Influencer im Wettbewerb – YouTube, Instagram und Co. im Visier des Lauterkeitsrechts

YouTuber, TikToker, Instagrammer und andere Social Media Stars gehören unlängst zu einer reichweitestarken Werbung eines Produktes hinzu. Dank großer Zahlen an „Followern“ in den verschiedenen sozialen Netzwerken haben Influencer nicht nur eine große Reichweite, sondern können Produkte vor allem zielgruppengenau bewerben. In den vergangenen Jahren kam es im Bereich des Influencer-Marketings daher schon zu diversen rechtlichen Auseinandersetzungen, die sich im Kern mit der Kennzeichnung werblicher Inhalte befassten. Dabei ging es stets um Influencer, die als „Werbebotschafter“ eingesetzt wurden, wobei aufgrund ihrer Glaubwürdigkeit und ihrem jeweiligen konkreten Auftritt unterschiedliche Anforderungen an den Werbecharakter und den damit einhergehenden Kennzeichnungspflichten angelegt wurden.

Unter einem anderen Blickwinkel untersuchen neuere Entscheidungen Influencer und Lauterkeitsrecht. Mit dem Einsatz von Influencern als Werbebotschafter ist über Social Media im Allgemeinen als „Wettbewerbsplattform“ noch nicht viel gesagt. Brisant ist dabei die Frage, wie zu verfahren ist, wenn Influencer übereinander herabwürdigenden Content erstellen oder sich gegenseitig imitieren und kopieren. Hilft das Wettbewerbsrecht nach dem UWG?

Einführung

Außerhalb medienrechtlicher Vorschriften, die im Kern Kennzeichnungs- und Trennungspflichten mit Blick auf werbliche Ansprachen bereithalten, ist es vor allem das Lauterkeitsrecht, das Werbung und Äußerungen im Wettbewerb Grenzen setzt. Das Lauterkeitsrecht bezweckt in erster Linie den Schutz des Wettbewerbs und der Verbraucher. Gerade mit Blick auf neue Kanäle wie Instagram und TikTok fällt der Blick vor allem auf das Verbot unmittelbarer Kaufaufforderungen an Kinder (Nr. 28 der sog. „Blacklist“ im Sinne des § 3 Abs. 3 UWG). Daneben – allgemein – aber immer auch das Irreführungsverbot des § 5 UWG, die werbliche Belästigung des § 7 Abs. 1 UWG und die hinreichende Erkennbarkeit von Werbung nach § 5a Abs. 4 UWG. Gerade gegenüber den teils sehr jungen Followern ist die Nähe zu diesen Unlauterkeitstatbeständen nicht von der Hand zu weisen. Im „Wettbewerb der Influencer“ zueinander sind es vor allem die rufschützenden Mitbewerberregelungen des § 4 UWG, die im folgenden Beitrag besonders von Interesse sein sollen.

Anwendungsvoraussetzung: geschäftliche Handlung

Für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung einer Aussage, Ansprache oder Maßnahme ist es stets entscheidend, ob und wann eine werbende oder sonstige Tätigkeit von Influencern eine sog. geschäftliche Handlung darstellt. Darunter versteht sich im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr.1 UWG im Wesentlichen jedes Verhalten zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Feststellen lässt sich dies in erster Linie anhand einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles, wobei im Bereich des Influencer-Marketings häufig Anhaltspunkte einer geschäftlichen Handlung das sog. „Taggen“ von Produkten und Unternehmen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.9.2020, Az. 6 U 38/19 – Tap Tags) oder auch die Nutzung eines Businessprofils und/oder die Inanspruchnahme von Entgelten oder sonstigen finanziellen Vorteilen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.6.2019, Az. 6 W 35/19 – Getarnte Werbung durch Influencer) sind. Abzugrenzen hiervon sind diejenigen Fälle, in denen es um eine rein private, informative und/oder meinungsbildende Handlung geht, die damit nicht im funktionalen Zusammenhang mit einem Absatz- oder einer Bezugsförderung steht.

Als Prüfstein gilt daher grob, dass eine Handlung oder ein Beitrag eine geschäftliche Handlung darstellt, wenn der jeweilige Influencer hierfür eine Gegenleistung erhält oder der Beitrag einen bestimmten werblichen Charakter manifestiert.

