Bezeichnung „Webinar“ – begehen Veranstalter eine Markenrechtsverletzung?
Die Corona-Krise beeinflusst die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren. Dies gilt nicht nur für den Austausch mit Kollegen. Auch externe Veranstaltungen, Seminare und Vorträge sind nach wie vor abgesagt, verschoben oder werden virtuell als so genannte „Webinare“ durchgeführt.
Doch seit kurzem wird vor der Bezeichnung „Webinar“ gewarnt. Die Schlagzeilen reichen von „Begriff „Webinar“ ist geschützt“ über „Begriff „Webinar“ nicht mehr verwenden“ hin zu „Achtung, Markenschutz! „Webinar“ wird zum Tabu-Wort“.
Vereinzelt fordern Vereine ihre Mitgliedsorganisationen bereits öffentlich dazu auf, den Begriff „Webinar“ nicht mehr zu verwenden, aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen.
Doch woher kommen diese Befürchtungen plötzlich? Höchste Zeit, sich die Angelegenheit einmal genauer anzusehen:
1. Ist der Begriff „Webinar“ tatsächlich als Marke geschützt?
Ja, die Bezeichnung „Webinar“ ist bereits seit dem Jahr 2003 im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) unter der Nummer 30316043 eingetragen. Inhaber der Marke ist ein Herr Mark Keller, wohnhaft in Kuala Lumpur, Malaysia. Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Marke umfasst unter anderem die folgenden Dienstleistungen:
„Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Bereitstellen von Informationen im Internet; Bereitstellung von Plattformen im Internet; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen“.
2. Hat es bereits Abmahnungen gegeben?
In den Medien geistern vereinzelt Gerüchte über Abmahnungen umher. Der Plattform zufolge sorgte Herr Keller jedoch für Entwarnung: Er selbst habe keine Abmahnungen ausgesprochen. Sollte es dennoch zu Abmahnungen gekommen sein, so würden diese nicht aus seinem Umfeld stammen.
Doch der Spuk um die Marke „Webinar“ könnte ohnehin schon bald wieder vorbei sein: Beim DPMA sind (Stand heute: 27.07.2020) bereits zehn Anträge auf Erklärung des Verfalls und ein Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit eingegangen. Es spricht einiges dafür, dass die Marke bald aus dem Markenregister gelöscht wird.
a) Eine Marke muss benutzt werden
Nach erfolgreicher Eintragung und nach Ablauf einer fünfjährigen Schonfrist muss eine Marke von ihrem Inhaber benutzt werden. Andernfalls kann sie auf Antrag eines jeden Dritten beim DPMA für verfallen erklärt und aus dem Markenregister gelöscht werden.
Herr Keller müsste in der Vergangenheit im geschäftlichen Verkehr die Marke „Webinar“ zur Kennzeichnung von Dienstleistungen aus dem Bereich „Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Bereitstellen von Informationen im Internet; Bereitstellung von Plattformen im Internet; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen, etc.“ verwendet haben.
Hierfür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Zwar behauptet Herr Keller laut Onlinehändler News, mit der Bezeichnung „WEBINAR®“ werde seit vielen Jahren ein Markenprodukt sowie die entsprechenden Dienste, welche bestimmten Qualitätsvorgaben entsprechen, gekennzeichnet. Weder das Produkt noch die Dienste wurden jedoch bisher bei Markenrecherchen aufgefunden.
b) Marke vs. gebräuchliche Bezeichnung
Daneben ist es möglich, dass einer Marke ihre anfangs bestehende Unterscheidungskraft später abhandenkommt, weil sie sich zu einer gebräuchlichen Bezeichnung entwickelt hat. Auch in diesem Fall ist die Marke auf Antrag eines jeden Dritten löschungsreif.
Es spricht einiges dafür, für die Marke „Webinar“ eine solche Entwicklung anzunehmen. Selbst wenn „Webinar“ im Jahr 2003 zur Bezeichnung von Online-Schulungen relativ selten und unpopulär war, gilt dies jedenfalls nicht mehr für das Jahr 2020.
Oft wird in diesem Zusammenhang auch angeführt, dass die Aufnahme einer Marke als Gattungsbezeichnung in deutsche Fachlexika ein starkes Indiz für die Entwicklung hin zu einer gebräuchlichen Bezeichnung darstellt. Einträge für die Bezeichnung „Webinar“ sind unter anderem in den Wörterbüchern Duden und Pons zu finden.
Doch der Markeninhaber ist einem Verlust seines Markenrechts nicht hilflos ausgeliefert, wenn sich seine Marke - meist unverschuldet - zur Gattungsbezeichnung entwickelt. Er kann Maßnahmen ergreifen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Es ist jedoch nicht bekannt, dass Herr Keller in den letzten Jahren ernsthaft gegen eine zunehmende Verbreitung der Bezeichnung „Webinar“ für Online-Seminare (z.B. durch das Versenden von Abmahnungen) vorgegangen wäre.
3. Und wenn die Marke doch nicht gelöscht wird?
Sollte es Herrn Keller – wider Erwarten – gelingen, gegenüber dem DPMA eine rechterhaltende Benutzung der Marke „Webinar“ nachzuweisen, würde dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass niemand unter dieser Bezeichnung Online-Seminare veranstalten darf.
Denn das Markengesetz sichert die freie Verwendbarkeit merkmalsbeschreibender Angaben. Das aus den Worten „Web“ und „Seminar“ zusammengezogene Wort „Webinar“ dürfte jedenfalls im Jahr 2020 beschreibend für Online-Seminare sein. Die Bezeichnung wird fast ausnahmslos von sämtlichen Veranstaltern verwendet.
Ob die Verwendung einer Marke rein beschreibend oder bereits herkunftshinweisend und damit markenmäßig erfolgt, ist jedoch eine Frage des Einzelfalles und immer auf Basis der Gesamtumstände zu beurteilen.
4. Was sollte ich als Veranstalter von „Webinaren“ jetzt konkret tun?
Einhundertprozentige Sicherheit, nicht aus der Marke „Webinar“ abgemahnt zu werden, hat ein Veranstalter derzeit nur, wenn er die Bezeichnung nicht (mehr) verwendet. Dies jedenfalls, solange die Marke noch eingetragen ist.
Die zahlreichen Verfallsanträge lassen vermuten, dass eine Löschung der Marke in nächster Zeit wahrscheinlich ist. Damit dürften die Sorgen vieler Veranstalter um drohende Abmahnungen schon bald der Vergangenheit angehören.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Veranstalter dennoch bereits eine Abmahnung erhalten hat oder diese in nächster Zeit erhält, empfehlen wir:
Suchen Sie umgehend und vor Ablauf der gesetzten Frist einen fachkundigen Rechtsanwalt auf, unterschreiben Sie keine der Abmahnung beigefügte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und nehmen Sie keine Zahlungen an den Abmahnenden vor.
Sie haben Fragen zu diesem Thema oder generell zum Thema „Abmahnung“? Kontaktieren Sie uns und lernen Sie uns und unsere IP-Spezialisten persönlich kennen.
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