Vertragsstrafe für den Fall eines Übergabeverzugs – des Mieters schärfstes Schwert!
Für den Gewerbetreibenden ist der Zeitpunkt der Eröffnung seines Ladengeschäfts regelmäßig von entscheidender Bedeutung. Wie kann er als Mieter eines noch zu errichtenden Mietobjekts am effektivsten den Vermieter dazu bewegen, pünktlich zu liefern? Antwort: Mit Hilfe einer Vertragsstrafe.
Eine vereinbarte Vertragsstrafe, nach der der Vermieter für jeden Tag, der den mietvertraglich vereinbarten Übergabetermin überschreitet, einen festgelegten Betrag zu zahlen hat, muss dabei nach der Rechtsprechung nicht einmal „gedeckelt“ sein.
So hatte etwa das OLG Bremen mit seinem Urteil vom 09.12.2022 (4 U 20/21) über die Wirksamkeit folgender Vertragsstrafe zu entscheiden:
„Das Mietverhältnis beginnt grundsätzlich mit der Übergabe am XX.XX.XXXX. (…) Gerät der Vermieter mit der Übergabe der Mietsache in Verzug, ist für jeden Kalendertag eine Vertragsstrafe i.H.v. EUR XXXX verwirkt. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt. Die Vertragsstrafe wird auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet.“
Anforderungen nicht besonders hoch
Die Anforderungen an die Wirksamkeit der Vertragsstrafe sind schon nach ihrem Sinn und Zweck nicht sonderlich hoch. Der Schuldner (hier: der Vermieter) soll angehalten werden, sich vertragstreu zu verhalten und (hier) den Mietgegenstand zum vereinbarten Mietbeginn zu übergeben. Das ist nur zu erreichen, wenn die Vertragsstrafe auch weh tut. Dementsprechend ist auch nicht allein das Verhältnis der Höhe der Vertragsstrafe zur Miethöhe Maßstab für die Angemessenheit der Vertragsstrafe. Vielmehr muss ein Ungleichgewicht zwischen der vorgesehenen Vertragsstrafe und dem konkreten Vertragsverstoß des Vermieters bestehen.
Verspätete Fertigstellung ist grober Vertragsverstoß
Im Falle z. B. einer Vermietung „vom Reißbrett“ übernimmt der Vermieter bezüglich der Errichtung des Mietgegenstands eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung. Dem BGH zufolge handelt es sich bei der nicht rechtzeitigen Fertigstellung des Mietgegenstands um einen der gröbsten denkbaren Vertragsverstöße (BGH, Urteil vom 12.03.2003 – XII ZR 18/00).
Der Vermieter wird auch nicht unangemessen benachteiligt, da er es selbst in der Hand hat, die Mietsache zu übergeben und die Vertragsstrafe der Höhe nach praktisch selbst einzugrenzen.
Vertragsstrafe muss der Höhe nach nicht begrenzt werden
Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Vertragsstrafeversprechen in einem solchen Fall – anders als z.B. bei Vertragsstrafen im Baurecht – auch ohne Vereinbarung einer Obergrenze zulässig und selbst dann, wenn es sich bei der Vertragsstrafenregelung um AGB handelt (BGH, Urteil vom 12.03.2003 – XII ZR 18/00).
Allerdings darf die Höhe der Vertragsstrafe auch nicht ausufern. Ob die konkrete Höhe einer geltend gemachten Vertragsstrafe angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von dem wirtschaftlichen Interesse des Mieters an der vertragsgemäßen Übergabe ab. Eine verspätete Übergabe des Mietgegenstands hat in der Regel auch zur Folge, dass z.B. der Zeitpunkt der Eröffnung des Ladengeschäfts verschoben werden muss. Dies führt beim Mieter regelmäßig zu Umsatz- und Gewinneinbußen und ggfs. zu zusätzlichen Lohn-, Waren- und Lagerkosten, was im Rahmen der Einzelfallabwägung zu berücksichtigen ist. Der BGH hat z.B. die zeitliche Grenze bei einer verlangten Vertragsstrafe für 478 Tage als noch nicht erreicht angesehen, was der 11-fachen Monatsmiete entsprach (BGH, Urteil vom 12.03.2003 – XII ZR 18/00). Das OLG Bremen hat dem Kläger in seiner Entscheidung vom 09.12.2022 (4 U 20/21) einen Anspruch auf Zahlung der 3,5-fachen Tagesmiete für 84 Tage Verzug zugesprochen.
Vertragsstrafe ist immer auch pauschalisierter Schadensersatz
Die Vertragsstrafe soll zudem als pauschalierter Schadensersatz den potentiellen Schaden abbilden, der dem Mieter im Fall der verspäteten Übergabe entsteht. Denn der tatsächlich entstandene Schaden lässt sich nicht immer ohne weiteres darlegen und beweisen.
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