Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen
Im Restrukturierung- und Insolvenzrecht sind seit Jahreswechsel neue Zeiten eingeläutet. Wesentlicher Treiber ist das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG), insbesondere, als Teil dessen, das zum 01.01.2021 in Kraft getretene Gesetz über den Stabilisierung- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG). Der Gesetzgeber reagiert damit auf die weiterhin zunehmende Belastung der Wirtschaft sowie der betroffenen Unternehmen und setzt damit zugleich die Richtlinie (EU) 2019/1023 des EU-Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 in nationales Recht um.1
Gegenüber den viel diskutierten Referenten- und Regierungsentwürfen (vgl. auch unseren Blog Beitrag vom 07.10.2020) sieht das finale StaRUG nunmehr einige Anpassungen vor. Im Folgenden möchten wir einen ersten groben Überblick über die neuen Regelungen geben. Das StaRUG bietet viele Möglichkeiten für eine vorinsolvenzliche Restrukturierung und wird einer Vielzahl von Unternehmen einen nachhaltigen Nutzen bieten.
Worum geht es?
Durch die Regelungen des StaRUG wurde ein Rechtsrahmen geschaffen, der an eine frühzeitige Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen („Schuldner“) anknüpft. Die Eintrittsschwelle hinsichtlich der Inanspruchnahme der Regelungen stellt die drohende Zahlungsunfähigkeit dar. Dabei stellt sich das StaRUG zwischen eine außergerichtliche, konsensuale Restrukturierung und eine Restrukturierung im Wege eines Insolvenzverfahrens, insbesondere im Rahmen von Schutzschirmverfahren / Eigenverwaltung. Die Musik spielt dabei im Wesentlichen auf der Passivseite der Bilanz des Schuldners. Es darf weder Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) noch Überschuldung (§19 InsO), also die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages, vorliegen.
Von besonderer Bedeutung ist, dass es sich nicht um ein Gesamtvollstreckungsverfahren handelt. Es können auch nur bestimmte Gläubiger, wie z.B. Banken oder sonstige Geldgeber, einbezogen werden. Dabei genießen Sanierungsbeiträge unter bestimmten Voraussetzungen entsprechende Privilegierungen. Eine partielle Einbeziehung eines Gerichts ist möglich, aber nicht zwingend. Gleichwohl wird man davon ausgehen können, dass die überwiegende Anzahl der „StaRUG-Verfahren“ unter einer Einbeziehung des Gerichts erfolgen werden.
Ein Blick in das Gesetz. Die einzelnen Bestandteile:
1. Restrukturierungsplan
Bei der Aufstellung eines Restrukturierungsplanes geht es letztlich um die Frage, wie bestehende Rechtsverhältnisse ausgerichtet bzw. restrukturiert werden können, um die Erhaltung des Unternehmens zu gewährleisten. Von einem Restrukturierungsplan sollen zunächst sämtliche Forderungen, die gegen eine restrukturierungsfähige Person, also den Schuldner (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), begründet sind („Restrukturierungsforderungen“, § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), umfasst werden können. Zudem sollen insbesondere auch die im Zusammenhang mit den Restrukturierungsforderungen bestehenden (Kredit-) Sicherheiten („Absonderungsanwartschaften“) sowie – wie bereits im Rahmen eines Insolvenzplans – ausdrücklich auch Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden können. Im Rahmen eines Restrukturierungsplans können zudem gruppeninterne Drittsicherheiten gestaltet werden, wodurch insbesondere die Restrukturierung von Unternehmensgruppen und Konzernen erleichtert wird.
Bestimmte Rechtsverhältnisse sind von vornherein von der Gestaltungsmöglichkeit ausgenommen. So sind insbesondere Forderungen von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis (§ 4 Nr. 1 StaRUG) einer Gestaltung nicht zugänglich.
