GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV)

Worum geht es?

16 neue Paragraphen und ein revolutionäres Konzept. Nach der Stiftung Verantwortungseigentum ist es das, was viele Familienunternehmen, Mittelständler und Start-Ups in Deutschland brauchen. Ein neues Gesellschaftsmodell, das nachhaltiges Unternehmertum erleichtern soll: Die GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV).

Diese Idee hat eine Gruppe von Hochschulprofessoren zu einem Gesetzentwurf gemacht, der mittlerweile in einer aktualisierten „2. Auflage“ vorliegt und beeindruckende 115 Seiten stark ist. Das Konzept der GmbH-gebV greift dabei Gedanken auf, die schon unter dem Begriff Corporate Purpose diskutiert worden sind und in den Vereinigten Staaten mit der „Benefit Corporation“ bereits einen rechtlichen Rahmen erhalten hat.

Konzept der GmbH mit gebundenem Vermögen

Im Mittelpunkt der GmbH-gebV steht ein rechtlich verbindliches Bekenntnis zu unternehmerischer Verantwortung und Nachhaltigkeit. Die von den Gesellschaftern angestrebten Werte können ebenso Gemeinwohlinteressen (positive Beeinflussung der Gesellschaft und Umwelt) wie spezifische Belange der in die Geschäftstätigkeit des Unternehmens eingebunden Personenkreise (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten etc.) sein. Die Gesellschafter verstehen sich als eine den in der Satzung festgelegten Gemeinwohlinteressen verpflichtete ‚Wertefamilie‘ und haben die Funktion eines Treuhänders auf Zeit.

Dem dient der „Asset Lock“. Der Gewinn der Gesellschaft dient vollständig dem Unternehmenszweck. Eine Ausschüttung von Gewinnen an die Gesellschafter ist nicht möglich. Der gewünschte Effekt: Das Vermögen wird im Unternehmen gebunden und statt Druck zur kurzfristigen Gewinnmaximierung entsteht Raum für nachhaltiges und gemeinwohlorientiertes Arbeiten.

Das Unternehmen ist nicht mehr das Mittel zum Zweck der Gewinnerzielung allein für die Gesellschafter, sondern der Gewinn ist das Mittel zur Umsetzung der nachhaltigen Zwecke des Unternehmens. Zentral ist die Begeisterung der Gesellschafter für die Verwirklichung der festgeschrieben Ziele, die nicht primär in Geld bestehen. Die sich hieraus ergebende intrinsische Motivation aus der Tätigkeit zur Förderung des Gemeinwohls durch selbstbestimmtes und sinnstiftendes Arbeiten soll finanzielle Anreize überwiegen.

Durch die Vermögenbindung wird sichergestellt, dass das Unternehmen im Sinne der Gründungsidee fortgeführt wird und sich Nachfolger an die ethisch fundierten Ziele halten. Das das Unternehmen nicht der individuellen Gewinnerzielung dient, ist maßgebliches „Verkaufsargument“ der GmbH-gebV.

Gesetzentwurf aus Februar 2021 – Eckpunkte

Der Gesetzesentwurf zur GmbH-gebV sieht die GmbH als Ausgangsrechtsform vor, eine variable Rechtsform mit großer Gestaltungsfreiheit für einen regelmäßig überschaubaren Gesellschafterkreis. Ihre Rahmenbedingungen können von den Gesellschaftern in der Satzung frei gestaltet werden. Diese Freiheit findet ihre Grenzen im Gläubigerschutz, u.a. durch eine Pflicht zur Kapitalerhaltung.

Die dauerhafte Vermögensbindung ist konstitutives Merkmal und kann nicht aufgehoben oder abgeändert werden („Ewigkeitsgarantie“). Eine Gewinnausschüttung ist verboten: Jahresüberschüsse stehen der Gesellschaft, nicht den Gesellschaftern zu. Bei Austritt oder Ausschluss aus der Gesellschaft werden nur die Einlagen zurückerstattet.

Die Absicherung der Vermögensbindung wird durch einen Rückgewähranspruch gegen die Gesellschafter, die Geschäftsführerhaftung und eine Berichterstattung über die Einhaltung der Zweckbindung gewährleistet. Es muss ein unabhängiges Prüfungsorgan eingeschaltet und dessen Bericht im Internet publiziert werden.

Mögliche Gesellschafter sind natürliche Personen, Stiftungen, Personengesellschaften mit natürlichen Personen als Gesellschafter oder andere GmbH-gebV.

Geschäftsanteile können nur mit Zustimmung aller Gesellschafter und nur an natürliche Personen oder juristische Personen im vorgenannten Sinn, auch an die Gesellschaft selbst, übertragen werden. Bezüglich Neuaufnahme und Erbfall sieht der Entwurf vor, dass die Zustimmung aller Gesellschafter für den Eintritt eines Erben nötig ist. Wird sie verweigert, wachsen die Anteile der GmbH-gebV an. Die Erben haben dann nur Anspruch auf Einlagenrückerstattung.

Außerdem gibt es Beschränkungen für Umstrukturierung (Umwandlung, Spaltung, Verschmelzung) und Konzernierung.

