Klimaschutz durch Wärmeplanung – Hamburg als Vorbild für Hessen?
Gebäude sind Klimasünder. Ihr Anteil am gesamten Energieverbrauch Deutschlands liegt bei ca. 35 Prozent [1]. Die Anpassung und Umstrukturierung der Wärmeversorgung spielt daher eine wichtige Rolle für das Erreichen der Klimaziele nach dem Übereinkommen von Paris. Auch der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts [2] hat verdeutlicht, dass Handlungsbedarf besteht.
Wärmewende in Hamburg
Die Freie und Hansestadt Hamburg ist ein Vorreiter bei der Wärmewende. So wurden bereits mit dem Hamburger Klimaplan 2015 erste Klimaziele benannt. Konkretisiert wurden die Klimaziele sodann im Hamburgischen Klimaschutzgesetz (HmbKliSchG) vom 20. Februar 2020, das den vollständigen Kohleausstieg für die Wärmeversorgung bis 2030 vorsieht. Ziel ist es, Wärme, die aus Stein- oder Braunkohle und somit aus fossilen Brennstoffen produziert wurde, zukünftig vollständig aus dem Wärmenetz auszuschließen (§ 2 Abs. 1 HmbKliSchG).
Zur Erreichung dieses Ziels wurden die §§ 9 und 10 HmbKliSchG als zentrale Normen zur Umstellung der Wärmeversorgung eingeführt. Hierbei verpflichtet die Hansestadt Hamburg sich selbst und die in ihrem Eigentum stehenden Wärmeversorgungsunternehmen unmittelbar zum Handeln. Dies erscheint wirkungsvoller und wirtschaftlich sinnvoller als Maßnahmen auf die einzelnen Gebäudeeigentümer zu übertragen. Insbesondere da die Wärmeversorgung in Hamburg maßgeblich durch die Wärme Hamburg GmbH übernommen wurde, die zu 100 Prozent im Eigentum der Hansestadt steht.
In § 9 HmbKliSchG wurde als erster Schritt festgelegt, dass ab dem 31. Dezember 2019 keine Wärme mehr von Dritten bezogen oder vertrieben werden darf, die unmittelbar aus Stein- oder Braunkohle produziert wurde. Somit wurde der Kauf von kohlebasierter Wärme unterbunden.
Weiter wurde das Motto „Kohleausstieg 2030“ für die Wärmeerzeugung durch die Hansestadt und der in ihrem Eigentum stehenden Versorgungsunternehmen selbst festgelegt. Unmittelbar auf Stein- oder Braunkohle basierende Wärmeenergie darf nur noch bis zum 31. Dezember 2030 produziert werden, wobei schon vor diesem Termin möglichst weitgehend auf die fossile Wärmeproduktion verzichtet werden soll. Angestrebt wird somit der schnellstmögliche Kohleausstieg.
Nicht nur die Produktion von Wärme, sondern auch der Ausbau des Wärmenetzes wurde bedacht und der Ausbau eines kohlebasierten Fernwärmenetzes weitestgehend unterbunden: Flächen, die im Eigentum der Stadt Hamburg oder ihrer juristischen Personen einschließlich Tochterunternehmen stehen und nicht unter das Hamburger Wegegesetz fallen, dürfen nicht für die Verlegung von neuen Wärmeleitungen zur Verfügung gestellt werden, wenn in diesen Wärme aus kohlebasierten Erzeugungsanlagen geleitet werden soll.
Anforderungen an die Wärmeversorgungsunternehmen
Unter dem etwas sperrigen Titel „Dekarbonisierungsfahrpläne für Wärmeversorgungsunternehmen“ wurden in § 10 HmbKliSchG formelle Anforderungen zur Kontrolle der Wärmeversorgungsunternehmen durch die Behörde aufgestellt. Als Dekarbonisierung wird die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen durch den Einsatz kohlenstoffarmer Energiequellen bezeichnet. Als erster Schritt hatten die Wärmeversorgungsunternehmen nach dem Inkrafttreten des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes sechs Monate Zeit, Informationen über den spezifischen Kohlenstoffdioxid-Faktor, den Anteil und die Art erneuerbare Energien und den Primärenergiefaktor im Internet zu veröffentlichen. Die Öffentlichkeit kann somit nachvollziehen und überprüfen, inwieweit das jeweilige Wärmeversorgungsunternehmen erneuerbare Energien nutzt. Die Veröffentlichung im Internet konnte sogleich von den Versorgungsunternehmen zu Marketingzwecken genutzt werden.