Anforderungen an den Restrukturierungsplan
Die inhaltlichen Anforderungen an einen Restrukturierungsplan ähneln den Anforderungen an einen Insolvenzplan. Es erfolgt ebenfalls eine Aufteilung in einen darstellenden Teil und einen gestaltenden Teil. Auch ist eine Einteilung der Planbetroffenen in unterschiedliche Gruppen erforderlich, soweit Planbetroffene mit unterschiedlichen Rechtsstellungen betroffen sind (§ 9 Abs. 1 S. 1 StaRUG).
Der darstellende Teil, welcher die Grundlagen und die Auswirkungen des Restrukturierungsplans beschreibt (§ 6 Abs. 1 S. 1 StaRUG), soll nach Ansicht des Gesetzgebers insbesondere aufführen, was Krisenursache war und welche Maßnahmen zu deren Bewältigung vorgesehen sind (§ 6 Abs. 1 S. 2 StaRUG). Letztendlich soll das Restrukturierungskonzept dargestellt werden.
Der gestaltende Teil legt fest, welche Folgen für die sog. „Planbetroffenen“, also diejenigen, welche Forderungen oder sonstige Rechte gegen den Schuldner halten, eintreten sollen (§ 7 Abs. 1 StaRUG). Dabei sind u.a. Restrukturierungsmaßnahmen wie Forderungskürzungen und Stundungen vorgesehen (§ 7 Abs. 2 StaRUG). Dreh- und Angelpunkt ist die Befreiung von den restlichen Verbindlichkeiten, soweit die im Restrukturierungsplan vorgesehene Befriedigung der Gläubiger erfolgt (§ 11 StaRUG). Zugleich können Maßnahmen zur (Re-)Finanzierung unmittelbar im Restrukturierungsplan selbst festgelegt werden (§ 12 StaRUG).
Wer letztlich Planbetroffener ist, muss durch eine sachgerechte Auswahl konkretisiert werden (§ 8 StaRUG). Besonderer Schutz soll dabei Kleingläubigern wie insbesondere Verbrauchern, Klein- und Kleinstunternehmern und mittleren Unternehmen zukommen (§ 8 Nr. 2 StaRUG). Entscheidend ist, dass es sich bei dem Restrukturierungsplan nicht um ein Gesamtvollstreckungsverfahren handelt. Vielmehr kann sich die Restrukturierung auch auf einzelnen Gläubigergruppen – z.B. die Finanzgläubiger – beschränken.
Planabstimmung
Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan ist geprägt von einem Angebot-Annahme-Verhältnis zwischen dem Schuldner auf der einen und den Planbetroffenen auf der anderen Seite und unterliegt bestimmten Mehrheitserfordernissen.
Das Plangebot ist damit von dem Schuldner zu stellen und an die Planbetroffenen zu richten (§ 17 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Hierbei muss der Hinweis enthalten sein, dass bei Annahme durch die erforderliche Mehrheit auch diejenigen Planbetroffenen einer Wirksamkeit ausgesetzt sind, welche eine Annahme ablehnen (§ 17 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Damit kommt bereits zum Ausdruck, dass die Restrukturierung auch gegen den Willen einzelner Gläubiger durchgesetzt werden kann.
Inhalt des Planangebots ist zum einen der Restrukturierungsplan, zum anderen muss er bereits angefallene sowie zukünftig noch anfallende Kosten des Restrukturierungsverfahrens auflisten (§ 17 Abs. 1 S. 2 StaRUG). Das Planangebot muss zudem für die Planbetroffene wichtige Informationen enthalten, so etwa, welche Forderungen und Rechte genau einbezogen sind, welchen Gruppen die Betroffenen angehören und welche Stimmrechte ihnen zustehen (§ 17 Abs. 2 StaRUG).
