planungen bezüglich der Energieversorgung in Betracht. Hier könnten ggf. erforderliche weitere Leitungstrassen und Standorte für Kraftwerke und Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien geplant werden. Auf Ebene der gemeindlichen Bauleitplanung bietet sich für die Gemeinden zur Koordination der Ansiedlung der Beschluss eines städtebaulichen Entwicklungskonzeptes an (§ 1 VI Nr. 11 BauGB), wie Frankfurt am Main es gerade auf den Weg gebracht hat. Auch solche Entwicklungskonzepte greifen aber nur für die Zukunft bei der Aufstellung neuer Bebauungspläne. Derzeit ist - auf Grundlage bestehenden Planungsrechts - eine Steuerung der Ansiedlung für Gemeinden kaum möglich. Rechenzentren sind in der Regel als „nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb“ einzuordnen und damit in fast allen einschlägigen Gebietskategorien der BauNVO regelhaft zulässig. Auch im unbeplanten Innenbereich sind Rechenzentren bei entsprechender Umgebungsbebauung häufig nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig. Somit liegt es derzeit in der Regel nicht in der Hand der Gemeinden, die Ansiedlung in gewünschte Bahnen zu lenken. Hier ist ein Zusammenwirken von Entwicklern und Gemeinden erforderlich, um für alle Beteiligten zielführende Lösungen zu finden. Als Vorbild fungieren hier sehr erfolgreiche Modelle aus Schweden. Ein wichtiger Gesichtspunkt sollte hierbei die intelligente Anordnung möglicher Flächen in der Region und im Stadtgebiet sein, um Synergieeffekte nutzbar zu machen. Als Beispiel kann hier die Planung des „Westville“ Frankfurt herangezogen werden: Hier wird neben einem Rechenzentrum ein allgemeines Wohngebiet entwickelt, das einen Teil seines Wärmebedarfs durch Abwärme aus dem benachbarten Rechenzentrum decken soll5. Die Steuerung erfolgt dabei allein über die Ansiedlung der Flächen und ein kooperatives Zusammenarbeiten der Beteiligten (Gemeinde, Entwickler und Energieversorger), spezifische Festsetzungen zur Abwärmenutzung enthält der Bebauungsplan indes nicht. Auch eine Entlastung des Energienetzes kann über eine bedarfsgemäße Flächennutzung erreicht werden. So können Rechenzentren, die auf eine hohe Nähe zum Internetknotenpunkt nicht zwingend angewiesen sind, auch in der Peripherie angesiedelt werden, wodurch einerseits das städtische Energienetz entlastet und andererseits die Flächensituation entschärft wird.

III. Ausblick

Es bleibt festzuhalten, dass die mit der Ansiedlung verbundenen Herausforderungen nicht allein durch gemeindliche Planung bewältigbar sind, hier ist kooperatives Handeln zwischen Gemeinden und Entwicklern bislang elementar, um nachhaltige Lösungen zu finden. Wie eine klimagerechte Lösung im kleinen Rahmen aussehen könnte, testet derzeit ein bekannter europäischer Streaming-Anbieter: Durch kleine Rechenzentren, die direkt in Windrädern installiert und mit dem Strom dieser Windräder versorgt werden, soll künftig ein Teil des Rechenbedarfs vollständig nachhaltig abgedeckt werden6. Hinsichtlich der Abwärmenutzung empfehlen sich Kooperationen zwischen Entwicklern, Energieversorgern und Gemeinden, um Synergieeffekte möglichst effizient nutzen zu können. Die bestehenden Flächenkonflikte könnten beispielsweise dadurch entschärft werden, dass Rechenzentren - statt wie bislang in die Breite - in die Höhe gebaut oder ggf. unterirdisch angesiedelt werden. Hier bestehen weithin offene Fragen, zu deren Klärung kreative Lösungen von Gemeinden und Entwicklern gleichermaßen gefragt sind und eine enge Kooperation gefordert ist. 

1 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/rechenzentren-boom-frankfurt-101.html

2 https://www.deutschlandfunknova.de/nachrichten/klima-berechnung-it-schadet-mehr-als-flugverkehr

3 https://www.datacenter-insider.de/stadtentwicklung-und-datacenter-ansiedlung-a-963479/

4 https://www.fr.de/frankfurt/rechenzentren-kontra-wohnraum-11413370.html

5 https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/neues-quartier-in-frankfurt-rechenzentrum-heizt-wohnungen-16958601.html

6 https://www.datacenter-insider.de/gemeinsam-mit-windcores-arbeitet-zattoo-am-klimaneutralen-fernsehen-a-996067/ 

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