Gläubiger-Schutzschrift im Insolvenzverfahren eines Geschäftspartners

Oft gibt es Anzeichen für die Krise eines Geschäftspartners. Zahlungsziele werden nicht mehr eingehalten, es wird um Stundung gebeten, Warenkreditversicherungen verweigern die Zusage oder Lieferungen bleiben aus. Auch wenn solche Anzeichen nicht zwingend die Vorboten einer Insolvenz darstellen, sollten die betroffenen Vertragspartner wachsam sein. Erfährt man von der Insolvenz erst durch einen Beschluss des Amtsgerichts, die Einsicht in die öffentlichen Bekanntmachungen (www.insolvenzbekanntmachungen.de) oder aus den Medien, ist die erste Chance bereits versäumt, sich am Insolvenzverfahren zu beteiligen und eigene Rechte geltend zu machen. Für eine frühzeitige und aktive Beteiligung am Insolvenzverfahren eines Geschäftspartners eignet sich daher oftmals eine Schutzschrift.

Im Mittelpunkt eines Insolvenzverfahrens steht nach einer Insolvenzantragsstellung zunächst, das schuldnerische Vermögen zu sichern und eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu verhindern. Dies wird typischerweise durch die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen erreicht wie u. a. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, die Auferlegung eines Verbots für den Schuldner über sein Vermögen zu verfügen, die Untersagung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner sowie die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses. Das primäre Ziel eines Insolvenzverfahrens ist dabei stets der Gläubigerschutz. In diesem Zusammenhang hat das Insolvenzgericht auch etwaige Schutzschriften zur Kenntnis nehmen und bei den Entscheidungen berücksichtigen.

Wozu dient eine Schutzschrift?

Aufgrund einer Schutzschrift erhält ein Gläubiger frühzeitig rechtliches Gehör und kann dadurch seine Rechte von Beginn an bestmöglich platzieren und geltend machen. Insbesondere besteht die Möglichkeit, auf die Verfahrensart Einfluss zu nehmen sowie bei der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses berücksichtigt zu werden und daran mitzuwirken. Im Einzelnen bedeutet dies Folgendes:

1. Auf die Verfahrensart Einfluss nehmen

Neben dem „klassischen“ Insolvenzverfahren, das durch einen (vorläufigen) Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse durchgeführt wird, rücken seit Inkrafttreten des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, 2012) vermehrt Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung in den Vordergrund. Im Rahmen von Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ist der Schuldner berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Trotz anfangs erheblicher „Bock zum Gärtner“-Kritik hat sich diese Verfahrensart – teilweise auch als sogenanntes Schutzschirmverfahren (u. a. Condor, Wöhrl, EDC) – berechtigterweise etabliert. Verfahren in Eigenverwaltung sind stark auf eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmens ausgerichtet und bringen oftmals Kostenvorteile mit sich, was wiederum den Gläubigern zugutekommt.

Nichtsdestotrotz gibt es Insolvenzverfahren, für die sich die Verfahrensart der Eigenverwaltung nicht eignet. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn das Vertrauen der wesentlichen Gläubiger, wie u. a. Lieferanten und Kunden, in das bestehende Management abhandengekommen ist. Auch spielen fachliche Kompetenzen des Managements eine entscheidende Rolle. Hinzu kommen die gesetzlichen Voraussetzungen der Eigenverwaltung, nach denen in erster Linie keine Umstände bekannt sein dürfen, die erwarten lassen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Von Nachteilen wird man grundsätzlich ausgehen können, wenn im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren eine niedrigere Insolvenzquote zu erwarten ist. Dies kann z. B. aus einer Verzögerung des Verfahrens oder einer unterlassenen Durchsetzung von Ansprüchen der Insolvenzmasse (z. B. gegen das Management) resultieren.

Sind einem Gläubiger Umstände bekannt, die im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen, so könnten diese Bedenken durch eine Schutzschrift zum Ausdruck gebracht werden. Das Insolvenzgericht wäre in diesem Fall angehalten, die Ausführungen des Gläubigers bei der Entscheidung über die Verfahrensart zu berücksichtigen.

