Der infektionsschutzrechtliche Erstattungsanspruch in der Corona-Pandemie: Wie sichern Arbeitgeber*innen ihren Anspruch aus § 56 Abs. 1, Abs. 5 IfSG?

Die anhaltende Überlastung der in Deutschland für die Anordnung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) zuständigen Gesundheitsämter führt dazu, dass in einigen Bundesländern die Verwaltungspraxis dazu übergangen ist, dass betroffene Personen weder schriftlich, noch mündlich über die Anordnung eines Tätigkeitsverbots (§ 31 IfSG) oder einer Quarantäne (§ 30 IfSG) von den Gesundheitsämtern selbst informiert werden. Vielmehr erfolgt eine Mitteilung lediglich „auf Veranlassung der Gesundheitsämter“ durch Dritte, zumeist der infizierten Kontaktperson.

Welche Probleme können sich für Arbeitgeber*innen ergeben?

Für Arbeitgeber*innen stellen sich daher mannigfaltige Probleme bei der Sicherung ihres Erstattungsanspruchs nach § 56 IfSG. Denn die Erstattungsbehörden setzen vielfach den Nachweis einer schriftlichen Anordnung der behördlichen Maßnahme voraus. Wann angesichts der hohen Fallzahlen mit dem Erlass eines schriftlichen Bescheides zu rechnen ist, bleibt indes ungewiss.

Darüber hinaus ist zu befürchten, dass gerade im Fall der „Anordnung“ behördlicher Maßnahme „auf Veranlassung des Gesundheitsamtes“ durch Dritte die Behörden im Nachhinein die Ausstellung eines schriftlichen Bescheids ablehnen, beispielsweise weil im Rahmen einer nachträglichen Überprüfung des Sachverhalts festgestellt wird, dass die Mitteilung über die „Anordnung der Quarantäne“ nicht auf Veranlassung der Behörde erfolgt oder eine Anordnung zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht notwendig gewesen ist.

Die Leidtragenden dieser unsicheren Situation sind indes die Arbeitgeber*innen, die ihrer Verpflichtung gegenüber ihren Arbeitnehmer*innen – denjenigen, die in Quarantäne sollen und denen, die gesund sind und nicht anstecken sollen – nachkommen, ihrerseits aber ggf. keine Rückerstattung erhalten. Arbeitgeber*innen sollten daher bereits zu Beginn der behördlichen Maßnahme in Abstimmung mit den betroffenen Arbeitnehmer*innen Maßnahmen zur Sicherung des Erstattungsanspruchs treffen.

Erstattungsbehörde setzt keinen schriftlichen Bescheid voraus

Unproblematisch ist die Antragstellung derzeit in solchen Bundesländern, in denen (zunächst) kein schriftlicher Bescheid von Seiten der Erstattungsbehörden vorausgesetzt wird. Eine solche „vereinfachte Antragstellung“ ist in Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen möglich. Diese Bundesländer bieten ein zentrales Erstattungsverfahren an, über die Arbeitgeber*innen unkompliziert und einheitlich ihren Erstattungsanspruch online oder postalisch mittels eines vorgefertigten Formulars geltend machen können. Das Online-Antragsverfahren können sie "hier" abrufen. Zwingend erforderlich für die Antragstellung im Rahmen dieses vereinfachten Verfahrens ist lediglich die Übersendung der Lohnbescheinigungen der beiden Monate vor dem Verdienstausfall sowie der Monate, in dem der Verdienstausfall tatsächlich eingetreten ist. Die Übersendung eines Nachweises über die behördliche Anordnung des Tätigkeitsverbots oder der Absonderung ist hingegen nur optional; derartige Nachweise können die Antragsbearbeitung allerdings beschleunigen.

Erstattungsbehörde setzt schriftlichen Bescheid voraus

In den übrigen Bundesländern setzen die Erstattungsbehörden den Nachweis einer schriftlichen Anordnung der behördlichen Maßnahme voraus. Welche Maßnahmen Arbeitgeber*innen zur Anspruchssicherung durchführen sollten, hängt davon ab, ob die betroffenen Arbeitnehmer*innen selbst mit dem Corona-Virus infiziert sind oder als Verdachts- bzw. Kontaktperson 1. Grades eingestuft werden. Zudem kommt es darauf an, ob die Einstufung als Kontakt- / Verdachtsperson und die damit einhergehende infektionsschutzrechtliche Maßnahme von den Gesundheitsämtern selbst oder auf deren Veranlassung mitgeteilt wurde.

