Hoch hinaus – Die Frankfurter Skyline aus rechtlicher Sicht

Frankfurt am Main – mit einem wohlwollenden Augenzwinkern gerne auch als ‚Mainhattan‘ bezeichnet – ist die einzige deutsche Großstadt mit einer weithin sichtbaren Hochhausskyline. Mit aktuell 31 Gebäuden über 100m und 5 Türmen über 200m stehen hier mit Abstand die meisten Hochhäuser der Republik, was die Stadt neben London, Paris, Warschau und Moskau zu den führenden Wolkenkratzer-Metropolen Europas macht. Zahlreiche weitere Hochhäuser sind in Planung. Doch – wie ‚steuert‘ man eigentlich eine solche Skyline aus städtebaulicher Sicht?

Nach oben

Schon immer war es den Menschen ein Bedürfnis, nach oben zu bauen. Von den Pyramiden von Gizeh über die Kathedralen des Mittelalters bis zu den Wolkenkratzern der Neuzeit waren Hochbauten kulturübergreifend stets ein Zeichen von Macht und Technologiebeherrschung. Während in New York bereits im Jahr 1930 mit dem Chrysler Building die 300m-Marke ‚geknackt‘ wurde, waren derart hohe Gebäude in Deutschland auch nach dem Krieg lange kein Thema. In der Mainmetropole begann erst in den 1960er Jahren mit dem Zürich-Haus und dessen aus heutiger Sicht eher bescheiden anmutenden Höhe von 68m das Wachstum nach oben – weil schlichtweg der Platz in der dicht bebauten Innenstadt fehlte. Der nunmehr folgende erste Hochhausboom führte Anfang der 1970er Jahren zu Straßenkämpfen, als alte Villen den modernen Hochhäusern weichen sollten. Ende der Siebziger Jahre wurde mit dem Plaza Büro Center – dem heutigen Westend Gate – und dem Silvertower erstmals die 150m Marke durchbrochen, während gleichzeitig die Erkenntnis Platz griff, dass zukünftige Standorte derartiger ‚Wolkenkratzer‘ von städtischer Seite gelenkt werden müssen.

Was ist eigentlich ein Hochhaus?

Eine allgemeingültige Definition des ‚Hochhauses‘ gibt es nicht – jedes im Vergleich zu seiner Umgebung hohe Gebäude wird regelmäßig als Hochhaus bezeichnet. Eine bauordnungsrechtliche Definition findet sich in Deutschland in den Landesbauordnungen, wonach ‚Hochhäuser‘ allgemein Gebäude mit einer Höhe von mehr als 22 Metern sind (maßgeblich ist dafür übrigens der Fußboden des höchstgelegenen Aufenthaltsraums). Für Gebäude ab einer Höhe von 60 Metern definiert die Muster-Hochhausrichtlinie noch strengere Anforderungen unter brandschutzrechtlichen Gesichtspunkten. Ab 150m bezeichnet man Hochhäuser landläufig gerne als ‚Wolkenkratzer‘, wenngleich dieser Ausdruck nirgendwo festgeschrieben ist.

Hohe Gebäude stellen auch hohe bautechnische Anforderungen, insbesondere an die Statik und die Gewährleistung des Brandschutzes, sie beeinflussen aber auch ihr Umfeld durch erhebliche Fernwirkungen aufgrund ihrer Erschließung, enger Abstände zu Nachbargebäuden und nicht zuletzt durch ihre optische Erscheinung im Gesamtgefüge des Stadtbildes. Insofern verwundert es nicht, dass sie seit langem besonderen baurechtlichen Bestimmungen unterliegen.

Vom Solitär zur Skyline

Die Stadtentwicklung in Deutschland ist eine elementare Aufgabe für einen fortlaufenden und erfolgreichen Veränderungsprozess und im Grundgesetz durch Art. 28 Abs. 2 den Gemeinden als ureigene Aufgabe zugewiesen. Den Städten und Gemeinden stehen dazu die Instrumente der Bauleitplanung zur Verfügung. Während die ersten Hochhäuser in Frankfurt am Main auf Grundlage von § 34 BauGB singulär genehmigt wurden, entspricht es seit langem einhelliger Meinung, dass derartige Bauvorhaben aufgrund der durch sie ausgelösten städtebaulichen Spannungen ein Planungsbedürfnis auslösen und somit bereits aus diesem Grund eines Bebauungsplans bedürfen. In einer Großstadt können aber mittels eines Bebauungsplans immer nur Teilbereiche der Stadt einer geordneten Entwicklung zugeführt werden. Eine Lenkungsfunktion für das gesamte Stadtgebiet lässt sich dann nur mittels so genannter Rahmenpläne erreichen, die zwar rechtlich unverbindlich sind, aber über § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB bei der Aufstellung neuer oder der Änderung bestehender Bebauungspläne im Rahmen der Abwägung zu beachten sind.

