Erhebliche Erleichterungen im Insolvenzrecht

Gute Nachrichten aus Berlin. Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ liegt nunmehr ein Dokument vor, dessen Umsetzung zu erheblichen Anpassungen des Insolvenzrechts und Erleichterungen für durch die Covid-19-Pandemie in die Krise geratene Unternehmen führen würde.

Mit Blick auf das Insolvenzrecht stellen sich die wesentlichen Anpassungen wie folgt dar:

  • Aussetzung der Insolvenzantragspflichten bis zum 30.09.2020, soweit die Insolvenzreife auf den Folgen der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie beruht; dies wird vermutet, wenn das betroffene Unternehmen am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen
  • Zahlungen der betroffenen Unternehmen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, gelten als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar; dies führt zu einer besonderen Privilegierung von Zahlungen krisenbehaftete Unternehmen und reduziert das Haftungsrisiko der Geschäftsleitung erheblich
  • die Neuvergabe von Krediten wird in vielerlei Hinsicht vereinfacht; die strengen Anforderungen an die Vergabe sogenannter „Sanierungskredite“ entfallen; zugleich unterfällt die Rückgewähr und Besicherung dieser Kredite bis zum 30.09.2023 dem Schutz vor einer etwaigen Insolvenzanfechtung; dies gilt auch für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen
  • Auch Geschäfts- und Vertragspartner krisenbehaftete Unternehmen unterfallen besonderem Schutz im Hinblick auf eine spätere Insolvenzanfechtung

Es lässt sich klar der gesetzgeberische Wille zum besonderen Schutz des Wirtschaftsstandortes Deutschland und der betroffenen Unternehmen erkennen. Die avisierten Regelungen sind weitreichend und können mit der erforderlichen Dokumentation zu erheblichen Erleichterungen führen. Dabei steht außer Frage, dass die wirtschaftlichen Folgen nichtsdestotrotz erheblich sind. Eine Vielzahl an Unternehmen wird einen spürbaren Liquiditätsmangel verzeichnen. Zudem lastet ein enormer Druck auf den handelnden Personen und Entscheidungsträgern. Es wird sich zeigen, ob es nicht noch weitreichenderer gesetzlicher Maßnahmen bedarf, um steigende Insolvenzzahlen in Deutschland zu verhindern.

Zu den einzelnen Regelungen im Detail:

1. Aussetzung der Insolvenzantragspflichten und Rechtsfolgen

Sowohl die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages nach § 15a InsO als auch nach § 42 Abs. 2 BGB sollen bis zum 30.09.2020 ausgesetzt werden. Dies soll auch für Gläubigerinsolvenzanträge gelten, soweit noch kein Eröffnungsgrund am 01.03.2020 vorlag (gesetzliche Vermutungsregelung). Zugleich soll das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung ohne weitere Zustimmung die Aussetzung bis zum 31.03.2021 verlängern zu können.

Vom Anwendungsbereich umfasst sind sämtliche antragspflichtigen Unternehmen wie insbesondere GmbH, Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaften mit keiner natürlichen Person als Komplementär (GmbH & Co. KG) sowie ausdrücklich die Europäische Gesellschaft (SE), die Europäische Genossenschaft (SCE) und die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV). Voraussetzungen für eine Aussatzung sind, dass die Insolvenzreife auf den Folgen der Ausbreitung der Covid-10-Pandemie beruht und (im Falle einer Zahlungsunfähigkeit) dass Aussicht auf Beseitigung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit besteht. Insoweit wird vermutet, dass bei einem Unternehmen, dass am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, ein während des Aussetzungszeitraums eintretender Insolvenzgrund auf den Folgen der Ausbreitung der Covid-10-Pandemie beruht.

Wie bereits durch zahlreiche Stimmen im Vorfeld gefordert, sieht der Entwurf eine besondere Privilegierung für Zahlungen im Aussetzungszeitraums und damit eine erhebliche Reduzierung des Haftungsrisikos der handelnden Personen vor. Grundsätzlich haftet die Geschäftsleitung für Zahlungen ab Eintritt der Insolvenzreife persönlich, soweit die Zahlung nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar war (vgl. § 64 GmbHG, § 92 AktG, § 130a HGB). Für letzteres besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch nur ein enges Anwendungsfeld.

Nunmehr sollen Zahlungen im Zeitraum der Aussetzung der Insolvenzantragspflichten als stets mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gelten. Dies soll insbesondere der Fall sein, wenn die Zahlung der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen.

Die Vorschriften sollen rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft gesetzt werden.

2. Vereinfachung und Schutz bei Kreditvergabe

Nach den Regelungen des Entwurfs soll ein besonderer Anreiz für die Vergabe neuer Kredite geschaffen werden. Dafür sind eine Vielzahl von gesetzlichen Erleichterungen erforderlich, da die Vergabe an krisenbehaftete Unternehmen grundsätzlich strengen Voraussetzungen unterliegt (Sanierungskredite erfordern Bescheinigung über Sanierungsfähigkeit).

Insoweit wird zunächst klargestellt, dass die Kreditgewährung und Besicherung im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie nicht als sittenwidrig anzusehen ist. Damit wird Bezug genommen auf die zu Sanierungskrediten bestehende Rechtsprechung und auf (weitere) entsprechende Voraussetzungen ausdrücklich verzichtet. Dies wird Kreditinstitute in die Lage versetzen, Entscheidungen über eine Kreditierung schneller und effizienter treffen zu können. Dies unterstützt zudem das bereits ins Leben gerufene Rettungsprogramm unter Beteiligung der KfW.

Des Weiteren gilt eine bis zum 30.09.2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite nicht als gläubigerbenachteiligend. Dies hat zur Folge, dass die insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften gemäß §§ 129 ff. InsO diesbezüglich keine Anwendung finden. Folglich besteht ein besonderer Schutz im Hinblick auf das strenge Regime der Insolvenzanfechtung. Dies gilt auch für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen. Voraussetzung ist jedoch insgesamt, dass es sich um neue Kredite handelt.

3. Schutz der Geschäfts- und Vertragspartner

Auch ohne die Vergabe neuer Kredite sollen bestimmte Vertragspartner in den Anwendungsbereich eines Anfechtungsschutzes gelangen. Dadurch sollen Sanierungsbemühungen durch zum Beispiel Vermieter, Leasinggeber und Lieferanten privilegiert werden. Der Schutzumfang ist weitreichend und ermöglicht eine Vielzahl von Sanierungsmaßnahmen. Hintergrund dieser Erleichterung ist, dass z.B. die Gewährung von Zahlungserleichterungen ebenfalls für eine verbesserte Liquidität auf Seiten des krisenbehafteten Unternehmens sorgt und insoweit einer Neuvergabe eines Kredites nicht nachstehen soll.

Der Entwurf ist insgesamt sehr zu begrüßen. Trotz der angespannten wirtschaftlichen Situation wird den Beteiligten gewisse Sicherheit im Rechtsverkehr gegeben. Über den weiteren Verlauf und die neuen Entwicklungen werden wir Sie stets informiert halten.

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