Pfändungsschutz für Corona-Soforthilfe
(Kommentar zu Landgericht Köln, Beschluss vom 23.04.2020, Az.39 T 57/20)
Das Landgericht Köln hat sich kürzlich in seinem Beschluss vom 23.04.2020 mit der Pfändbarkeit der Corona-Soforthilfe für Kleinunternehmer und Soloselbstständige befasst und deren Rechte gestärkt. Dabei entschied es, dass die Soforthilfe der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von Liquiditätsengpässen diene, nicht aber der Befriedigung von nicht im Zusammenhang mit dem Betrieb entstandenen Altschulden. Die Soforthilfe genieße als zweckgebundene Zahlung gegenüber solchen Altgläubigern aus der Zeit vor der Corona-Pandemie Pfändungsschutz. Kein Pfändungsschutz bestehe jedoch gegenüber Gläubigern von Forderungen im Zusammenhang mit dem laufenden Betrieb des Unternehmers oder Selbstständigen, der die Soforthilfe bezieht. Das betrifft Gläubiger wie bspw. den aktuellen Vermieter, Leasinggeber oder Lieferanten.
Die Entscheidung des Landgerichts Köln ist zu begrüßen. Gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erweitert das Gericht dogmatisch gut begründet den Pfändungsschutz, stellt zugleich aber klar, dass der Schutz nicht gegenüber Gläubigern des laufenden Geschäftsbetriebs gilt.
Im Einzelnen:
Der Gläubiger im zugrunde liegenden Fall des Landgerichts Köln hatte 2017 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, wonach der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Kontoguthabens gegenüber der Drittschuldnerin (seiner Bank) gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen wurde. Das Konto des Schuldners wird als Pfändungsschutzkonto (P-Konto) i.S. von § 850k ZPO geführt.
Auf das P-Konto des Schuldners – eines Kleinunternehmers – wurde eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 EUR als einmalige Pauschale ausgezahlt. Das Kontoguthaben, welches über den für den Schuldner eingerichteten Sockelbetrag hinausgeht, zahlte die Drittschuldnerin nicht an den Schuldner aus. Darauf hin beantragte der Schuldner gegenüber dem Amtsgericht die Aufhebung der Pfändung und Freigabe der Soforthilfe. Das Amtsgericht gab den Betrag in voller Höhe an den Schuldner frei.
Das Gericht qualifiziert den Antrag als Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 765a ZPO, nicht als Festsetzung eines pfändungsfreien Betrags nach § 850k Abs. 4 ZPO. Insbesondere handele es sich bei der Soforthilfe auch weder um sonstige Einkünfte i.S.v. § 850i ZPO noch – da wie Einkommen zu versteuern – um eine einmalige Sozialleistung i.S.v. § 850k Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO.
Der Anspruch des Schuldners auf Gewährung der Corona-Soforthilfe sei ein nach § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbarer Anspruch. Dabei verweist das Landgericht Köln auf die langjährige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Pfändungshindernis neben der Höchstpersönlichkeit eines Anspruchs auch dessen Zweckbindung ist. In diesen Fällen sei der Gläubigerzugriff gemäß § 851 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen, soweit er mit dem zum Rechtsinhalt gehörenden Anspruchszweck unvereinbar wäre (BGH, Beschluss vom 05.11.2004, Az. IXa ZB 17/04). Die Zweckbindung müsse sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ableiten, wie dies z.B. bei den Vorschriften zur Gewährung öffentlicher Beihilfen regelmäßig der Fall ist. Sie könne sich auch aus der Natur des Rechtsverhältnisses und bei öffentlich-rechtlichen Leistungen ferner aus den einschlägigen normersetzenden oder norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften ergeben (BGH, Urteil vom 29.10.1969, Az. I ZR 72/67). Im Sinne dieser Rechtsprechung sei die Soforthilfe als zweckgebunden anzusehen, da sie ausweislich des im Bescheid mitgeteilten Leistungszwecks der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Begünstigten und der Überbrückung von dessen aktuellen Liquiditätsengpässen infolge der Corona-Pandemie dient (so auch ausdrücklich Riedel, in: BeckOK, ZPO, Stand: 01.03.2020, § 851 Rn. 10).
Keinen derartigen Pfändungsschutz genieße der Schuldner jedoch bei der Soforthilfe gegenüber einem sog. Anlassgläubiger. Denn die Soforthilfe sei für die Deckung der laufenden Betriebskosten des Unternehmens des Schuldners einzusetzen. Gläubiger von Forderungen gegen den Schuldner im Zusammenhang mit dessen laufendem Betrieb, wie bspw. der aktuelle Vermieter, Leasinggeber oder Lieferanten, könnten die Soforthilfe daher pfänden. Altgläubiger aus der Zeit vor der Corona-Pandemie - so wie der Gläubiger im Fall des Landgerichts Köln - könnten auf die Corona-Soforthilfe hingegen nicht im Wege der Forderungspfändung zugreifen.
Dieser Pfändungsschutz des Schuldners erstrecke sich auch auf dessen Bankkonto. Denn andernfalls würde die Unpfändbarkeit mit Eingang der Soforthilfe auf dem Konto des Schuldners verloren gehen, da in diesem Moment der Anspruch des Schuldners auf die Zahlung erlischt und zu einem Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen die Bank in derselben Höhe wird. Um auszuschließen, dass der Pfändungsschutz auf diese Weise der Intention des Gesetzgebers zuwider umgangen wird, billige der Bundesgerichtshof etwa eine Freigabe "entsprechend dem Rechtsgedanken des § 850k ZPO“ von Guthaben, das sich aus zweckgebundenen und damit nach § 851 ZPO unpfändbaren Beträgen ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 29.03.2006, Az. VII ZB 31/05; so auch AG Reutlingen, Beschluss vom 12.01.2017, Az. 21 M 3308/15)
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