Dem Schuldner ist die Option gegeben, eine Planbetroffenenversammlung einzuberufen und die Planbetroffenen über den Plan abstimmen zu lassen (§ 20 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Die einzelnen Stimmrechte der Planbetroffenen richten sich grundsätzlich nach dem Betrag der Restrukturierungsforderung, dem Wert der Sicherheiten bzw. Absonderungsanwartschaften sowie bei Anteils- und Mitgliedschaftsrechten nach der Höhe der Beteiligung (§ 24 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Dem Schuldner ist die Option gegeben, eine Planbetroffenenversammlung einzuberufen und die Planbetroffenen über den Plan abstimmen zu lassen (§ 20 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Die einzelnen Stimmrechte der Planbetroffenen richten sich grundsätzlich nach dem Betrag der Restrukturierungsforderung, dem Wert der Sicherheiten bzw. Absonderungsanwartschaften sowie bei Anteils- und Mitgliedschaftsrechten nach der Höhe der Beteiligung (§ 24 Abs. 1 S. 1 StaRUG).
- Dem Schuldner ist die Option gegeben, eine Planbetroffenenversammlung einzuberufen und die Planbetroffenen über den Plan abstimmen zu lassen (§ 20 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Die einzelnen Stimmrechte der Planbetroffenen richten sich grundsätzlich nach dem Betrag der Restrukturierungsforderung, dem Wert der Sicherheiten bzw. Absonderungsanwartschaften sowie bei Anteils- und Mitgliedschaftsrechten nach der Höhe der Beteiligung (§ 24 Abs. 1 S. 1 StaRUG).
- die Mitglieder der besagten Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne ihn stünden (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG),
- die Mitglieder wirtschaftlich angemessen am Planwert beteiligt sind (§§ 26 Abs. 1 Nr. 2, 27, 28 StaRUG), und
- die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG).
Durch die Regelungen zur Planabstimmung wird deutlich, welchen erheblichen Nutzen die neuen Instrumente haben können. Der „störende“ Gläubiger soll hinter die Sanierung des schuldnerischen Unternehmens zurücktreten – und dies fortan auch außerhalb von Insolvenzverfahren.
2. Restrukturierungs- und Stabilisierungsinstrumente
Das StaRUG sieht verschiedene Instrumente vor, welche der nachhaltigen Bewältigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) dienen sollen und können (§ 29 Abs. 1 StaRUG). Das jeweilige Restrukturierungsvorhaben muss bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht angezeigt werden (§ 31 Abs. 1 StaRUG). Es handelt sich folglich um gerichtliche Verfahren und Maßnahmen.
Die abschließend aufgeführten Instrumente sind
- die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens („gerichtliche Planabstimmung“, § 29 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG),
- die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplanes erheblich sind („Vorprüfung“, § 29 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG),
- die gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung („Stabilisierung“, § 29 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG),
- sowie die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans („Planbestätigung“, § 29 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG).
Sachlich zuständig für Restrukturierungssachen sind die Restrukturierungsgerichte; dies sind die jeweiligen Amtsgerichte, in deren Bezirk das Oberlandesgericht seinen Sitz hat, soweit dieses Amtsgericht auch für Regelinsolvenzverfahren zuständig ist (§ 34 Abs. 1 StaRUG). Allerdings besteht auch – wie bereits für die Insolvenzgerichte – die Ermächtigung zugunsten der Landesregierungen, durch Verordnung Spezialzuständigkeiten für einzelne Amtsgerichte zu begründen (§ 34 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StaRUG), oder es kann die Erstreckung der Zuständigkeit eines Restrukturierungsgerichts erfolgen (§ 34 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StaRUG). Hervorzuheben ist die Möglichkeit der Länder, länderübergreifend gemeinsame Abteilungen eines Amtsgerichts für Restrukturierungssachen zu errichten, sowie die Möglichkeit, die Ausdehnung von Gerichtsbezirken für Restrukturierungssachen über die Landesgrenzen hinaus zu vereinbaren (§ 34 Abs. 2 S. 2 StaRUG). Ob durch die Etablierung der Restrukturierungsgerichte eine grundsätzlich begrüßenswerte Bündelung von Kompetenzen erreicht werden wird, bleibt jedoch abzuwarten.