In Frankfurt am Main wird die Entwicklung von Hochhausstandorten heute über den Hochhausentwicklungsplan politisch gesteuert. Dieser Rahmenplan ist ein städtebauliches Leitbild und das Ergebnis eines über Jahrzehnte gewachsenen Entwicklungskonzeptes der Stadt. Der Hochhausentwicklungsplan schafft kein Baurecht – hierzu muss die Stadt erst entsprechende Bebauungspläne aufstellen. Er ermöglicht der Stadt aber eine frühzeitige und nachhaltige Lenkung der Bereiche, in denen Hochhäuser städtebaulich gewünscht sind und insbesondere auch der Bereiche, die von solchen Bauten frei gehalten werden sollen.

Historie der Hochhausplanung in Frankfurt am Main

Am Beispiel von Frankfurt am Main lässt sich gut erkennen, wie Stadtentwicklung gelingen und eine letztendlich auch geordnete Skyline entstehen kann. Aufgrund der vorhandenen verdichteten Bebauung kämpft die Stadt mit begrenztem Flächenangebot und weicht zwangsläufig in die Höhe aus. Die Höhe allein ist dabei schon lange nicht mehr ausschlaggebend. Bereits früh setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Gebäude erhebliche Auswirkungen auf ihre Umgebung haben und sich darüber hinaus ästhetisch ins Stadtbild integrieren sollen.

Der erste Frankfurter Hochhausplan wurde bereits im Jahr 1953 veröffentlicht, wenngleich die Höhenverhältnisse der Gebäude damals bei weniger als 50 Metern lagen. Er sah einzelne Hochpunkte entlang der historischen Wallanlagen vor. Auf seiner Grundlage sind jedoch nur wenige Gebäude entstanden, so etwa das Bienenkorb-Haus an der Konstablerwache oder das Bayer Haus am Eschenheimer Turm.

In der Folge entstand 1967/1968 der sogenannte ‚Frankfurter Fingerplan‘ als Ordnungskonzept für die Innenstadt. Er sah eine stark verdichtete Bebauung Frankfurts entlang der Hauptverkehrsachsen vor, die an die Form einer gespreizten Hand erinnerten. Diese ‚Finger‘ sollten die geplanten Bebauungsstreifen abbilden. Der Fingerplan war kein rechtsgültiger Bebauungsplan, auf seiner Grundlage wurden aber aufgrund vorheriger Zusagen der Stadt an Investoren Baugenehmigungen erteilt, was gerade im Westend zu intensiven Widerstand der Bevölkerung und mit dem „Frankfurter Häuserkampf“ zur Bildung einer der ersten Bürgerinitiativen der Bundesrepublik Deutschland führte.

Im Jahr 1974 sollte der sogenannte ‚Clusterplan‘ einen städtebaulichen Rahmen für Bauvorhaben im Frankfurter Bankenviertel vorgeben und teilte das Viertel in verschiedene Gruppen auf. Die Nachfrage nach neuen und hohen Bankengebäuden war damals so ausgeprägt, dass dieser Plan auch ‚Bankenplan‘ genannt wurde. Mit diesem Plan wurde erstmals die Höhendimension der Gebäude von 100 Metern überschritten. Außerdem wurden dort erstmals Überlegungen angestellt, Hochhäuser auch für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Darauffolgend entstand im Jahr 1983 der City-Leitplan, der sich auf die Mainzer Landstraße und die Hanauer Landstraße konzentrierte. Aufgrund der anhaltenden öffentlich-kritischen Diskussionen über die Auswirkungen von Hochhäusern wurden auf seiner Grundlage nur das Kronenhochhaus und das Trianon errichtet.

Der Durchbruch kam allerdings mit dem Rahmenplan Bankenviertel von 1990 des Offenbacher Architekturbüros Novotny-Mähner. Dessen Gedanke war es, die Innenstadt verträglich zu verdichten und die Türme über 200 Meter Höhe wachsen zu lassen. Der Rahmenplan für das Bankenviertel ist realisiert worden und führte letztlich zu einem verbindlichen Bebauungsplan – dem nahezu legendären Bebauungsplan Nr. 702 –, der zahlreiche Hochhausstandorte im Bankenviertel auswies und Grundlage für den Kernbereich der Frankfurter Skyline ist. Er wurde seitdem bereits zwei Mal fortgeschrieben.

