Insolvenzeröffnungsgründe - was gilt ab dem 01.01.2021?

Auch 2021 sehen sich zahlreiche Unternehmen wirtschaftlichen Herausforderungen ausgesetzt. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie belasten das globale Wirtschaftssystem weiterhin stark. Für viele Unternehmen führen die aktuellen Herausforderungen schnell in kritische Bereiche. Oftmals sind Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich. Teilweise bedarf es Insolvenzverfahren.

Insbesondere aufgrund des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) und der geänderten Gesetzeslage zum 01.01.2021 sind eine Vielzahl von Änderungen zu beachten. Viele Änderungen bringen jedoch auch Chancen für eine erfolgreiche Sanierung mit sich, u.a. durch den neuen Restrukturierungsplan sowie durch die Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren. In diesem Zusammenhang geben unsere Experten der Restrukturierungsberatung aus dem Bereich „Restrukturierung & Insolvenzrecht“ in mehreren Teilen einen aktuellen Überblick zur derzeitigen Rechtslage. Im ersten Teil wird die derzeitige Rechtslage im Hinblick auf die Insolvenzeröffnungsgründe und die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages dargestellt.

Insolvenzantragspflichten wieder scharf gestellt

Zur Erinnerung: Aufgrund der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz - COVInsAG) die Insolvenzantragspflichten ab dem 01.03.2020 ausgesetzt, soweit die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht galt zunächst für die Insolvenzeröffnungsgründe der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung. Ab dem 01.10.2020 konnten sich Unternehmen nur noch im Hinblick auf den Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung auf die Aussetzung der Antragspflichten berufen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gemäß den Regelungen des COVInsAG war letztendlich für den Zeitraum bis zum 31.12.2020 vorgesehen.

Seit dem 01.01.2021 besteht grundsätzlich bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) wieder die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages. Allerdings hat der Gesetzgeber COVInsAG eine weitere Übergangsregelung geschaffen. Zusätzlich wurde der Tatbestand der Überschuldung (§ 19 InsO) durch die Regelungen des SanInsFoG überarbeitet.

Keine Insolvenzantragspflicht, wenn Insolvenzreife durch Novemberhilfe und Dezemberhilfe vermieden werden kann

Im Zuge des sogenannten „Zweiten Lockdowns“ wurden die bestehenden Corona-Hilfen des Bundes und der Länder um als „Novemberhilfe“ und „Dezemberhilfe“ bezeichnete Unterstützungsmaßnahmen erweitert. Demnach können Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen („Unternehmen“), die von den temporären Schließungen betroffen sind finanzielle Unterstützung beantragen. Antragsberechtigt sind solche Unternehmen, die aufgrund der Beschlüsse des Bundes und der Länder vom 28.10.2020, 25.11.2020 und 03.12.2020 den Geschäftsbetrieb einstellen mussten.

Gemäß § 1 Abs. 3 COVInsAG ist vom 01.01.2021 bis zum 31.01.2021 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags für die Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum vom 01.11.2020 bis zum 31.12.2020 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben. Eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht besteht allerdings nur in solchen Fällen, in denen eine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht und die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife geeignet ist.

Insgesamt ist erhöhte Sorgfalt auf Ebene der Geschäftsleitung ratsam. Die Insolvenzreife ist fortlaufend zu überwachen. Etwaige Ausnahmetatbestände sollten nur nach sorgfältiger Prüfung herangezogen werden. Die Insolvenzantragspflichten sind grundsätzlich wieder „scharf gestellt“.

Geänderter Prognosezeitraum bei der Bewertung der insolvenzrechtlichen Überschuldung

Durch die Regelungen des SanInsFoG (Artikel 5 – Änderungen der Insolvenzordnung) wurden zahlreiche Regelungen der Insolvenzordnung (InsO) angepasst und geändert. Darunter auch die Voraussetzungen der Überschuldung (§ 19 InsO).

Eine insolvenzrechtliche Überschuldung liegt dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners bei Ansatz von Liquidationswerten die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (rechnerische Überschuldung), es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Es besteht demzufolge eine zweistufige Prüfungsreihenfolge.

Auf Ebene der Prognoseentscheidung, der sogenannten Fortführungsprognose, ist zu prüfen, ob das betreffende Unternehmen im Prognosezeitraum – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit - seinen fälligen Verbindlichkeiten nachkommen kann. Es handelt sich insoweit um eine Zahlungsfähigkeitsprognose. Bezüglich des Prognosezeitraums gab es bislang keine gesetzlichen Vorgaben. Es bestand stets eine Einzelfallwürdigung die nach überwiegender Meinung bei mindestens zwölf Monaten, bei laufendem Geschäftsjahr jedenfalls bis zum Abschluss des nächsten Geschäftsjahres anzusiedeln war. Insoweit wurde in der Regel das laufende und das kommende Geschäftsjahr in den Prognosezeitraum einbezogen.

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf den Prognosezeitraum nunmehr Klarheit geschaffen. Gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 InsO in der seit dem 01.01.2021 gültigen Fassung liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Demnach beträgt der Prognosezeitraum fortan zwölf Monate.

Aber auch hier gibt es eine weitere Übergangsregelungen durch das COVInsAG. Gemäß § 4 COVInsAG ist abweichend von § 19 Abs. 2 S. 1 InsO zwischen dem 01.01.2021 und dem 31.12.2021 anstelle des Zeitraums von zwölf Monaten ein Zeitraum von vier Monaten zugrunde zu legen, wenn die Überschuldung des Unternehmens auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Letzteres wird vermutet, wenn

  • das Unternehmen am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war,
  • das Unternehmen in dem letzten, vor dem 01.01.2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und
  • der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent eingebrochen ist.

Die durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen sollen insoweit weitere Erleichterungen bei der Bewertung des Insolvenzreife erhalten. Auch insoweit sollte jedoch erhöhte Sorgfalt an den Tag gelegt werden. Es handelt sich um eine Ausnahmeregelung, die besonderen Anforderungen und einer lückenlosen Dokumentation bedarf.

Handlungspflichten bei Insolvenzreife

Liegt ein Insolvenzgrund vor und kommen keine Übergangsregelungen oder Ausnahmetatbestände in Betracht, hat die Geschäftsleitung ohne schuldhaftes Zögern einen Insolvenztrag zu stellen.

Auch diesbezüglich bringt das SanInsFoG kleinere Änderungen. Es gelten fortan unterschiedliche Zeiträume und Fristen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Allerdings gilt in diesem Zusammenhang wie bislang auch, dass diese Zeiträume nur dann ausgenutzt werden dürfen, wenn ernsthafte Aussichten auf die Beseitigung der Insolvenzreife bestehen.

Alles in Allem sind die Regelungen zu den Insolvenzantragspflichten in den letzten Monaten stark im Fluss. Zahlreiche Änderungen und Übergangsregelungen müssen bei der Bewertung der Insolvenzantragspflichten beachtet werden. Insgesamt eine große Herausforderung für die Geschäftsleitungen und sonstigen Beteiligten. Die Regelungen des SanInsFoG ebnen den Weg zu mehr Klarheit und Rechtssicherheit. Demgegenüber stehen die etwas verkünstelten Regelungen des COVInsAG.

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