Eine Restrukturierungssache ist mit besonderen Pflichten für den Schuldner verbunden (§§ 32, 43 StaRUG). Die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger sind zu wahren und es ist alles zu unterlassen, was mit dem Ziel des angezeigten Restrukturierungskonzepts unvereinbar ist. Die Geschäftsleitung muss müssen darauf hinwirken, dass die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters erfolgt und dass die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger gewahrt werden. Es findet also ab der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache bereits vor der Insolvenz eine erhöhte Beachtung der Gläubigerinteressen statt („shift of fiduciary duty“). Die Pflichten werden vom Gesetz nicht an das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO geknüpft, sondern an die Anhängigkeit einer Restrukturierungssache (anders noch der Regierungsentwurf zum StaRUG, vergleiche unseren Blog Beitrag vom 28.10.2020).
Gleichwohl sind der Restrukturierung samt ihren Maßnahmen Grenzen gezogen. So hat das Restrukturierungsgericht in bestimmten Fällen die Sache insgesamt aufzuheben (§ 33 Abs. 1 StaRUG), etwa wenn der Schuldner einen Insolvenzantrag stellt oder über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet ist (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG).
Gerichtliche Planabstimmung und Vorprüfung
Zur Vermeidung von Risiken bei einer außergerichtlichen Abstimmung über den Restrukturierungsplan wurde die Option einer gerichtlichen Panabstimmung geschaffen.
Das Restrukturierungsgericht kann auf Antrag des Schuldners einen Termin bestimmen, in welchem sowohl der Restrukturierungsplan als auch die Stimmrechte der Planbetroffenen erörtert werden können und im Anschluss eine Abstimmung über jenen Plan erfolgt (§ 45 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Dieser Termin wird vom Gesetz daher – analog zum Insolvenzplan – auch als „Erörterungs- und Abstimmungstermin“ bezeichnet.
Zur Entlastung des Erörterungs- und Abstimmungstermins besteht darüber hinaus die Möglichkeit eines gerichtlichen Vorprüfungstermins (§ 46 Abs. 1 S. 1 StaRUG), welcher zeitlich vorgelagert ist. Wie bei der gerichtlichen Planabstimmung nach § 45 StaRUG bestimmt das Restrukturierungsgericht hierzu einen Termin. Im Rahmen dieser Vorprüfung befasst sich das Restrukturierungsgericht mit den Umständen, die für die spätere Bestätigung des Planes von Bedeutung sind (§ 47 S. 2 StaRUG). Die Vorprüfung kann somit vermeiden, dass ein Plan später an der Versagung einer gerichtlichen Bestätigung scheitert.
Stabilisierung – Vollstreckungs- und Verwertungssperre
Um das Restrukturierungsziel zu sichern, kann das Restrukturierungsgericht auf Antrag der Schuldner anordnen, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung eingestellt oder untersagt werden und dass Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens, welche im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahren als Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden könnten, von dem Gläubiger nicht durchgesetzt werden dürfen (§ 49 Abs. 1 StaRUG). Letzteres wird insbesondere die Verwertung von Kreditsicherheiten betreffen. Die beantragte Stabilisierungsanordnung ist von dem Schuldner ihrem Inhalt, dem Adressatenkreis und der Dauer nach zu bezeichnen (§ 50 Abs. 1 StaRUG) und kann sich gegen einzelne, mehrere oder alle Gläubiger richten (§ 49 Abs. 2 StaRUG)
Die Stabilisierungsanordnung ist insgesamt an strenge Voraussetzungen gebunden (§ 51 StaRUG). Sie ergeht vor allem nur dann, wenn die von dem Schuldner vorgelegte Restrukturierungsplanung vollständig und schlüssig ist (§ 51 Abs. 1 StaRUG) und keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass z.B. die Restrukturierungsplanung auf unzutreffenden Tatsachen beruht (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), die Restrukturierung aussichtslos ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG), der Schuldner noch nicht drohend zahlungsunfähig ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG) oder die beantragte Anordnung nicht erforderlich ist für das Restrukturierungsziel (§ 51 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG).