Arbeitnehmer*innen sind positiv auf das Coronavirus getestet

Positiv auf das Corona-Virus getestete Arbeitnehmer*innen unterliegen grundsätzlich einer mehrtägigen Isolationspflicht. Unterbleibt in der Folgezeit die schriftliche und/oder mündliche Anordnung der infektionsschutzrechtlichen Maßnahme, haben Arbeitnehmer*innen in Abstimmung mit ihren Arbeitgeber*innen zeitnah den Erlass eines schriftlichen Bescheides bei der zuständigen Behörde zu beantragen. Die Beantragung hat, um später einen Zugang bei der Behörde nachweisen zu können, per Telefax zu erfolgen. Arbeitgeber*innen sollten nach Möglichkeit hierfür ein vorgefertigtes Antragsformular bereitstellen und, sofern die Arbeitnehmer*innen nicht über ein Faxgerät verfügen, den Antrag für diese versenden. Der Sendebericht ist als Zugangsnachweis aufzubewahren. Zudem sollten Arbeitnehmer*innen auch umgehend telefonisch einen schriftlichen Bescheid beantragen. Über das Telefongespräch ist ein Telefonvermerk anzulegen. Darin sind das Datum, die Uhrzeit, der Name des/der Mitarbeiter*in der Behörde und der Inhalt des Gesprächs festzuhalten. Der Telefonvermerk ist zu unterschreiben.

Auch das (digitale) positive Testergebnis sollte aufbewahrt werden. Zum Teil knüpfen landesrechtliche Bestimmungen (bspw. Berlin) eine automatisch eintretende Isolationsverpflichtung der infizierten Person an den Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Ergebnisses. Gegenüber den Erstattungsbehörden kann sodann argumentiert werden, dass das positive Testergebnis einen schriftlichen Bescheid ersetzt. Auch die Höhe des Erstattungsanspruchs ist im Groben bereits mit Kenntnisnahme des Testergebnisses bezifferbar, da die Dauer der behördlichen Maßnahmen durchschnittlich 14 Tage beträgt.

Arbeitnehmer*innen werden als Kontaktperson 1. Grades eingestuft

Nachweisprobleme für Arbeitgeber*innen ergeben sich allerdings dann, wenn Arbeitnehmer*innen als Kontaktperson 1. Grades (oder Verdachtsperson) eingestuft werden und eine diesbezügliche Benachrichtigung von Seiten der Behörde lediglich telefonisch oder sogar nur auf „Veranlassung der Behörde“ erfolgt. Gerade letztere, zunehmend zu beobachtende, Verwaltungspraxis birgt jedoch Risiken für Arbeitgeber*innen, denn diese gehen von der Richtigkeit der behördlichen Einschätzung sowie der infizierten Person aus und kommen ohne einen (schriftlichen) Nachweis ihren arbeitsvertraglichen Entgeltverpflichtungen nach. Gewissheit darüber, dass es bei der zunächst vorgenommenen Einschätzung der Behörde auch später noch verbleibt haben sie allerdings nicht. Wie also können Arbeitgeber*innen ihre Ansprüche gegen eine später abweichende Einschätzung sichern?

Besteht eine Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder schriftlichen Erklärung?

Zur Sicherung ihres Erstattungsanspruchs sollten Arbeitgeber*innen die Abgabe einer arbeitnehmerseitigen eidesstattlichen Versicherung oder einer sonstigen schriftlichen Erklärung von den Arbeitnehmer*innen immer dann verlangen, wenn ein schriftlicher Nachweis über die behördliche Maßnahme fehlt. Dies ist unserer Einschätzung nach aktuell der Regelfall. Aus der eidesstattlichen Versicherung bzw. der schriftlichen Erklärung muss hervorgehen, wann und vor allem durch wen die behördliche Maßnahme getroffen wurde, sodass im Bedarfsfall auch im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung nachgewiesen werden kann, dass und wann die Behörde die Maßnahme angeordnet hat.

Zwar besteht grundsätzlich keine Verpflichtung der Arbeitnehmer*innen auf Verlangen ihrer Arbeitgeber*innen eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Eine solche Pflicht wird jedoch aus den aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB abgeleiteten Nebenpflichten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses hergeleitet. Nach §§ 241 Abs. 2, 242 BGB haben Arbeitnehmer*innen die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bestehenden Interessen ihrer Arbeitgeber*innen unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen und der Interessen der anderen Mitarbeiter*innen so zu wahren, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern.