Aber nicht nur bei einer Werbung für Produkte Dritter ist eine geschäftliche Handlung anzunehmen, sondern auch und das ist dann besonders brisant, wenn ein Influencer zur Förderung seiner eigenen unternehmerischen Tätigkeit agiert, wenn er seine eigenen Produkte bewirbt oder im eigenen kommerziellen Interesse handelt, um etwa seine Reichweite zu erhöhen, wenn dies zum Beispiel dazu beitragen soll, bezahlte Werbebeitrage zu vereinnahmen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu erst jüngst entschieden, dass ein Unternehmer, der private Äußerungen als Mittel des Wettbewerbs einsetzt, um sein eigenes Unternehmen zu fördern, diesen vermeintlich privaten Äußerungen oder diesem Beitrag dadurch eine geschäftliche Wendung gebe (BGH, Urt. v. 9.9.2021, Az. I ZR 90/20 – Influencer I; BGH, Urt. v. 9.9.2021, Az. I ZR 126/20 – Blauer Plüschelefant). Damit kann der Anwendungsbereich des UWG auch dadurch eröffnet sein, dass ein Influencer oder gar eine prominente Person auf seinen Social Media Accounts auf eigene Leistungen, wie Auftritte, Produkte oder sonstige Dienstleistungen hinweist und dadurch den Absatz dieser Leistungen (auch unbewusst) fördert. 

Influencer als Wettbewerber

Soweit eine geschäftliche Handlung bejaht ist, ist der Anwendungsbereich des UWG somit grundsätzlich einmal eröffnet, sodass die Anspruchsberechtigten gegen ein lauterkeitsrechtliches Verhalten zur Wehr setzen können. Dies sind insbesondere Mitbewerber, worunter sich nach einer jüngeren Entscheidung des LG Köln (Urt. v. 13.1.2022, Az. 14 O 127/20) auch andere Influencer fassen lassen. Voraussetzungen für die „Mitbewerbereigenschaft“ ist ein sog. konkretes Wettbewerbsverhältnis, was nach der ständigen Rechtsprechung dann anzunehmen ist, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder Dritte zu erreichen sucht, und die Nachteile, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (st. Rspr., zuletzt BGH, Urt. v. 5.11.2020, Az. I ZR 234/19 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen). In dem vor dem LG Köln zu entscheidenden Fall standen sich ein Filmemacher und ein Comedian gegenüber, wobei ersterer bei Facebook und letzterer bei Instagram jeweils Content kreierte. Das LG Köln kommt hier wörtlich zu der Annahme:

„Beide nutzen […] Accounts auf Social Media Plattformen als Kanäle, um sich selbst oder ihre Leistungen darzustellen. Dabei laden beide regelmäßg Videos hoch […] mit dem Ziel möglichst hohe Klickzahlen und Followerzahlen zu generieren, um damit weitergehende Leistungen abzusetzen.“ „Auch wenn die Parteien […] im Ausgangspunkt andersartige kreative Leistungen schaffen und andere Produkte oder Leistungen zur Generierung von Einnahmen anbieten, bedienen sich beide derselben Art von Medium, um ihre Adressaten zu erreichen, nämlich Social Media Accounts.“

Damit bejaht das LG Köln ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen zweier Content Creatoren, wenngleich diese gar unterschiedliche Inhalte generieren. Diese Entscheidung ist zu begrüßen. Ebenso wie im klassischen Wettbewerb Anbieter gleichartiger Leistungen im Wettbewerb stehen, stehen in der Social Media Branche die verschiedenen Kreativen im ständigen Wettbewerb um Follower, Klickzahlen und allgemeiner Beliebtheit als „Concent-Creator“ oder „Concent-Provider“, womit diese ihren Lebensunterhalt bestreiten. Es ist daher nur folgerichtig, dass – unabhängig auf welchem Kanal sie sich begegnen – Influencer und Prominente gewissermaßen im Wettbewerb stehen und sich gegen wettbewerbswidrige Praktiken der Konkurrenz zur Wehr setzen können.

Schutz vor persönlichen Angriffen der Konkurrenz

Mit diesen Vorbedingungen leitet sich eine durchaus praxisrelevante Konsequenz ein. Ist – außerhalb des UWG – die eigene Persönlichkeit vor rechtswidrigen Angriffen Dritter regelmäßig nur im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts über § 823 Abs. 1 BGB geschützt, der zwar in Verbindung mit § 1004 BGB Unterlassungsansprüche, jedoch nur schwerlich Schadensersatzansprüche begründen kann und nur nach umfassender Interessenabwägung angenommen werden kann, kommt für den Influencer nunmehr auch ein unmittelbarer Anspruch aus § 4 UWG in Betracht. Während es bei einem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB regelmäßig der Geschädigte ist, der das Vorliegen der den Anspruch begründenden Tatsachen beweisen muss, greift – jedenfalls im Rahmen des § 4 Nr. 2 UWG – eine zugunsten des Geschädigten laufende Beweislastumkehr dahingehend, dass der sich Äußernde die Wahrheit einer als unwahr befundenen Aussage belegen muss.