Der Restrukturierungsplan ist hier von ausschlaggebender Bedeutung, zeigt nämlich gerade dieser auf, welche Richtung anvisiert wird. Daher kann das Restrukturierungsgericht dem Schuldner eine Frist zur Vorlegung eines solchen Planes setzen, sollte im Zeitpunkt der Anordnung der Stabilisierungsmaßnahme ein solcher noch fehlen (§ 51 Abs. 3 StaRUG).
Die Stabilisierungsanordnung ist zunächst für eine Dauer von bis zu drei Monaten vorgesehen (§ 53 Abs. 1 StaRUG), kann unter engen Voraussetzungen jedoch bis zu acht Monate betragen (§ 53 Abs. 3 S. 1 StaRUG). Während der Anordnungsdauer können Gläubiger keinen Insolvenzantrag gegen den Schuldner stellen. Zudem können Gläubiger nicht allein wegen der rückständigen Leistung, die ihnen im Anordnungszeitraum obliegenden Leistungen verweigern oder den Vertrag beenden oder abändern (§ 55 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 StaRUG); dies gilt allerdings nicht für das Recht eines Gläubigers, die Erbringung des Teils der ihm obliegenden Gegenleistung zu verweigern, der auf die rückständige Leistung des Schuldners entfällt (§ 55 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 StaRUG). Die Stabilisierungsanordnung hat damit einschneidende Folgen für die Gläubiger; jene müssen daher im Rahmen der Zustellung über die Stabilisierungsanordnung informiert werden (§ 51 Abs. 4 S. 1 StaRUG).
Insgesamt stellt die Stabilisierung ein umfassendes „Standstill“ dar, welches den Schuldner in die Lage versetzt, die Restrukturierungsmaßnahmen unter dem Schutz der Restrukturierungssache umzusetzen. Nicht zu unterschätzen ist die Stabilisierungswirkung auch insoweit, als Verfahren über Gläubigeranträge zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 14 InsO) ausgesetzt sind (§ 58 StaRUG). Es wird so vermieden, die Restrukturierung „durch die Hintertür“ zu konterkarieren.
An dieser Stelle wird auch die Haftung der Geschäftsleiter erweitert (ähnlich schon dem allgemeineren § 43 StaRUG). Wird die Stabilisierungsanordnung durch den Schuldner durch unrichtige Angaben erwirkt und hat der Schuldner dies auch verschuldet, haftet der Geschäftsleiter den betroffenen Gläubigern persönlich (§ 57 S. 1 StaRUG). Allerdings muss den Geschäftsleiter dafür selbst ein Verschulden treffen (§ 57 S. 2 StaRUG), was jedoch vermutet wird, da Satz 2 eine Beweislastumkehr enthält.
Planbestätigung
Um einen Eintritt der im Restrukturierungsplan festgelegten Wirkungen auch gegenüber solchen Gläubigern zu erreichen, die gegen den Restrukturierungsplan gestimmt haben, ist eine gerichtliche Planbestätigung erforderlich (vgl. § 17 Abs. 1 S. 1, § 67 Abs. 1 S. 1 StaRUG).
Das Gericht hat auf Antrag des Schuldners den von den Planbetroffenen angenommenen Plan zu bestätigen (§ 60 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Das Gericht hat die Möglichkeit, vor der Entscheidung über eine Bestätigung die Planbetroffenen anzuhören (§ 61 S. 1 StaRUG). Eine dahingehende Verpflichtung besteht, wenn die Planabstimmung nicht im gerichtlichen Verfahren erfolgt ist (§ 61 S. 2 StaRUG).