Die maßgebliche Voraussetzung für das Bestehen einer „Abgabepflicht“, nämlich der Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, ist ohne weiteres gegeben, denn die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfolgt vorliegend gerade zur Sicherung finanzieller Ansprüche der Arbeitgeber*innen, somit also mittelbar zur Sicherung des Arbeitsplatzes der Arbeitnehmer*innen und damit zum Erhalt des Arbeitsverhältnisses als solchem. Seit langem ist zudem anerkannt, dass Arbeitnehmer*innen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und ihres Arbeitsbereiches dazu verpflichtet sind, Schäden von Arbeitgeber*innen abzuwenden (Schadensabwendungspflicht). Diese Pflicht umfasst nicht nur die Abwendung physischer, sondern auch finanzieller Schäden des Arbeitgebers.

Das Bundesarbeitsgericht hat darüber hinaus bereits mehrfach entschieden, dass aus den §§ 241 Abs. 2, 242 BGB auch die Verpflichtung der Vertragsparteien resultiert, in einem gewissen Umfang aktiv die Wahrnehmung der Interessen des jeweils anderen Vertragsteils wahrzunehmen. Dies gilt insbesondere für die gegenseitige Unterstützung gegen Dritte, also vorliegend gegebenenfalls der staatlichen Behörden.

Es spricht insofern vieles dafür, dass Arbeitnehmer*innen ihre Arbeitgeber*innen bei der Sicherung des infektionsschutzrechtlichen Erstattungsanspruchs, insbesondere im Fall der fehlenden schriftlichen Anordnung behördlicher Maßnahmen, unterstützen müssen, indem sie an Eides statt versichern, dass ihnen gegenüber eine Quarantäneanordnung oder ein Tätigkeitsverbot erlassen wurde. Wenn aber bereits die Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung möglich erscheint, muss dies erst recht für sonstige schriftliche Erklärungen gelten, in denen Arbeitnehmer*innen festhalten, dass sie einer behördlichen (infektionsschutzrechtlichen) Maßnahme unterliegen und wer diese angeordnet hat.

Benachrichtigung erfolgt gerade nicht durch das zuständige Gesundheitsamt

Für die Fälle, in denen die Benachrichtigung über die Einstufung als Kontaktperson 1. Grades nicht durch das Gesundheitsamt selbst, sondern lediglich „auf Veranlassung des Gesundheitsamts“ erfolgt, ergibt sich somit, dass Arbeitgeber*innen von ihren Arbeitnehmer*innen wohl die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, jedenfalls aber die Abgabe einer schriftlichen Erklärung über das Gespräch verlangen können. Diese müssen das Datum und die Uhrzeit der Kontaktaufnahme enthalten. Weiterhin ist festzuhalten, dass eine Einstufung als Kontaktperson 1. Grades erfolgt und eine Quarantäneanordnung ergangen ist. Aus der Erklärung muss ebenfalls hervorgehen, dass die Kontaktaufnahme und damit verbunden die Mitteilung der Quarantäne nicht durch Mitarbeiter*innen der Gesundheitsbehörden selbst, sondern lediglich auf Veranlassung der Behörde (durch Dritte) erfolgt ist. Gegebenenfalls ist der Name der dritten Person aufzunehmen.

Weiterhin sollten Arbeitgeber*innen ihre betroffenen Arbeitnehmer*innen dazu anhalten, unverzüglich ihrerseits das zuständige Gesundheitsamt zu kontaktieren, um eine Überprüfung der mitgeteilten Informationen vorzunehmen. Auch über dieses Gespräch ist eine schriftliche Erklärung nach dem oben beschriebenen Schema anzufertigen. Insbesondere hat dieser Vermerk den Namen des/der Mitarbeiter*in des Gesundheitsamtes sowie den Inhalt des Gesprächs zu enthalten. Soweit in diesem Gespräch die Anordnung der behördlichen Maßnahme bestätigt wird, ist auch dies zu vermerken. Auch die Übersendung eines schriftlichen Bescheids ist in diesem Gespräch umgehend zu beantragen.

Fazit

Arbeitgeber*innen sollten bereits frühzeitig ihren Erstattungsanspruch nach § 56 IfSG gegen eine (spätere) Ablehnung durch die Behörden sichern. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen die behördlichen Maßnahmen nach §§ 30, 31 IfSG lediglich mündlich ergangen sind. Hierzu bietet es sich an, von den betroffenen Arbeitnehmer*innen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder einer schriftlichen Erklärung darüber zu verlangen, dass ihnen gegenüber durch das zuständige Gesundheitsamt oder auf Veranlassung dessen eine behördliche Maßnahme angeordnet wurde. Sollten die Gesundheitsämter den Erlass eines schriftlichen Bescheides versagen, kann, auch im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung, der Nachweis der Anordnung geführt werden. Die Pflicht zur Abgabe einer solchen eidesstattlichen Versicherung bzw. Erklärung resultiert aus unserer Sicht jedenfalls aus den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten.

 

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Ein Beitrag von

  • Monika Birnbaum
  • Denis Miller