Erhebliche Erleichterungen auch im Gesellschaftsrecht
Nothilfepakete für Unternehmen, wie z.B. direkte Zuschüsse, subventionierte Kredite, Steuererleichterungen und Kapital-/Eigenkapitalspritzen, sind bereits auf den Weg gebracht. Um der aktuellen Krisensituation für die Wirtschaft und die Bevölkerung Rechnung zu tragen, sollte es zusätzlich zu diesen wirtschaftlichen Rettungsmaßnahmen auch Gesetzesänderungen geben, welche einen umfassenden Schutz vor den Folgen der COVID-19-Pandemie bieten und den Unternehmen Handlungsfähigkeit gewährleisten.
Unter Hochdruck arbeitet die deutsche Bundesregierung aktuell an einem „Gesetz zur Minderung der Folgen der COVID-19-Pandemie in den Bereichen Insolvenz-, Gesellschafts-, Zivil- und Strafprozessrecht“, welches bereits diese Woche verabschiedet werden soll.
I. Die vorgeschlagenen Änderungen im Gesellschaftsrecht im Überblick
Die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie haben zu weitreichenden Einschränkungen des öffentlichen und privaten Zusammenkommens von Menschen geführt. Infolgedessen wurden zahlreiche Unternehmen daran gehindert, (Aktionärs-)Versammlungen auf herkömmlichem Wege abzuhalten und Beschlüsse zu fassen. Dies hat zur Konsequenz, dass viele Unternehmen handlungsunfähig sind sowohl hinsichtlich der Feststellung von Jahresabschlüssen und der Festlegung einer Gewinnausschüttung als auch hinsichtlich anderer Versammlungen, die aufgrund besonderer Maßnahmen, etwa Kapitalmaßnahmen und Umstrukturierungen, erforderlich sind. Letztere können zur Bewältigung der aktuellen wirtschaftlichen Ausnahmesituation zwingend notwendig sein. Der aktuelle gesellschaftsrechtliche Gesetzesentwurf zielt daher insbesondere darauf ab, den Unternehmen die effiziente Einberufung von Versammlungen sowie die Beschlussfassung ohne physische Anwesenheit der Aktionäre zu ermöglichen. Ferner soll der Eintritt von Führungslosigkeit bei Ablauf von Bestellungszeiträumen für bestimmte Ämter mangels herkömmlicher Beschlussfassungsmöglichkeit bei einzelnen Rechtsformen vermieden werden.
II. Die geplanten gesellschaftsrechten Gesetzesänderungen im Einzelnen:
Aktiengesellschaften; Kommanditgesellschaften auf Aktien; Europäische Gesellschaften (SE)
- Laut Gesetzesentwurf soll der Vorstand einer Aktiengesellschaft beschließen können, dass die Aktionäre auf elektronischem Wege an der Hauptversammlung teilnehmen und abstimmen können, auch wenn dies in der Satzung nicht ausdrücklich vorgesehen ist. In der derzeit geltenden Fassung des § 118 Abs. 1 S. 2 AktG können die Aktionäre an der Hauptversammlung ohne physische Anwesenheit im Wege elektronischer Kommunikation nur dann teilnehmen, sofern die Satzung dies vorsieht. Insoweit stellt der Gesetzesentwurf, insbesondere der Verzicht auf eine Satzungsgrundlage, eine wesentliche Erleichterung für die Durchführung der ordentlichen sowie außerordentlichen Hauptversammlungen ohne physische Anwesenheit sämtlicher Aktionäre dar.
Darüber hinaus soll es dem Vorstand ermöglicht werden, zu entscheiden, dass die Hauptversammlung vollständig virtuell, d.h. ohne physische Anwesenheit sogar eines Aktionärs an dem Ort der Hauptversammlung, durchgeführt wird, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- die gesamte Hauptversammlung wird mittels Bild- und Tonübertragung abgehalten;
- es wird gewährleistet, dass die Aktionäre virtuell abstimmen können, etwa über elektronische Kommunikation; Vollmachtserteilung ist auch möglich;
- die Möglichkeit zu Fragestellung auf elektronischem Wege wird ebenfalls sichergestellt und die Beantwortung erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen vom Vorstand; sowie
- den stimmberechtigten Aktionäre wird ermöglicht, gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung Widerspruch einzulegen, ohne physisch anwesend zu sein. Nach der derzeit geltenden Fassung des § 245 Abs. 2 AktG ist die physische Anwesenheit eine zwingende Voraussetzung hierfür.
Die Möglichkeit der Durchführung einer vollständig virtuellen Hauptversammlung war in den vergangenen Jahren lediglich ein Diskussionsgegenstand in der Literatur, welche vom Gesetzgeber bisher angesichts der herkömmlichen Interpretation des Hauptversammlungsbegriffs im Sinne eines physischen Zusammentreffens der Aktionäre abgelehnt wurde.
