D&O-Versicherungsschutz BGH schafft Klarheit

Mit Urteil vom 18.11.2020 (IV ZR 217/19) hat sich der Bundesgerichtshof zur wichtigen Thematik des Umfangs des Versicherungsschutzes der in der Praxis äußerst bedeutsamen Directors-and-Officers-Versicherungen (D&O-Versicherungen) geäußert. Dabei bestätigt der BGH den Schutz der Geschäftsleitung durch D&O-Versicherungen im Falle der Insolvenz der Gesellschaft. Das Urteil gibt Anlass einen kurzen Überblick zu der Thematik darzustellen.

Der D&O-Versicherungsschutz

Falls Organmitglieder ihre Pflichten verletzen, kann es auf Seiten des Unternehmens, als auch bei Dritten, zu Vermögensschäden kommen. D&O-Versicherungen sollen Organmitglieder, insbesondere die Geschäftsleitung, im Falle der Inanspruchnahme für solche Vermögensschäden schützen. Gerade in der Krise eines Unternehmens müssen Management und sonstige Organmitglieder häufig wegweisende Entscheidungen treffen. Dabei ist der Entscheidungsprozess im Rahmen einer Krise von besonderer Dynamik geprägt. Die zur Verfügung stehende Zeit für entsprechende Entscheidungen ist limitiert. Insbesondere in diesen Zeiten drängt sich die Frage auf, wer für fehlerhafte Entscheidungen haftet und wer etwaige Schäden zu ersetzen hat.

Mittlerweile ist es gängige Praxis, dass für Organmitglieder im Rahmen ihrer Tätigkeiten D&O-Versicherungen abgeschlossen werden und dies auch durch die Beteiligten eingefordert wird. Versicherungsnehmer ist dabei die Gesellschaft selbst. Auch werden die Versicherungsbeiträge durch die Gesellschaft erbracht. Versicherte Personen sind stets die Organmitglieder. Daher besteht zugunsten der Organmitglieder ein Anspruch gegen die Versicherung, welcher auf u.a. Freistellung gerichtet ist.

Haftung bei Krise und Insolvenz

Liegt eine Pflichtverletzung durch ein Organmitglied vor, kann dies zu einer persönlichen Haftung führen. Dabei handelt es sich überwiegend um Haftungen gegenüber der Gesellschaft selbst. Eine Außenhaftung gegenüber Dritten kommt nur in seltenen Fällen und nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Von besonderer Bedeutung ist die Haftung im Zusammenhang mit der Krise und der Insolvenz der Gesellschaft. Häufig ist es dann der Insolvenzverwalter, der Ansprüche dieser Art gegen die Organmitglieder geltend macht.

Oftmals steht dabei die Haftungen für Zahlungen im Vordergrund, die die Geschäftsleitung nach Eintritt der Insolvenzreife vorgenommen hat. Die Geschäftsleitung ist der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden (§ 64 S.1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, 130a HGB). Davon ausgenommen und als sogenannte „privilegierte Zahlungen“ bezeichnet, sind nur ganz bestimmte Sachverhalte. Kurzum: Ist eine Gesellschaft insolvenzreif, darf die Geschäftsleitung grundsätzlich keine Auszahlungen mehr vornehmen. Werden dennoch Zahlungen geleistet, besteht das Risiko einer persönlichen Haftung. Für diese Fälle können D&O-Versicherungen zugunsten der Organmitglieder persönliche Auffangnetze spannen. Ob und inwieweit D&O-Versicherungen jedoch auch solche Sachverhalte absichern, war bislang umstritten.

Bisheriger Streitstand

Aufgrund des strengen Haftungsregimes im Zusammenhang mit Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife, spielen D&O-Versicherung stets eine besondere Rolle. Dies gilt in erster Linie für die Betroffenen entsprechender Haftungsansprüche, den Geschäftsleitern selbst. Aber auch für die Insolvenzverwalter als Anspruchssteller ist es von Relevanz, ob bei der Durchsetzbarkeit auf die Solvenz des Geschäftsleiters persönlich oder auf die eines Versicherungsunternehmens abzustellen ist.