2. Im (vorläufigen) Gläubigerausschuss mitbestimmen

Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nehmen Gläubiger, außer durch Beschlüsse der Gläubigerversammlung, im Wesentlichen durch den Gläubigerausschuss Einfluss.

Der Gläubigerausschuss ist ein zentrales Organ der Gläubiger-Autonomie und wird in der Regel durch Vertreter der gesicherten Gläubiger, der Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen, der Kleingläubiger sowie Vertreter der Arbeitnehmer besetzt. Zum Aufgabenbereich des Gläubigerausschusses gehört

  • die Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters sowie
  • die Prüfung der Geschäftsvorgänge und Bücher im Rahmen des Insolvenzverfahrens.

Darüber hinaus hat der Insolvenzverwalter die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn er Rechtshandlungen vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. Hierzu zählen insbesondere

  • die Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens im Ganzen (übertragende Sanierung),
  • die Aufnahme von Darlehen sowie
  • die Beteiligungen an Rechtsstreitigkeiten.

Dabei ist der Gläubigerausschuss stark bei der Sanierung des schuldnerischen Unternehmens eingebunden, da diese oftmals zu einem Zeitpunkt erfolgt, bevor eine Gläubigerversammlung erstmalig einberufen wird.

Um eine unverzügliche und frühzeitige Sanierung zu ermöglichen, wird bereits im vorläufigen Insolvenzverfahren unmittelbar nach Stellung des Insolvenzantrages ein sogenannter vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt. Er ist überdies zwingend einzusetzen, sofern das schuldnerische Unternehmen bestimmte Größenordnungen entsprechender Merkmale erreicht (Bilanzsumme, Umsatzerlös, Arbeitnehmer-Anzahl).

Für die wesentlichen Gläubiger des schuldnerischen Unternehmens kann es von großem Interesse sein, als Mitglied eines Gläubigerausschusses eingesetzt zu werden. Hierdurch besteht die Möglichkeit, aktiv am Insolvenzverfahren mitzuwirken und sich an den wesentlichen Entscheidungen wie Betriebsfortführung, Vermögensverwertung, Verfahrensart und Sanierungsmaßnahmen zu beteiligen. Durch eine Schutzschrift wird dem Insolvenzgericht insoweit vorzeitig mitgeteilt, dass der entsprechende Gläubiger bei der Besetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses Berücksichtigung finden sollte und für die Übernahme einer entsprechenden Funktion bereit ist. Einen Anspruch einzelner Gläubiger auf Mitwirkung im vorläufigen Gläubigerausschuss gibt es jedoch nicht. Es handelt sich um eine Ermessensfrage des Insolvenzgerichts.

Was ist besonders zu beachten?

Die Zulässigkeit einer Schutzschrift als vorbeugende Maßnahme ist allgemein anerkannt. Bei der Einreichung einer Schutzschrift ist darauf zu achten, dass das Amtsgericht angesprochen wird, das für das Insolvenzverfahren über das Vermögen des schuldnerischen Unternehmens zuständig ist. Die Zuständigkeitsprüfung gestaltet sich teilweise als komplex und sollte sorgsam durchgeführt werden.

In materieller Hinsicht sollte eine Schutzschrift Ausführungen über die Position des Antragstellers und dessen Stellung als Gläubiger enthalten. Überdies ist ein rechtliches Interesse an der Beteiligung am Insolvenzverfahren darzulegen. Etwaige Einwendungen gegen die Verfahrensart, die Verfahrensbeteiligten oder die Insolvenzgründe sind entsprechend fundiert auszuführen. Es sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass eine zeitliche Nähe zu einem potenziellen Insolvenzantrag besteht. Die Aktualität einer Schutzschrift ist ein entscheidendes Kriterium bei der richterlichen Würdigung. Insoweit empfiehlt es sich, die Schutzschrift auf monatlicher Basis zu aktualisieren.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Schutzschrift für Gläubiger eine geeignete Maßnahme darstellt, eigene Rechte und Interessen im Rahmen von Insolvenzverfahren frühzeitig geltend zu machen und durchzusetzen.

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