Angesichts der aktuellen Ausnahmesituation ist die Zulassung einer vollständig virtuellen Hauptversammlung zu begrüßen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob und wie schnell die Gesellschaften die Erfüllung der vorgesehenen elektronischen Voraussetzungen, insbesondere die elektronischen Fragerechte, gewährleisten können.
- Die Einberufungsfrist für die Hauptversammlungen wird auf 21 Tage verkürzt und die derzeit geltende Verpflichtung der Gesellschaften gem. § 175 Abs. 1 S. 2 AktG, ihre Hauptversammlung innerhalb von acht Monaten nach dem Geschäftsjahr einzuberufen, auf zwölf Monate verlängert. Für zahlreiche Aktiengesellschaften bedeutet dies konkret, dass die regulär am 31. August 2020 ablaufende Frist bis zum 31. Dezember 2020 verlängert wird. Von dieser geplanten Gesetzesänderung ausgenommen bleibt die Europäische Aktiengesellschaften (SE). Für diese ist die Hauptversammlung nach wie vor innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres gemäß Art. 54 Abs. 1 SE-VO einzuberufen.
- Des Weiteren wird vorgesehen, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft ohne Satzungsgrundlage die Auszahlung von Vorabdividenden auf den Bilanzgewinn für das letzte Geschäftsjahr beschließen kann.
- Alle oben genannten Beschlüsse bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats.
- Das Recht der Aktionäre, Hauptversammlungsbeschlüsse aufgrund der Nichteinhaltung bestimmter Formerfordernisse, einschließlich der Einberufung in elektronischer bzw. virtueller Form, anzufechten, soll auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzungen beschränkt werden.
- Für Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie für Europäische Aktiengesellschaften (SE) gilt der vorstehende Gesetzesvorschlag entsprechend. Auf die SE soll lediglich die Ausnahme der Verlängerung der Einberufungsfrist der Hauptversammlung auf zwölf Monate keine Anwendung finden.
GmbHs
Auch für Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind Erleichterung bezüglich der Beschlussfassung geplant. Abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG können Beschlüsse ausweislich des Gesetzesentwurfs durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden.
Umwandlungsgesetz
Für Verschmelzungen und Spaltungen soll es ausweislich des Gesetzesentwurfs genügen, dass Umwandlungen eingetragen werden und damit wirksam werden, wenn sich die Bilanz auf einen höchstens zwölf Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist. Abweichend davon darf das Registergericht nach der derzeit geltenden Fassung des §§ 17 Abs. 2 S. 4, 125 Abs. 1 UmwG die Verschmelzung bzw. die Spaltung nur eintragen, wenn die Bilanz auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist.
Vereine / Genossenschaften
Zur Vermeidung von Führungslosigkeit sieht der Gesetzesentwurf für Vereine vor, dass Vorstandsmitglieder auch über die ursprüngliche Amtszeit hinaus bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt bleiben können. Auch ohne ausdrückliche satzungsmäßige Ermächtigung soll der Vorstand den Vereinsmitgliedern ermöglichen können, an einer Mitgliederversammlung nicht-physisch teilzunehmen und ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben, sowie ihre Stimmen für eine Mitgliederversammlung vorab schriftlich abzugeben. Schließlich werden die Voraussetzungen für Beschlüsse außerhalb einer Mitgliederversammlung gelockert. Die Beschlüsse sollen auch dann gültig sein, wenn zwar alle Mitglieder beteiligt waren, aber nur die Hälfte der Mitglieder ihre Stimme abgeben haben und die entsprechende Mehrheit erreicht werde.Für Genossenschaften sieht die Gesetzesvorlage ebenfalls eine Erleichterung bezüglich der Durchführung von Vorstands- uns Aufsichtsratssitzungen sowie der Beschlussfassung vor. Sitzungen des Vorstands oder des Aufsichtsrats einer Genossenschaft sowie gemeinsame Sitzungen des Vorstands und des Aufsichtsrats können auch ohne Satzungs- oder Geschäftsordnungsgrundlage im Umlaufverfahren in Textform oder als Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden. Abweichend von der derzeit geltenden Kompetenzverteilung soll die Gesetzesänderung ermöglichen, dass der Jahresabschluss vom Aufsichtsrat anstelle der Mitgliederversammlung genehmigt wird. Ferner soll ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates einer Genossenschaft auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt bleiben dürfen.
Wohnungseigentümergemeinschaften
Auch für die Wohnungseigentümergemeinschaften ist geplant, dass der zuletzt ernannte Verwalter bis zur Entlassung oder Wahl eines neuen Verwalters im Amt bleiben kann. Ferner soll der letzte Wirtschaftsplan auch bis zur Beschlussfassung über einen neuen Plan gültig und in Kraft bleiben.
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