Für Aufregung und Unsicherheit haben insoweit obergerichtliche Entscheidungen gesorgt, die der Deckung entsprechender Ersatzansprüche durch D&O-Versicherungen eine Abfuhr erteilt haben (u.a. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.07.2018 - 4 U 93/16, VersR 2018, 1314). Demzufolge sei auf der Grundlage der Versicherungsbedingungen ein Ersatzanspruch nach § 64 S.1 GmbHG nicht von einer D&O-Versicherung umfasst. Die Gerichte begründeten ihre Auffassung damit, dass es sich bei Ansprüchen dieser Art nicht um Schadensersatzansprüche handele. Ausschließlich Schadensersatzansprüche seien vom Versicherungsschutz einer D&O-Versicherungen umfasst.

Es ist zwar zutreffend, dass der BGH entschieden hat, dass es sich bei einem Anspruch gemäß § 64 S. 1 GmbHG um einen Ersatzanspruch eigener Art und nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt. Dennoch stieß die Auffassung der Obergerichte von Anfang an auf heftige Kritik. So wurde vermehrt ausgeführt, dass die Rechtsnatur eines Anspruches nicht maßgeblich die Frage der Einbeziehung in den Versicherungsschutz bestimmen könne. Darüber hinaus sei bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zuvorderst die Position der Begünstigten der Versicherung zu berücksichtigen. Ein Geschäftsführer erwarte bei dem Abschluss einer D&O-Versicherung eben umfangreichen Schutz, besonders bei den zentralen Haftungen im Zusammenhang mit einer Insolvenzreife der Gesellschaft.

Trotz der guten und zutreffenden Argumentation der Praktiker und der Lehre, war in der Praxis Vorsicht geboten. Auch bei bestehender D&O-Versicherung konnten sich Geschäftsleitung und deren Berater nicht darauf verlassen, dass im Fall der Fälle die Versicherung einspringt. Häufig wurde sich dadurch beholfen, dass im Rahmen der Versicherungsverträge die Ersatzansprüche wie u.a. § 64 S. 1 GmbHG explizit aufgeführt wurden, um Unklarheiten in den Versicherungsbedingungen vorzubeugen. 

BGH schafft nunmehr Klarheit

Der BGH hat nunmehr mit Urteil vom 18.11.2020 (IV ZR 217/19) Klarheit geschaffen. Dies wird zu Erleichterungen auf Seiten der Geschäftsleitungen und deren Beratern führen. Im Leitsatz heißt es dahingehend, dass der in § 64 S. 1 GmbHG geregelte Anspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer auf Ersatz von nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleisteten Zahlungen ein gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz im Sinne von Ziffer 1.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA) ist.

In der Urteilsbegründung geht der BGH explizit auf die bislang zu den obergerichtlichen Entscheidungen ergangene Kritik ein. Demnach sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (Rz. 11).

Weiter heißt es, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte den Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG auch als Schadensersatzanspruch im Sinne der Versicherungsbedingungen ansehen wird (Rz. 14). Dies ist auch nachvollziehbar und insbesondere lebensnah. Ein Geschäftsführer sollte davon ausgehen dürfen, dass ein Versicherungsschutz für seine Tätigkeiten und Entscheidungen, gerade im Rahmen einer Krise der Gesellschaft greift. Ob die Geschäftsleitung auch in der Lage ist die Versicherungsbedingungen dahingehend zu überprüfen, sollte dabei keine Rolle spielen. Gleichwohl geht der BGH auch auf diese Thematik ein und führt aus, dass selbst von einem geschäftserfahrenen und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertrauten, dennoch nicht juristisch oder versicherungsrechtlich vorgebildeten Versicherungsnehmer/Versicherten einer D&O-Versicherung weder die komplexe rechtsdogmatische Einordnung des Anspruchs aus § 64 S. 1 GmbHG noch ein darauf gestütztes Verständnis des in Ziffer 1.1 ULLA formulierten Leistungsversprechens erwartet werden kann. (Rz 22).

Insgesamt handelt es sich um ein erfreuliches Urteil, dass insbesondere den Geschäftsleitungen Sicherheit gibt. Bei den aktuellen Herausforderungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie, die sich häufig auf den Schultern der Geschäftsleitungen wiederfinden lassen, eine wichtiges und notwendige Klarstellung.

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