In bestimmten Fällen hat das Gericht die Bestätigung des Restrukturierungsplans von Amts wegen zu versagen (§ 63 StaRUG). Das ist der Fall, wenn der Schuldner nicht drohend zahlungsunfähig ist (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG), die Vorschriften über Inhalt und Verfahren zum Restrukturierungsplan nicht eingehalten wurden (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) oder die Ansprüche, die den Planbetroffenen durch den gestaltenden Teil des Planes zugewiesen werden, und die durch den Plan nicht berührten Ansprüche der übrigen Gläubiger offensichtlich nicht erfüllt werden können (§ 63 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG).
Die Planbetroffenen, die gegen den Restrukturierungsplan gestimmt haben, können beantragen, dass die Bestätigung des Planes versagt wird, wenn sie durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden („Minderheitenschutz“, § 64 Abs. 1 S. 1 StaRUG).
Wird der Plan durch das Gericht bestätigt, so treten die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Wirkungen ein – und zwar für sämtliche Planbetroffenen (§ 67 Abs. 1 S. 1, 2 StaRUG). Die im Restrukturierungsplan vorgesehen Maßnahmen wie z.B. eine Stundung oder ein Erlass leben – vorbehaltlich abweichender Regelungen im Restrukturierungsplan – nur dann wieder auf, wenn der Schuldner mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand gerät oder über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wird (§ 69 Abs. 1, 2 StaRUG). Gegen den Beschluss, durch den der Restrukturierungsplan bestätigt wird, steht jedem Planbetroffenen die sofortige Beschwerde zu.
Nicht hingegen: Vertragsbeendigung
Keinen Einzug in die finale Gesetzesfassung hat das Instrument der Vertragsbeendigung gefunden. Diesem lag die Überlegung zugrunde, auf Antrag des Schuldners einzelne Verträge beenden zu können. Mit Verzicht auf diese Option belässt es der Gesetzgeber auch weiterhin bei der vertraglichen Bindung der Parteien und setzt auf die anderen Maßnahmen zur Verwirklichung der Restrukturierung.
3. Restrukturierungsbeauftragter
Eine Restrukturierung gemäß den Regelungen des StaRUG verläuft grundsätzlich zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern. Dabei stellt sich jedoch die Frage: Genügt es dabei, wenn das Restrukturierungsgericht über den Restrukturierungsplan wacht? Sind die Gläubigerinteressen dadurch hinreichend geschützt?
Betrachtet man die unzähligen Zahnräder, die sich zu drehen beginnen bei einer Restrukturierung, wird deutlich, dass es häufig einer weiteren Instanz bedarf, welche ein prüfendes Auge auf das Verfahren werfen kann und im Interesse der Gläubiger agiert. Unter bestimmten Voraussetzungen ist deshalb ein Restrukturierungsbeauftragter vom Restrukturierungsgericht zu bestellen (§ 73 Abs. 1 StaRUG). Das ist der Fall, wenn Rechte von Verbrauchern, mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen im Rahmen der Restrukturierung berührt werden sollen (§ 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). Einen weiteren Fall sieht das Gesetz vor, wenn eine Stabilisierungsanordnung, welche – wie gezeigt – mit vollstreckungsrechtlich einschneidenden Folgen verbunden ist für die Gläubiger, sich gegen („im Wesentlichen“) alle Gläubiger richtet (§ 73 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Und erst recht gilt dies, wenn der Restrukturierungsplan selbst eine Überwachung der Erfüllung der Gläubigeransprüche ohnehin vorsieht (§ 73 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG).
