Aktuelle Rechtsprechung im Insolvenzrecht: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.07.2021 – II ZR 164/20

Im Urteil vom 27.07.2021 – II ZR 164/20 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die vorsätzliche Insolvenzverschleppung mit der Absicht des Hinauszögerns des als unabwendbar erkannten Endes des Unternehmens den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung erfüllt, wenn dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf genommen wird.

Tatbestand

Der Kläger hatte die S. GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte war, mit Fassadenarbeiten beauftragt. Die Arbeiten wurden nur zu einem geringen Teil fertiggestellt und die Aufforderung und Fristsetzung zur Fertigstellung war ergebnislos. Daraufhin hat der Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren mit Beweisfragen zum Leistungsstand und zu eventuellen Gebäudeschäden gegen die S. GmbH beantragt. Das Gericht ordnete eine Begutachtung durch einen Sachverständigen an. Die S. GmbH war dabei schon seit einigen Monaten zahlungsunfähig, hat aber keinen Insolvenzantrag gestellt. Erst nach einem Strafbefehl gegen den Beklagten wegen Insolvenzverschleppung wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter gab bekannt, dass die Insolvenzmasse die Kosten für den Sachverständigen nicht tragen könne.

Sittenwidrige Schädigung

In diesem Fall haftet der Geschäftsführer persönlich. Kennt der Geschäftsführer die Insolvenzreife der Gesellschaft und führt das Unternehmen dennoch weiter, in der Absicht das als unabwendbar erkannte Ende eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern und dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf nimmt, gilt dies als sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB.

Entschädigungsanspruch

Der Schutzbereich einer solchen Insolvenzverschleppung erfasst Personen, die vor Insolvenzreife in Vertragsbeziehungen mit der Gesellschaft getreten sind. Wenn diese durch einen gegen die mittlerweile unerkannt insolvenzreife Gesellschaft eingeleiteten Rechtsstreit oder ein selbständiges Beweisverfahren mit Kosten belastet werden, für die sie bei der Gesellschaft keinen Ersatz mehr erlangen können, können sie vom Geschäftsführer, der seine Insolvenzantragspflicht verletzt hat, Ersatz der überflüssig aufgewandten Kosten verlangen.

Fazit

Der Schaden gilt dann als entstanden und ist ersatzfähig, wenn die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrags dazu geführt hätte, dass der Kläger das kostenauslösende Ereignis, hier selbstständige Beweisverfahren, nicht eingeleitet hätte. Dabei ist für die Zurechnung des Schadens zur Verschleppung der Insolvenz unerheblich, ob die Forderung des Klägers in der Sache berechtigt war. Die Rechtsverfolgungskosten des Klägers dürfen lediglich nicht ungewöhnlich hoch oder gänzlich unangemessenen sein.

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