Wie Unternehmen vorgehen können, wenn ihre Geschäftsgeheimnisse verletzt werden

Am 26. April 2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz hat der deutsche Gesetzgeber die EU-Geheimnisschutzrichtlinie umgesetzt. Das GeschGehG bringt eine umfassende Neuregelung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen einschließlich Know-how – jedoch verbunden mit erheblichen Handlungsanforderungen an Inhaber von Geschäftsgeheimnissen. Im Gegenzug gewährt das Gesetz einen besseren Rechtsschutz im Fall der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen.

In mehreren Blogs geben wir einen Überblick über die Neuregelung. Dieser zweite Beitrag beschreibt, wie Unternehmen vorgehen können, wenn ihre Geschäftsgeheimnisse verletzt werden. Der erste Beitrag befasst sich damit, welcher Handlungsbedarf Unternehmen aus dem GeschGehG erwächst. Die Serie wird in den nächsten Wochen fortgesetzt.

Erlaubte Handlungen, insbesondere Reverse Engineering

An Geschäftsgeheimnissen bestehen keine Exklusivrechte. Der Gesetzgeber stellt in § 3 GeschGehG klar, dass die Erlangung von Geschäftsgeheimnissen durch eigenständige Entdeckung oder Schöpfung zulässig ist, aber auch durch Beobachten, Untersuchen, Rückbauen und Testen von Produkten. Die grundsätzliche Erlaubnis des Reverse Engineering ist neu. Voraussetzung ist, dass die Produkte oder Gegenstände (1) entweder öffentlich verfügbar gemacht wurden, d. h. frei auf dem Markt erhältlich sind, oder (2) rechtmäßig im Besitz des Handelnden sind und dieser keiner Pflicht zur Beschränkung der Erlangung des Geschäftsgeheimnisses unterliegt. Nur im zweiten Fall kann die Erlaubnis zum Reverse Engineering vertraglich ausgeschlossen werden.

Aber Achtung: Fehlt eine vertragliche Regelung, ist trotzdem nicht jeder Rückbau erlaubt. Ein Verbot des Reverse Engineering kann sich aus anderen Gesetzen ergeben, etwa nach Lauterkeitsrecht oder wenn ein Produkt zugleich durch ein Immaterialgüterrecht geschützt ist (z. B. kann Reverse Engineering einer urheberrechtlich geschützten Software eine zustimmungsbedürftige Handlung nach § 69c UrhG sein).

Handlungsverbote

§ 4 des GeschGehG verbietet die Erlangung von Geschäftsgeheimnissen durch unbefugten Zugang, unbefugte Aneignung, unbefugtes Kopieren oder auf sonstige unlautere Weise. Der Tatbestand ist offen, da nicht jedes unlautere Verhalten im Vorfeld definiert werden kann. Hier wird man zumindest teilweise auf die Rechtsprechung zu unlauterem Verhalten unter dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zurückgreifen können.

Die Nutzung oder Offenlegung eines unbefugt erlangten Geschäftsgeheimnisses ist ebenfalls unzulässig. Jedoch kann auch die Nutzung oder Verwertung eines befugt erlangten Geheimnisses verboten sein, wenn diese unter Verstoß gegen eine (wirksame) Vertraulichkeitsvereinbarung oder anderweitige vertragliche oder gesetzliche Nutzungsbeschränkung vorgenommen wird.

Schließlich darf ein fremdes Geschäftsgeheimnis auch dann nicht erlangt, genutzt oder offengelegt werden, wenn der Nutzer es von einem Dritten erhält und zum Zeitpunkt der Erlangung oder Verwertung weiß oder wissen müsste, dass der Dritte das Geschäftsgeheimnis in verbotener Weise genutzt oder offengelegt hat. Anders als nach früherer Rechtslage, bei der bedingter Vorsatz erforderlich war, genügt jetzt bereits fahrlässiges Handeln des unbefugten Nutzers.

Das Gesetz stellt hierzu ausdrücklich klar: Es ist auch verboten, Geschäftsgeheimnisse zu verwerten, die unbefugt von einem Dritten erlangt wurden, wenn das Geschäftsgeheimnis für die Herstellung oder Vermarktung von rechtsverletzenden Produkten missbraucht wird.

Ausnahmen (Rechtfertigungsgründe)

Ausnahmen von dem Verbot bei Vorliegen berechtigter Interessen regelt § 5 GeschGehG. Berechtigte Interessen können eigene oder fremde Interessen sein, solange sie legitim sind. Das Gesetz regelt zwar nicht ausdrücklich, dass eine Abwägung der beteiligten Interessen stattfinden muss, diese ist jedoch notwendig, um eine unverhältnismäßige Nutzung fremder Geschäftsgeheimnisse zu vermeiden. Beispielhaft nennt die Vorschrift als Rechtfertigungsgründe die Freiheit der Meinungsäußerung und Aufgaben der Arbeitnehmervertretung und erstmals das Whistleblowing: Die Nutzung fremder Geschäftsgeheimnisse ist zulässig, wenn eine rechtswidrige Handlung oder ein sonstiges Fehlverhalten aufgedeckt werden soll mit dem Ziel, öffentliche Interessen zu schützen. Aber auch hier wird wohl eine Interessenabwägung stattfinden müssen, damit die Rechtfertigungsgründe nicht zu einer unverhältnismäßigen Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen führen.

  • Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche
  • Vernichtungs- und Rückrufansprüche
  • Ansprüche auf Entfernung von rechtsverletzenden Produkten aus den Vertriebswegen
  • Auskunftsansprüche bezüglich Herstellern, Lieferanten, Vorbesitzern und gewerblichen Abnehmern der rechtsverletzenden Produkte, Mengen und Preise, Personen, von denen das Geschäftsgeheimnis erlangt oder an die es weitergegeben wurde sowie zu Dokumenten und Materialien, die das Geschäftsgeheimnis beinhalten
  • Schadensersatzansprüche
  • Ansprüche auf Herausgabe einer aufgrund der Verletzung des Geschäftsgeheimnisses erlangten Bereicherung

Beim Schadensersatz gilt – wie bei den Immaterialgüterrechten – die dreifache Schadensberechnung: entstandener Schaden, Verletzergewinn oder angemessene Lizenzgebühr. Neu sind ausdrückliche Beschränkungen der Ansprüche in Bagatellfällen wegen Unverhältnismäßigkeit sowie ein Missbrauchsverbot für den Rechtsverletzer.

Für Unternehmen schafft § 12 ein Haftungsrisiko. Entsprechend gleichartiger Regelungen im Immaterialgüterrecht und UWG ordnet die Vorschrift die Haftung des Inhabers eines Unternehmens für seine Beschäftigten und Beauftragten an. Damit erhöht sich im Vergleich zum früheren Recht das Haftungsrisiko für Unternehmer. Diese können nunmehr auch dann haften, wenn neue Mitarbeiter ohne Wissen des Unternehmers unbefugt Geschäftsgeheimnisse ihres früheren Arbeitgebers im neuen Unternehmen nutzen oder offenlegen.

Gerichtliche Durchsetzung: Geschäftsgeheimnisstreitsachen

Parteien, die Ansprüche aus dem Gesetz geltend machen, können durch verschiedene gerichtliche Maßnahmen nach §§ 16 ff. GeschGehG den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse gegen unerwünschte Offenlegung anlässlich des Verfahrens erreichen. Hierzu gehört u. a. die Auferlegung von Vertraulichkeitspflichten für die Prozessbeteiligten und der Ausschluss der Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung.

Problematisch bleibt weiterhin, dass die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen oft nur schwer zu beweisen sein wird. Nach dem neuen Recht muss der Kläger nunmehr auch noch beweisen, dass er die erforderlichen Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen hat.

Im GeschGehG fehlt außerdem eine in den Immaterialgüterrechten geregelte, auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbare Beweiserleichterung bei der Feststellung der Rechtsverletzung: Im Fall einer wahrscheinlichen Verletzung von Patenten, Urheberrechten oder Marken hat der Rechtsinhaber einen Anspruch auf Vorlage und Besichtigung von Urkunden oder Sachen, wenn er eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung darlegen kann und die Vorlage oder Besichtigung zur Begründung seines Anspruchs erforderlich ist (§ 140c PatG, § 101 UrhG, § 19a MarkenG). Offen ist, ob insoweit ein Rückgriff auf den allgemeinen zivilrechtlichen Anspruch auf Besichtigung einer Sache (§ 809 BGB) möglich ist.

Strafbare Verletzung fremder Geschäftsgeheimnisse

Die vorsätzliche Verletzung fremder Geschäftsgeheimnisse ist darüber hinaus strafbar (§ 23 GeschGehG). Es drohen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren – im Falle gewerbsmäßigen Handelns sogar bis zu fünf Jahren – oder Geldstrafen. Schon der Versuch ist strafbar. In der Regel ist hierfür ein Strafantrag des Geschädigten erforderlich.

Fazit

Aus unserer Sicht verbessert das neue Gesetz den Rechtsschutz gegen die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen deutlich, obwohl etliche Fragen zum Umfang und zur Durchsetzung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen noch offen sind. Der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses hat jetzt ein umfangreiches Instrumentarium zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen Rechtsverletzer an der Hand und zusätzlich prozessuale Mechanismen, die gegen eine Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen im Prozess schützen sollen. Dreh- und Angelpunkt für die Effizienz des Gesetzes bleibt aber die Frage, ob der Rechteinhaber die Rechtsverletzung beweisen kann. Dabei kann das Gesetz nicht helfen.

Der nächste Beitrag befasst sich mit den Auswirkungen des GeschGehG auf das Akteneinsichtsrecht im Vergaberecht.

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