Sportverbände als öffentliche Auftraggeber?

Der EuGH hat am 03.02.2021 eine interessante Entscheidung zur vergaberechtlichen Einordnung von Sportverbänden getroffen (Rechtssachen C-155/19 und C-156/19).

Um was ging es?

Der EuGH hatte zu bewerten, ob der italienischen Fußballverband ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des EU-Vergaberechts ist.

Öffentliche Auftraggeber müssen bei Beschaffungen das europäischen Vergaberecht anwenden. Gemäß § 99 Nr. 2 GWB zählen hierzu nicht nur Bund, Land und Kommunen, sondern auch juristische Personen des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, wenn sie zugleich entweder

  • von einem öffentlichen Auftraggeber überwiegend finanziert werden, oder
  • ihre Leitung der Aufsicht durch einen öffentlichen Auftraggeber unterliegt oder
  • mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht

berufenen Organe durch öffentliche Auftraggeber bestimmt worden sind. Ausschlaggebend im streitgegenständlichen Fall war die Frage, ob davon ausgegangen werden kann, dass das italienische nationale olympische Komitee (CONI) in dem Maße die Aufsicht über die Leitung des Fußballverbands hat, dass es unter anderem auch Einfluss auf Vergabeentscheidungen nehmen könnte.

Wie hat der EuGH entschieden?

Das Merkmal der Aufsicht wurde für die italienische Konstellation in der Tendenz vom EuGH abgelehnt. Allerdings wurde der Fall zur letztgültigen Entscheidung an das nationale Gericht zurückverwiesen. Das CONI ist eine öffentliche Verwaltungsstelle ist, die im Wesentlichen zur Aufgabe hat, auf dem Gebiet des Sports Regeln aufzustellen, deren ordnungsgemäße Anwendung zu prüfen und nur auf der Ebene der Organisation von Wettkämpfen und der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele einzugreifen. Das CONI hat hingegen nicht die Aufgabe, die Organisation und die alltägliche Ausübung der verschiedenen Sportdisziplinen zu regeln. Nach Ansicht des EugH könne eine solche Stelle dem ersten Anschein nach nicht als ein hierarchisches Organ angesehen werden, das befähigt ist, die Leitung der nationalen Sportverbände zu kontrollieren und zu führen.

Die den nationalen Sportverbänden in Italien gewährte Leitungsautonomie scheine a priori gegen eine aktive Aufsicht des CONI zu sprechen, die so weit ginge, dass das CONI in der Lage wäre, die Leitung eines nationalen Sportverbands, insbesondere im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge, zu beeinflussen.

Allerdings könne eine solche Vermutung widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass die verschiedenen Befugnisse des CONI gegenüber dem Fußballverband bewirken, dass das CONI die Entscheidungen des Fußballverbands im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge beeinflussen kann.

Beachtenswert ist, dass der EuGH darüber hinaus klarstellt, dass Sportverbände grundsätzlich dem europäischen Vergaberecht unterfallen könnten, da deren Tätigkeit eine Tätigkeit im Allgemeininteresse nichtgewerblicher Art sei. Dies würde laut EugH auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Verband zum einen die Rechtsform eines privatrechtlichen Vereins habe und zum anderen neben den im Allgemeininteresse liegenden Tätigkeiten, die in der nationalen Regelung abschließend aufgeführt sind, andere Tätigkeiten ausübe, die einen Großteil ihrer gesamten Tätigkeiten bilden und eigenfinanziert seien.

Was folgt daraus für die Deutschen Sportverbände?

Auch die deutschen Sportverbände dürften in der Regel Aufgaben im Allgemeininteresse nichtgewerblicher Art ausüben, so dass grundsätzlich der Weg ins Vergaberecht geöffnet ist.

Da die deutschen Sportverbände jedoch über eine Leitungsautonomie verfügen, dürfte das Merkmal der „Aufsicht über die Leitung” in der Regel nicht gegeben sein.

Allerdings ergibt sich eine Auftraggebereigenschaft gemäß § 99 Nr. 2 GWB dennoch immer dann, wenn der Verband überwiegend durch die öffentliche Hand finanziert wird, z.B. weil er zu mehr als 50 % institutionell gefördert wird.

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