Weiter sind die Wärmeunternehmen dazu verpflichtet, Pläne zu entwickeln und der Behörde bis 2024 vorzulegen, in denen sie darlegen wie das Ziel der nahezu klimaneutralen Wärmeversorgung bis 2050 erreicht werden soll (sog. Dekarbonisierungsfahrpläne). Als Zwischenziel ist vorgesehen, dass bereits bis zum 31. Dezember 2029 mindestens 30 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien stammen muss.
Die Behörde wiederum wird diese Pläne auf ihre Schlüssigkeit und Umsetzbarkeit bis 2030 überprüfen und stellt dementsprechend eine Bescheinigung für das Unternehmen aus. Die Einhaltung der Pläne wird von der Behörde überwacht und gegebenenfalls werden die Unternehmen auf Abweichungen aufmerksam gemacht. Ist eine solche Planung einmal erstellt und genehmigt worden, muss das jeweilige Wärmeversorgungsunternehmen diese alle zehn Jahre aktualisieren.
Wärme- und Kälteplanung
Ein weiterer Baustein für ein klimaneutrales Hamburg ist eine behördliche Wärme- und Kälteplanung. Damit sollen insbesondere Infrastrukturmaßnahmen koordiniert werden. Die erstellten Pläne sind bei städtebaulichen Planungen zur berücksichtigen (§ 25 Abs. 2 HmbKliSchG).
Praktische Umsetzung
Die Frist für die Wärmeversorgungsunternehmen zur Einreichung der Dekarbonisierungsfahrpläne bei den zuständigen Behörden ist noch nicht abgelaufen, dennoch ist die Fahrtrichtung für die Hansestadt klar. In Hamburg wurde bereits damit begonnen, das Fernwärmesystem Hamburg 2025 umzusetzen. Das neue Fernwärmesystem besteht aus Energiequellen, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Alte kohlebasierte Heizkraftwerke werden ersetzt oder umgerüstet, sodass eine neue klimaneutrale Wärmeversorgung entstehen kann.
Zur klimaneutralen Wärmeversorgung ist es erforderlich, dass für das kohlebefeuerte Heizkraftwerk Wedel eine alternative Energiequelle gefunden wird. Das Heizkraftwerk Wedel soll spätestens 2025 abgeschaltet und durch einen flexiblen Erzeugungsverbund bestehend aus verschiedenen Wärmequellen ersetzt werden. In diesem Prozess soll die Abwärme eine bedeutende Rolle spielen. Abwärme ist zum Beispiel Wärme, die von technischen Geräten erzeugt und an die Umgebung abgegeben wird, sodass insbesondere Industrie- und Gewerbe häufig viel Abwärme produzieren. Das größte Abwärmepotenzial der Hansestadt liegt im westlichen und östlichen Hafengebietes. Dort sind energieintensive Industrieunternehmen, Klärwerks- und Abfallverbrennungsanlagen angesiedelt. Zusammen mit dem Energiepark Hafen, der ein Gas-Kraft-Wärme-Kopplungssystem beinhaltet und weiteren Wärmequellen wie Power-to-Heat, wird in Hamburg ein wichtiger Teil der Wärmeenergie südlich der Elbe gewonnen. Eine Nutzung dieser Wärme zur Versorgung des ganzen Stadtgebietes erfordert daher eine Unterquerung der Elbe durch einen Fernwärmetunnel, der sich bereits im Bau befindet.
Ebenso versorgt das Heizkraftwerk Tiefstack das Hamburger Fernwärmesystem mit Energie. Hierbei handelt es sich um ein Kohlekraftwert und Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk, das umgerüstet werden soll. Die Steinkohle soll zukünftig durch Erdgas ersetzt werden.
Neben diesen große Energiequellen sind über das gesamte Stadtgebiet noch weitere dezentrale Heizwerke verteilt, die mit Erdgas betrieben werden. Zu nennen sind hier das Heizwerk HafenCity, Heizwerk Haferweg, Heizwerk Barmbek und Heizkraftwerk Eppendorf. Eine Möglichkeit der Sektorenkopplung stellt der Elektroheizkessel Karoline dar. Dort wird überschüssiger Strom aus Windenergie, der in Schleswig-Holstein gewonnen wurde, in Wärme umgewandelt. Zudem befindet sich in der HafenCity mit einer Kollektorenfläche von insgesamt 1.800 m² eine große Solarthermie, durch die Energie gewonnen wird, die unter anderem zur Deckung des Warmwasserbedarfs in der HafenCity genutzt wird.
