Im Netz der Öffentlichkeit – Soziale Medien und das Arbeitsrecht
Es ist unbestritten – soziale Netzwerke leisten einen enormen Beitrag zur Verbreitung von Information, von Meinungen und Ideen, und ihre weitgehend unzensierte, öffentlich zugängliche Existenz haben das Potenzial, den demokratischen Austausch und die freie Entwicklung von Gedanken erheblich zu stärken. Für viele Menschen werden sie aber auch zunehmend zum Ventil für persönlichen Ärger oder schlechte Gefühle. Doch bei wütenden Posts ist Vorsicht geboten – auch im Internet ist nicht alles erlaubt. Allzu heftige Äußerungen können sogar zum Verlust des Arbeitsplatzes führen – und dafür müssen sie nicht mal sprachlicher Natur sein.
Dass Menschen in sozialen Medien ihre Erfahrungen austauschen, ist normal. Dass es dabei zuweilen recht deutlich zugeht, ebenfalls. Auch kritisch über Arbeitgeber zu reden, ist durchaus rechtens – schließlich können Angestellte eines Unternehmens einem potenziellen Kandidaten wertvolle Einblicke dazu vermitteln, wie denn der Arbeitsalltag jenseits der Stellenbeschreibungen tatsächlich aussieht. Grundsätzlich darf jeder posten und mit einem „Gefällt mir“ versehen, was er möchte – das garantiert die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit. Aber wie im analogen Leben gelten auch in der digitalen Welt Regeln und Grenzen. Und die definieren auch, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und was nicht.
Diffamierung ist keine Meinung – die Grenzen des Art. 5 GG
Eine Meinung ist laut Bundesverfassungsgericht gegeben, wenn die Äußerung von einem „Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung“ geprägt ist (BVerfGE 61, 1 (8)). Unwahrheiten, Beleidigungen, Herabwürdigungen und Schmähkritik werden hingegen nicht geschützt. Die Grenzen sind freilich fließend. Das Bundesverfassungsgericht definiert es so: „Eine herabsetzende Äußerung nimmt erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.“ (BVerfGE 82, 272 (284)).
Kündigung nach Posting? Einzelfälle in der Rechtsprechung
Was bedeutet das nun für das Arbeitsrecht? Jedes Arbeitsverhältnis beinhaltet die Pflicht zur Rücksichtnahme; keine Seite darf durch ihr Handeln der anderen Seite schaden oder ihren Ruf gefährden. Auch ein Verhalten, das negative Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis hat, etwa der übermäßige Genuss von Alkohol oder das Auslassen von Erholungszeiten, ist durch die Rücksichtnahmepflicht untersagt. In sozialen Netzwerken gilt entsprechend, dass Beiträge oder „Likes“ zu unterbleiben haben, die einen unmittelbaren Bezug zum Unternehmen haben und dadurch die Rücksichtnahmepflicht verletzen.
Werden zum Beispiel Bilder von Kollegen gepostet und mit beleidigenden Kommentaren versehen, so ist ein solcher Verstoß gegeben. Aber auch Themen, die außerhalb des beruflichen Tätigkeitsbereiches liegen, können eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht darstellen, wenn der Arbeitgeber aus dem Profil erkennbar ist und insoweit mit den Äußerungen des Arbeitsnehmers in Verbindung gebracht werden kann. Eine einheitliche Rechtsprechung gibt es hierzu nicht; es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.
So hat etwa das Arbeitsgericht Herne in seinem Urteil vom 22. März 2016 (5 Ca 2806/15) die außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers bestätigt, der rassistische und menschenverachtende Äußerungen auf seinem Facebook-Profil gepostet hatte. Auch das Landesarbeitsgericht Mainz hat in seinem Urteil vom 19. Dezember 2016 (AZ: 3 Sa 387/16) zu einem ähnlichen Fall einen Unternehmensbezug gesehen und die Kündigung für rechtens beurteilt. Das Arbeitsgericht Mannheim hingegen hat in seinem Urteil vom 19. Februar 2016 (6 Ca 190/15) eine aus dem gleichen Anlass ausgesprochene außerordentliche Kündigung für unwirksam erklärt, da mildere Mittel, etwa eine Abmahnung, zur Verfügung gestanden hätten.
Erst denken, dann posten – Vermeidung von Ärger schon im Vorfeld
Entscheidungskriterium in allen drei Fällen war das Vorliegen des Unternehmensbezugs. Hieran wird sich auch die zukünftige Rechtsprechung in vergleichbaren (und häufiger werdenden) Fällen zu orientieren haben. Idealerweise machen sich beide Seiten jedoch schon im Vorfeld Gedanken – der Arbeitnehmer sollte verantwortungsvoll und bewusst mit seinen sozialen Medien umgehen und genau überlegen, was er für wen sichtbar postet, und der Arbeitgeber sollte die rechtlichen Implikationen bedenken, bevor er eine außerordentliche Kündigung wegen eines mutmaßlichen Fehlverhaltens eines Angestellten ausspricht.
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