Kritik

In der Diskussion gibt es Zuspruch, aber teils auch deutliche Kritik. So wird dem Modell Etikettenschwindel vorgeworfen: Verantwortungsbewusste Unternehmensführung sei unabhängig von der Rechtsform immer möglich, wird jedoch für die GmbH-gebV ebenso wenig wie Gemeinwohlorientierung oder ein anderer übergeordneter Unternehmenszweck vorgeschrieben. Darüber hinaus widerspreche das „Ewigkeitsprinzip“ Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts (Verbandsautonomie, Verbot der kollektiven Selbstentmachtung) und sei nur bei Stiftungen zulässig. Die mangelnde Flexibilität der GmbH-gebV führe dazu, dass die Umstrukturierung als Methode der Anpassung und Wertschöpfung verloren gehen würde. Bezüglich der Finanzierung von GmbH-gebV heißt es, dass die Kapitalaufnahme erheblich erschwert sei, da Kapitalgeber eine Rendite erwarten und eine falsche Allokation des Vermögens bei Nichtausschüttung von Gewinnen droht. Außerdem sehen Kritiker ein hohes Missbrauchsrisiko infolge mangelnder Kontrollinstrumente durch verdeckte Gewinnausschüttungen (überhöhte Vergütung, hohe Zinsen bei Gesellschafterdarlehen, sonstige schuldrechtliche Verträge oder stille Beteiligungen).

Alternative Ansätze

Bei der GmbH mit gemeinnützigem Gesellschaftszweck (gGmbH) darf der Unternehmensgegenstand ausschließlich in eng begrenzten Aktivitäten zu selbstlosen steuerbegünstigten Zwecken liegen. Wie bei der GmbH-gebV gibt es keine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter. Die GmbH-gebV genießt steuerliche Vergünstigungen bei gleichzeitiger Flexibilität der normalen GmbH, kann aber erwerbswirtschaftliche Zwecke und Gewinninteressen der Gesellschafter nicht verfolgen.

Stiftungslösungen als Alternative zur GmbH-gebV sind ein populärer Ansatz mit namhaften Vertretern (z.B. Bosch, Zeiss). Diese sind allerdings mit einem hohen Beratungs- und Verwaltungsaufwand verbunden, häufig umständlich und unflexibel. Stiftungen sind als Unternehmensträger deshalb insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen nur bedingt geeignet.

Bei der amerikanischen Benefit Corporation als gesetzgeberische Alternative zur GmbH-gebV wird die Gemeinwohlförderung (general public benefit, specific public benefits) statuarisch verankert. Über die Umsetzung muss auf der Internetseite des Unternehmens berichtet werden. Die Geschäftsleitung ist danach nicht nur den Interessen der Gesellschafter (Gewinnmaximierung; shareholder value), sondern auch den Belangen der weiteren Adressaten ihrer Geschäftstätigkeit verpflichtet (stakeholder value). Die Ausschüttung von Gewinnen bleibt bei dieser Rechtsform möglich.

Schlussfolgerungen

Der Vorstoß einer GmbH mit verbundenem Vermögen und der vorgelegte Gesetzesentwurf ist zu begrüßen und haben die Diskussion über Verantwortungseigentum in Deutschland und deren Umsetzung bestärkt. Es handelt sich um eine zusätzliche Rechtsformvariante, eine Option, die niemand nutzen muss.

Gleichwohl hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen in seiner Stellungnahme 04/2022 gut begründete und aus praktischer Sicht schwer zu widerlegende Einwendungen gegen das Modell erhoben (nachzulesen auf der Homepage des Bundesfinanzministeriums). Die vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten würden für ein verantwortungsbewusstes Unternehmertum ausreichen.

Das mag in vielen Fällen zutreffen, insbesondere im deutschen Mittelstand und seinen Familienunternehmen, in vielen aber auch nicht. Eine neue Unternehmensform in Form der GmbH-gebV oder nach dem Vorbild der amerikanischen benefit company, die eine über die Gewinnerzielung hinausgehenden Gemeinwohlförderung nicht nur ermöglicht, sondern bindend vorgibt, ist deshalb dazu geeignet, die Akzeptanz wirtschaftlichen Handelns zu erhöhen und Unternehmen in ihrem Marktumfeld besser zu positionieren und zu stärken.

Schon die Grundsätze des ‚Ehrbaren Kaufmann‘, der bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts sein kaufmännisches Handeln ethischen Grundsätzen unterworfen und nach diesen gehandelt hat, haben sich bewährt. Solche (zeitgemäßen) Grundsätze auch im heutigen globalen Wirtschaftsumfeld verbindlich festzulegen, sie umzusetzen und einer laufenden (öffentlichen) Prüfung zu unterziehen, wäre deshalb ein wichtiger Schritt für die Ausgewogenheit und Akzeptanz wirtschaftlichen Handelns.

Es mag dann jeder selbst entscheiden, ob er ein primär an der Gewinnerzielung (Vorrang des shareholder value) oder ein primär an Gemeinwohlinteressen (Vorrang des stakeholder value) ausgerichtetes Unternehmen vorzieht, sei es als Gesellschafter, sei es als Mitarbeiter, als Kunde oder Lieferant und auch als öffentliche Hand.

 

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