Der hessische Vorschlag
Als Reaktion auf den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts und die aktuellen Entwicklungen wurde jetzt auch die Hessische Landesregierung aktiv. Sie schlägt vor, das Hessische Energiegesetz (HEG) grundlegend zu ändern [3]. Ziel der Neuregelung ist die Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. Dies soll mit der Förderung hocheffizienter Gebäude, strengen Anforderung für Gebäudes des Landes, einer Solarpflicht und einer obligatorischen kommunalen Wärmeplanung erreicht werden.
Die Wärmepläne sollen von allen hessischen Städten und Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern aufgestellt werden. Hierfür sollen sie (ab Bekanntmachung des Gesetzes) ein Jahr Zeit haben. Der Zeitplan erscheint ehrgeizig. Zum Vergleich: Kommunale Bebauungspläne erfassen jeweils nur einen Teil des Gemeindegebiets. Ihre Aufstellung kann aber häufig mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen.
Nach seiner erstmaligen Veröffentlichung soll der Wärmeplan fortlaufend aktualisiert werden. Ein bestimmter Rhythmus ist hierfür nicht vorgesehen.
Aufstellung von Wärmeplänen
Nach den Vorstellungen der Landesregierung soll die Aufstellung des Wärmeplans in drei Schritten erfolgen:
- Am Anfang steht die Bestandsanalyse. Dies entspricht der Ermittlung des Abwägungsmaterials in der Bauleitplanung. Der Gesetzentwurf gewährt den Städten und Gemeinde die umfassende Befugnis, die vorhandenen Daten bei Energieunternehmen abzufragen.
- Der zweite Schritt ist die Potenzialanalyse. Dabei soll der Wärmebedarf den Möglichkeiten der Wärmerzeugung sowie der Nutzung von Abwärme gegenübergestellt werden.
- Den Abschluss bildet das klimaneutrale Szenario. Die Städte und Gemeinden sollen eine Wärmestrategie mit konkreten Maßnahmen beschließen. Diese Strategie soll zur Klimaneutralität im Jahr 2045 führen.
Die Einzelheiten des Verfahrens sollen in einer Rechtsverordnung festgelegt werden. Angesichts des ehrgeizigen Zeitplans sollte diese Verordnung möglichst zeitgleich mit dem Änderungsgesetz in Kraft treten.
Verbindlichkeit der Wärmepläne
Der hessische Gesetzesentwurf schweigt zu der Frage, ob und ggf. für wen die Wärmepläne rechtsverbindlich sind. Es spricht viel dafür, dass diese – ebenso wie in Hamburg – zumindest für die Bauleitplanung eine gewisse Verbindlichkeit haben. Nach dem Baugesetzbuch (BauGB) ist der Klimaschutz ein Belang des Städtebaus. Da der Wärmeplan dem Klimaschutz dienen soll, ist er eine „sonstige städtebauliche Planung“ im Sinne von § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB. Seine Inhalte sind daher bei der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen zu „berücksichtigen“. Eine Abweichung ist nur möglich, wenn andere Belange objektiv überwiegen.
In hessischen Bebauungsplänen werden sich daher zukünftig (noch) mehr Vorgaben für eine klimafreundliche Wärmeversorgung finden. Denkbar sind beispielsweise eine Solarpflicht, aber auch Leitungsrechte für klimafreundliche Nah- und Fernwärme.
Dekarbonisierung
Ähnlich wie in Hamburg sollen Wärmenetzbetreiber verpflichtet werden, Dekarbonisierungspläne vorzulegen. Diese Pläne sollen aufzeigen, wie der Anteil erneuerbarer Energien bei der Wärmerzeugung auf zunächst 30 Prozent (2030) und später auf 100 Prozent (2045) gesteigert werden kann. Dass diese Pläne auch umzusetzen sind, ergibt sich aus dem Gesetzesentwurf nicht.
Ausblick
Es bleibt abzuwarten, ob der hessische Gesetzesentwurf im Lauf des Verfahren noch überarbeitet wird. Schon jetzt ist absehbar, dass die Umsetzung der Vorgaben in einem Flächenland wie Hessen deutlich komplexer ist als in einem Stadtstaat wie Hamburg. Unstreitig dürfte sein, dass beim Energieverbrauch von Gebäuden überall in Deutschland dringender Handlungsbedarf besteht.
[1] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Energieeffizienz in Zahlen, 2021, S. 56
[2] Beschluss vom 24. März 2021, 1 BvR 2656/18 u.a.
[3] Gesetzesentwurf „Gesetz zur Änderung des Hessischen Energiegesetzes“, Drucksache 20/8758
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