Vereinfachung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Freistellung alter Bahnflächen?
§ 23 AEG ist die zentrale Norm für die Entwidmung (Freistellung) alter Bahnflächen von Bahnbetriebszwecken. Für die Realisierung bahnfremder Vorhaben ist die Freistellung unumgänglich. In Zeiten der Flächenknappheit und des Wohnungsmangels ist es daher ein gutes Zeichen, dass die Bundesregierung die Vorschrift ändern will.
Nachdem die von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachte Gesetzesinitiative im Januar scheiterte, ist mit der vom Bundeskabinett beschlossenen Formulierungshilfe wieder Bewegung in die erneute Änderung des § 23 AEG gekommen. Die seit Ende 2023 geltende Gesetzesfassung, welche die Tatbestandsvoraussetzung des überragenden Interesses für die Entwidmung eingeführt hat, ermöglicht nach der Ansicht vieler die Freistellung von Bahnflächen regelmäßig nur für besondere Vorhaben im Öffentlichen Interesse, wie zum Beispiel solchen der Landesverteidigung oder der Erneuerbaren Energien. Auch wenn teils die Gesetzesänderung weniger restriktiv ausgelegt und eine Abwägung nach wie vor für möglich gehalten wurde, rief die herrschende Rechtsunsicherheit eine Stagnation bei der Überplanung noch nicht freigestellter, brachliegender ehemaliger Bahnflächen in Privateigentum hervor.
Es bleibt abzuwarten, unter welchen Voraussetzungen zukünftig eine Freistellung möglich sein wird. Die Pressemitteilung über den „Kompromissvorschlag“ indiziert, dass ein besonderer Fokus auf Wohnungsbauprojekten liegt, die realisiert werden können sollen. Man denke zum Beispiel an das Rosensteinquartier auf dem ehemaligen Gleisvorfeld des Stuttgarter Hauptbahnhofs.
Es ist weitsichtig, dass genügend Flächen für die Reaktivierung von Schieneninfrastruktur vorgehalten werden sollen. Es gibt, gerade auch angesichts des Ziels, mit der Verkehrswende noch mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen, gute Gründe für das Beibehalten auch von hinreichend Industrieflächen, die beispielsweise über einen Gleisanschluss verfügen. Zugleich gibt es jedoch zahlreiche Liegenschaften, die sich aufgrund ihrer Lage oder der auf sie einwirkenden Immissionen nicht für die Umsetzung von Wohnbauprojekten eignen, aber einen guten Standort für gewerbliche oder industrielle Vorhaben bieten würden. Nicht alle dieser Flächen eignen sich jedoch für eine Reaktivierung der Bahnnutzung, zudem ist nicht jeder Nutzer an einem Bahngleis interessiert. Die derzeitige schwierige Gesetzeslage hat daher in der Praxis kreative Lösungsansätze zur Folge, die viele Behördenabstimmungen erforderlich machen und dennoch verbleibende Rechtsunsicherheiten bergen. Daher ist zu hoffen, dass der in der Pressemitteilung enthaltene Verweis auf die allgemeinen Belange der kommunalen Stadtplanung auch für die bahnfremde Nutzung solcher Flächen zu einer ausgewogenen Lösungsmöglichkeit führt.
Als Übergangslösung könnte eine Regelung für die zeitlich befristete Zulassung von Nutzungen eingeführt werden, die mit dem Bahnbetriebszweck nicht in Einklang stehen. Dies würde allerdings immer noch die Planungssicherheit einengen und die Nutzung auf Vorhaben beschränken, die wirtschaftlich (und nachhaltig?) umsetzbar sind, obwohl absehbar ist, dass sie nach einer zu bestimmenden Zeit wieder zurückgebaut werden müssen.
Es bleibt in jedem Fall spannend!
Author