Nicht jedermann ist gleichsam geeignet, die Aufgaben eines Restrukturierungsbeamten sachgerecht auszuführen. Bei dem Restrukturierungsbeauftragten muss es sich daher um eine für den Einzelfall geeignete, geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person handeln; das Gesetz nennt beispielhaft in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrene Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte oder Personen mit ähnlicher Qualifikation (§ 74 Abs. 1 StaRUG). Bei der Bestellung hat das Restrukturierungsgericht zudem Vorschläge von Schuldner, Gläubigern oder am Schuldner beteiligten Personen zu berücksichtigen (§ 74 Abs. 2 S. 1 StaRUG). Auf diese Weise kann ein entsprechendes Know-How eingeführt und/oder den Gläubigerinteressen möglicherweise noch besser Rechnung getragen werden, insbesondere wenn die vorgeschlagene Person dem Interessenkreis der Gläubiger entspringt. Ferner kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen an die Auswahl gebunden sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Schuldner – vergleichbar mit dem Schutzschirmverfahren – eine Bescheinigung über die grundsätzlichen Erfolgsaussichten der Sanierung vorlegt oder wenn die Person des Restrukturierungsbeauftragten mit einem Quorum von mehr als 25% der Planbetroffenen gewählt wird (§ 74 Abs. 2 S. 3 StaRUG).
Der Restrukturierungsbeauftragte wirkt an der Restrukturierung mit, indem er die Sachlage überwacht. Stellt der Restrukturierungsbeauftragte Umstände fest, die eine Aufhebung der Restrukturierungssache rechtfertigen, hat er diese dem Gericht unverzüglich mitzuteilen (§ 76 Abs. 1 StaRUG). Gleichwohl wird auch er vom Restrukturierungsgericht überwacht und, falls erforderlich wegen eines wichtigen Grundes, von diesem entlassen (§ 75 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StaRUG).
Neben dem notwendigen, von Amts wegen zu bestellenden Restrukturierungsbeauftragten sieht das Gesetz auch eine Sonderform, den fakultativen Restrukturierungsbeauftragten, vor. Es kommt zu dessen Bestellung, wenn die Einsetzung vom Schuldner zur Förderung der Verhandlungen beantragt wird (§ 77 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Und auch hier gilt für Planbetroffene die >25%-Regel: Jene können bei mehr als 25% der Stimmrechte die Bestellung eines solchen fakultativen Restrukturierungsbeauftragten beantragen (§ 77 Abs. 1 S. 2 StaRUG). Der Aufgabenbereich dieses Beauftragten beschränkt sich auf die Unterstützung von Schuldner und Gläubiger im Hinblick auf die Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungsplans sowie des Konzepts, auf welchem der Plan basiert (§ 79 StaRUG).
4. Privilegierung im Zusammenhang mit Haftungen
Ein besonderer Anreiz – insbesondere gegenüber der außergerichtlichen und konsensualen Restrukturierung – wird dadurch geschaffen, dass Sanierungsbeiträge der Planbeteiligten im Hinblick auf Anfechtungs- und Haftungsrecht bestimmten Privilegien unterliegen.
Zunächst ist geregelt, dass die Kenntnis der Planbeteiligten von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens keine nachteiligen Auswirkungen haben (§ 89 Abs. 1 StaRUG).
Von besonderer Bedeutung ist zudem, dass Sanierungsbeiträge – wie z.B. neue Finanzierungen – bei rechtskräftiger Bestätigung des Restrukturierungsplans grundsätzlich nicht der Insolvenzanfechtung unterliegen (§ 90 Abs. 1 StaRUG). Davon ausgenommen sind Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen sowie entsprechende Besicherungen.
Vorläufige Quintessenz
Das StaRUG wurde im Eiltempo durch den Weg der Gesetzgebung geschoben. Wesentlicher Treiber waren dabei die erheblichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die internationale und nationale Wirtschaftslage. Der Gesetzgeber hat dadurch wesentliche Grundlagen für eine vorinsolvenzliche Sanierung und Restrukturierung geschaffen. Nicht überall werden dadurch Insolvenzverfahren verhindert werden können und oftmals werden Insolvenzverfahren – im Wege der Eigenverwaltung und als Schutzschirmverfahren – auch die nachhaltigeren Restrukturierungen ermöglichen und insoweit besseren Alternativen darstellen. Dennoch liegt in den Regelungen des StaRUG für eine Vielzahl von Unternehmen eine große Chance. Es bleibt spannend. Wir sind bereit!
1 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, und Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132.
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