Alle vorgenannten Pläne erfassten jeweils nur Teilbereiche der Stadt, so dass es immer noch an einer gesamtstädtischen Planungskonzeption fehlte. Dies änderte sich mit dem durch das Architekturbüro Jourdan & Müller konzipierten Hochhausentwicklungsplan von 1998, der das gesamte Stadtgebiet umfasst und die Grundlage vieler Vorhaben und das Wachstum der Stadt bildete. Dieser Plan sah vor, dass die Gebäude nicht willkürlich über das Stadtgebiet verteilt werden, sondern dass die Hochhäuser in Gruppen, sogenannten Clustern, zusammenstehen. Der Investitionsdruck sollte damit auf drei Zonen beschränkt werden, um andere Bereiche von Hochhäusern frei zu halten. Zur Gewährleistung einer hohen Qualität wurden zudem Architekturwettbewerbe vorgeschrieben. Der Plan sah 18 Standorte für Hochhäuser vor, wovon letztlich 16 Standorte baurechtlich genehmigt wurden.

Nachdem mit diesem Konzept gute Erfahrungen gemacht wurden, entwickelte die Stadt im Rahmen einer Fortschreibung den Hochhausentwicklungsplan von 2008. In der Fortschreibung war der Bau von insgesamt 22 Hochhäusern mit einer Höhe von mehr als 60 Metern an 15 verschiedenen Standorten geplant. Laut Stadtplanungsamt sollten durch die Fortschreibung 800.000 m² Geschossfläche entstehen, wovon 65.000 m² auf Wohnhochhäuser entfielen.

Der Hochhausentwicklungsplan 2020/2021

Der nächste Fortschrieb des Hochhausentwicklungsplans ist für das Jahr 2020/2021 vorgesehen und soll eine Reihe neuer Hochhausstandorte im Rahmen einer „moderaten, behutsamen Weiterentwicklung des Stadtraums“ ausweisen. Der neue Plan wird weiterhin das ‚Cluster‘-Konzept verfolgen und die Hochhausstandorte in verschiedenen Gebieten konzentrieren; Solitäre wie die EZB sollen damit die absolute Ausnahme bleiben.

Ein maßgebliches städtebauliches Ziel des Rahmenplans liegt aber auch darin, Gebiete auszuweisen, in denen Hochhäuser gerade nicht entstehen sollen. Hiermit möchte man, so die offizielle Begründung, die Stadtsilhouette beruhigen und Standorte sowie Stadtteile vor Bodenspekulationen schützen.

Unsicher bleibt noch die Frage, ob für neue Hochhausstandorte schlicht größere Zonen oder schon konkrete Baufelder veröffentlicht und festgeschrieben werden – letzteres wird von Projektentwicklern aufgrund der damit zwangsläufig einhergehenden Wertsteigerung der ausgewählten Grundstücke zu Recht sehr kritisch gesehen.

Wohntürme sollen in der Fortschreibung nicht mehr verzeichnet werden. Im Vordergrund steht der Bau von Bürotürmen und, dem internationalen Trend folgend, von gemischt genutzten Immobilien.

Fazit

Der Wunsch nach individuellen und kreativen Bauten ist groß und fördert damit auch einen gesunden Architekturwettbewerb und die Stadtentwicklung deutschlandweit. Mit der Fortentwicklung der Rahmenpläne hat Frankfurt am Main anderen Städten zweifellos einen großen Schritt voraus und fördert die stadtverträgliche Entstehung einer Metropole von internationalem Charakter. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass von der Aufstellung des Rahmenplans bis zu dessen tatsächlicher Umsetzung viele Jahre und oft Jahrzehnte vergehen: Der Investor benötigt für sein Baurecht zunächst einen Bebauungsplan, auf dessen Grundlage erst die Baugenehmigung erteilt werden kann. Diese wiederum setzt aufgrund der engen Abstandsflächenvorschriften praktisch immer die Zustimmung der Nachbarn voraus, die oft teuer erkauft werden muss. Zusätzlich macht die Stadt die Realisierung der Hochhäuser von verschiedenen Rahmenparametern abhängig, zu denen sich der Investor städtebauvertraglich verpflichten muss. Selbst wenn ein Grundstück daher das Etikett eines ‚Hochhausstandorts‘ trägt, ist der Weg bis zur Baugenehmigung meist lang und steinig. Ungeachtet dessen schafft der Hochhausrahmenplan hier die richtige Grundlage für eine geordnete und vor allem nachhaltige städtebauliche Entwicklung der Stadt und sollte als Vorbild für andere Großstädte dienen.

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