Update Insolvenzrecht

Die Fallzahlen der Unternehmen die einen Insolvenzantrag stellen müssen, sind mitten in der Covid-19-Pandemie historisch niedrig. Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Insolvenzantragspflichten für Unternehmen seit dem 01.03.2020 ausgesetzt sind. Gemäß den Regelungen des Gesetzes zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz, kurz COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz oder COVInsAG, ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages (§ 15a InsO, § 42 Abs. 2 BGB) bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des COVInsAG ist, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruhen muss. Die Anforderungen hierfür sind gering und werden zudem durch Vermutungsregelungen flankiert (vgl. auch FPS Blog Beitrag unter https://fps-law.de/corona-task-force/de/insolvenzrecht.html).

Das COVInsAG sah bereits bei Inkrafttreten vor, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht per Rechtsverordnung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bis zum 31.03.2021 verlängert werden kann. Entgegen dieser Ermächtigung ist nunmehr vorgesehen, das COVInsAG durch ein Gesetz zu ändern. Die Bundesregierung hat bereits eine Formulierungshilfe beschlossen. Das entsprechende Änderungsgesetz soll kurzfristig in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden.

Der Weg über ein Änderungsgesetz ist darin begründet, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ab dem 01.10.2020 nur noch für den Insolvenzgrund der Überschuldung gemäß § 19 InsO gelten soll. Diejenigen Unternehmen, die ab dem 01.10.2020 zahlungsunfähig sind oder werden, sind fortan wieder zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet, wobei sich die Verpflichtung jeweils auf die Vertretungsorgane (Geschäftsführer/Vorstand) bezieht.

Die avisierten Änderungen sollen Unternehmen schützen, die in der Lage sind, ihren fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen, jedoch mangels positiver Fortführungsprognose überschuldet und damit grundsätzlich insolvenzreif sind. Aufgrund der Ungewissheiten des weiteren Verlaufes der Covid-19-Pandemie sei das Aufstellen einer Fortführungsprognose derzeit besonders schwierig und insoweit nicht verlässlich. Den betroffenen Unternehmen soll daher außerhalb eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens die Möglichkeit erhalten bleiben, weitere Restrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen und die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Im Fall der Zahlungsunfähigkeit wiederum soll eine Marktbereinigung stattfinden und das Vertrauen – insbesondere betroffener Lieferanten und Kunden - in den Markt wieder gestärkt werden.

Die geplanten Änderungen sind äußerst umstritten. Es liegen zahlreiche Stellungnahmen verschiedener Experten, wie u.a. dem Ausschuss für Insolvenzrecht der Bundesrechtsanwaltskammer sowie Mitgliedern des Berufsverbands der Insolvenzverwalter vor.1

Die Konsequenzen in der Praxis werden durch die Änderungen unverzüglich eintreten. Sicherlich werden die Zahlen der Insolvenzanträge wieder etwas steigen. Insoweit treten teilweise wieder die grundsätzlichen Handlungspflichten zu Tage. Aber auch die überschuldeten Unternehmen sind betroffen. Es besteht weiterhin die klare Anforderung bis zum Ende des Aussetzungsperiode (voraussichtlich 31.12.2020) den Insolvenzgrund der Überschuldung zu beseitigen. Die Geschäftsleitungen sind angehalten Sanierungskonzepte zu entwickeln und insgesamt die Basis für eine positive Fortführungsprognose zu schaffen. Dafür sind weiterhin die Maßstäbe der Rechtsprechung des BGH, insbesondere zu den Anforderungen an Sanierungskonzepte, maßgeblich. Auch Lieferanten, Kunden und sonstige Gläubiger sollten aufmerksam sein und die Entwicklung ihrer krisenbehafteten Geschäftspartner sorgsam überwachen.

Ein wesentlicher Vorteil der Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflichten für überschuldete Unternehmen könnte darin liegen, dass in den nächsten Wochen und Monaten der Gesetzgeber auf einer anderen Baustelle voranschreitet. Die Umsetzung der Europäischen Restrukturierungsrichtlinie2 in nationales Recht ist dringender denn je und könnte zahlreichen von der Covid-19-Pandemie betroffenen Unternehmen ein hilfreiches und sanierungsfreundliches Instrument werden.

Insgesamt stehen Unternehmen und deren Geschäftsleitung weiterhin vor großen Herausforderungen. Die geplanten Änderungen können teilweise nützlich sein, dürfen jedoch nicht als Freibrief aufgenommen werden und zu Nachlässigkeiten führen. Es gilt weiterhin ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab.

Bei allen rechtlichen Fragen rund um das Thema Corona-Virus helfen wir Ihnen gerne!

Besuchen Sie die Website: https://fps-law.de/corona-task-force/

Schreiben Sie uns: taskforce20@fps-law.de 


[1] Eine ausführliche Darstellung finden Sie im INDat Report, Ausgabe 07_2020.
[2] RICHTLINIE (EU) 2019/1023 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz)

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