Der Konflikt zwischen klassischem ÖPNV und Sharing-Angeboten – Teil 2: Taxis
Der erste Teil dieses Beitrags hat gezeigt, welchen Beschränkungen Uber und Co. unterliegen. Hier soll nun aufgezeigt werden, dass auch die deutsche Taxiwirtschaft strengen Regularien unterliegt – und dies nicht nur in der weithin bekannten Preisgestaltung…
Aktuelles Verfahren vor dem BVerwG: Müssen auch Taxis stets an Taxistände zurückkehren?
Das strenge Regelungsregime für Taxis umfasst insbesondere eine von der jeweiligen Kommune festgelegten Gebührenordnung. Daneben gelten weitere Anforderungen, namentlich aus dem PBefG.
In einem Punkt ähneln die rechtlichen Probleme für Taxiunternehmen sogar denen von Uber und Co. Denn § 47 Abs. 1 PBefG sieht vor, dass Taxis an behördlich zugelassen Stellen (= Taxiständen) bereitgehalten werden müssen, ein Unternehmer aber Aufträge auch während einer Fahrt oder am Betriebssitz entgegennehmen darf.
Diese Rechtsnorm ist Ausgangspunkt für ein momentan beim BVerwG anhängiges Verfahren:
Ein Taxifahrer – zugleich ein zugelassener Rechtsanwalt übrigens – erhielt wegen der Aufnahme von Fahrgästen außerhalb eines der 212 offiziellen Münchner Taxihalteplätze einen Bußgeldbescheid i.H.v. 200 € aufgrund der Taxiordnung der Stadt und des PBefG und klagte hiergegen. Er sah das Verbot, Fahrgäste nur von Taxiständen aus zu bedienen, als nicht im § 47 Abs. 1 PBefG enthalten an, sodass die Taxiordnung der Stadt dies nicht verlangen und entsprechende „Verstöße“ auch nicht ahnden dürfe.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Urt. v. 19.06.2018 – 11 N 17.1693) legt diese durchaus delikate Frage nunmehr in die Hände des BVerwG, welches am 22. Januar dazu verhandeln wird (8 CN 2.19).
Streitig ist diese gesetzliche Regelung und die Ausführung in der örtlichen Taxiordnung unter Belegung von Verstößen mit einem Bußgeld aus mehreren Gründen. Zweck des § 47 Abs. 1 PBefG ist es, die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßen- und Taxiverkehrs zu gewährleisten. Dies spricht in der Tat für eine ausschließliche Nutzungspflicht der Taxistände als Startort für jede Bestellung; Man denke nur an die Gefahren durch plötzlich anhaltende Taxis auf einer vielbefahrenen Straße wegen eines heranwinkenden Fahrgastes. Zudem war die Rechtslage vor der sog. „Taxinovelle“ des PBefG im Jahre 1983 eindeutig, als nämlich die hier streitige Pflicht ausdrücklich bestand. Heute heißt es dagegen in § 47 Abs. 1, ein Auftrag dürfe auch während der Fahrt entgegengenommen werden. Daraus folgt die nun höchstrichterlich zu entscheidende Frage, ob sodann die Fahrt auch von dort ausgeführt werden darf oder eine Rückkehr auf einen Taxistand als „Zwischenstation“ erfolgen muss.
Die Entscheidung ist aus vielen Gründen für die Taxiunternehmen von großem Interesse, von denen die Konkurrenz zu neuen (wenn auch einstweilen praktisch verbotenen) Sharing-Anbietern einer sein dürfte. Rein praktisch betrachtet werden an der engen Auslegung der Norm als Nutzungspflicht von Taxiständen durchaus begründete Zweifel laut. Zu Ende gedacht bedeutete dies nämlich, dass die ca. 3.400 Taxis in München sich auf die nur 212 offiziellen Taxihalteplätze verteilen müssten. Bei einer generellen Bereitstellungspflicht an diesen Plätzen wäre also eine chancengleiche Teilhabe am Kundentransport für jeden Fahrer gar nicht möglich. Nimmt man nämlich gut 600 Einzelplätze auf den 212 Halteplätzen an, so müssten, selbst wenn nur 1.800 Taxis zeitgleich im Dienst wären, rund 1.200 dieser Taxis stets und zeitgleich (!) auf Kunden- oder Leerfahrten befinden, von wo sie allerdings nachgerade keine neuen Kunden außerhalb der Taxistände aufnehmen dürften. Ein absurdes Ergebnis.
Die politische Dimension des Kampfes Uber vs Taxi: Der Ball im Spielfeld der Kommunen
Wie auch immer die Novellierung des PBefG aussehen wird, eines scheint bereits sicher: Der Ball wird wohl in das Feld der Rechtsanwender auf Ebene der Kommunen gespielt. Es wird deshalb wahrscheinlich an den dortigen Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung liegen, die nötigen praktischen Voraussetzungen wie auch die Grenzen zu schaffen. Neue Systeme wären zumindest zeitweise auszuprobieren, sollten diese als Ausdruck eines wirtschaftlichen und technologischen Fortschrittsgedankens verstanden werden. Rechtliche Grenzen sind indes nötig, damit es nicht zu einem Verdrängungswettbewerb mit den hergebrachten Formen des ÖPNV kommt.
Der Kampf ist ein ungleicher. Allerdings verfügen beide Seiten über systembedingte Vor- wie Nachteile. Einerseits profitieren gerade der Schienen- und der Buspersonennahverkehr von der Bestellung durch Länder und Kommunen aufgrund der sicheren Einnahmequellen. Andererseits haben Sharing-Anbieter wie Uber z.T. viel Risikokapital zur Verfügung und haben einen weiteren Nimbus, der nicht zu vergessen ist. Sie strahlen für die jüngeren Generationen eine große Attraktivität aus mit ihren intelligenten, ständig verfügbaren, onlinebasierten und als nachhaltig geltenden Angeboten. An der Politik liegt es daher, diese Entwicklung nicht zu verschlafen, zu ignorieren oder gar gänzlich stoppen zu wollen. Das haben andere Beispiele technologischen Fortschritts im Endkundenbereich der letzten Jahrzehnte eindrucksvoll gezeigt.
Es bedarf also einigen Mutes der öffentlichen Entscheidungsträger, jene Sharing-Modelle als förderungswürdig anzusehen, die einen Mehrwert für den Bürger zu erzeugen, sei es als Alternative oder Ergänzung zum klassischen ÖPNV (Stichwort „Letzte Meile“). Gleichermaßen dürfte Lokal- und Landespolitiker interessieren, die nicht selten örtliche Start-Up-Szene in Verbindung mit Hochschulen als wichtigen Teil moderner Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorte zu begreifen und demnach zu fördern.
Klassischer ÖPNV, Sharing-Economy und eine (digitale) Verkehrswende müssen zusammen gedacht werden. Es gibt etliche technologische Überschneidungen und ein gegenseitiges Profitieren hiervon ist darin angelegt – auch für traditionelle ÖPNV-Modelle. Entsprechende Projekte können alles sein, etwa intelligente Parkleitsysteme, autonomes Fahren oder sogar Flugtaxis.
Die rechtlichen Weichen – um im Bild zu bleiben – für all dies sind, werden oder sollten gestellt werden. So ist etwa die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft schon heute vergaberechtlich zulässig in Form der Markterkundung und damit der Erprobung einzelner Technologien und Geschäftsmodelle mit ausgewählten Marktteilnehmern (vgl. § 28 Abs. 1 Vergabeverordnung).
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