Gerade auf TikTok und YouTube machen sich Content Creator häufig zur Aufgabe, andere Influencer anzugreifen, dabei – auch unbewusst – zu diffamieren oder herabzusetzen. Konnte sich hiergegen bislang nur über das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewehrt werden, steht – jedenfalls in Konsequenz des Urteils des LG Köln – eine Inanspruchnahme auf Grundlage des § 4 UWG nichts mehr im Wege. Nach dieser Vorschrift ist es unlauter und damit unzulässig, wenn ein Mitbewerber die Waren, Dienstleistungen oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines anderen Mitbewerbers herabsetzt und/oder verunglimpft (§ 4 Nr. 1 UWG) oder über die vorstehenden Eigenschaften unwahre, geschäfts- oder kreditschädigende Tatsachenbehauptungen aufstellt (§ 4 Nr. 2 UWG).

Es gilt zwar – wie stets – im Grundsatz, dass es auch und insbesondere im Wettbewerb zulässig ist, wahre Tatsachenbehauptungen über einen Mitbewerber, sein Unternehmen oder seine Leistungen mitzuteilen, auch wenn diese zu einer Geschäftsschädigung führen können (BGH, Urt. v. 14.5.2009, Az. I ZR 82/07 – Mecklenburger Obstbrände). Jedenfalls aber unwahre Tatsachen lassen sich unstreitig untersagen, ebenso wie Werturteile (die die subjektive Meinung des sich Äußernden zum Ausdruck bringen), wenn diese auf einem unwahren Tatsachenkern beruhen (BGH, Urt. v. 1.3.2018, Az. I ZR 264/16 – Verkürzter Versorgungsweg II).

Soweit Content Creator sich also im Rahmen ihrer Videos und Beiträge auch kritisch mit der Konkurrenz auseinandersetzen, ist dies grundsätzlich zulässig und auch im Sinne der Meinungsfreiheit ein wichtiges Schutzgut und bedarf es der Abwägung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten geschäftlichen Ruf des Betroffenen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls. Aber auch im weitgehend anonymen und freien Onlinebereich sind hier deutliche Grenzen zu setzen und trotz des eigenen öffentlich wirksamen Auftritts ist nicht jede kritische oder gar beleidigende und abwertende Auseinandersetzung hinzunehmen. Mit Öffnung des UWG für den „Wettbewerb Social Media“ weitet und bessert sich der Schutz in diesem Segment.

Konsequenzen für die Praxis

Klar ist, dass nach wie vor Vorsicht bei der Influencerwerbung für Dritte geboten ist. Hier gilt auch weiter sowohl für den Influencer als auch die mit ihnen werbenden Unternehmen, dass eine gewisse Awareness aufgebaut und vertraglich durch eine Kennzeichnungsverpflichtung abgesichert wird. Daher ist auch weiterhin darauf zu achten, dass die Beachtung der wettbewerblichen Bestimmungen und der Kennzeichnungspflichten zur Risikovermeidung zum Vertragsinhalt eines Influencervertrages erhoben werden.

Das Geschäft der Influencer baut darauf, dass sie authentisch sind aber auch weiterhin als Werbeträger interessant bleiben. Damit geht es einher, dass eine gewisse Transparenz im Interesse aller Beteiligten bestehen und von allen Seiten zu fördern ist. Die Glaubwürdigkeit und Transparenz erfüllt nicht zuletzt das grundsätzlich von Bedeutung liegende Anliegen, allen voran junge Konsumenten zu schützen. Dies reflexartig auch um die Branche nicht in schlechten Ruf zu bringen.

Für Ansprüche aus dem UWG nimmt es eine entscheidende Rolle ein, ob es sich bei der Person und seiner konkreten Handlung um eine unternehmerische, weil geschäftliche Handlung handelt oder ob es ein Beitrag des rein privaten Bereichs ist. In letzter Konsequenz ist dies immer eine Einzelfallfrage, wobei sich die kommerziellen Interessen bei den „Stars der Branche“ wohl nicht von der Hand weisen lässt. Im Zweifel gilt daher, nicht darauf zu vertrauen, dass ein Beitrag letztlich als private Handlung qualifiziert wird und die Anforderungen des Wettbewerbsrechts jederzeit kritisch zu prüfen und einzuhalten.

Gerade weil die Hemmschwelle für Beleidigungen, Mobbing und Drohungen in der Anonymität des Internets häufig besonders niedrig ist und auch andere Content Creator zur Verbesserung ihrer Performance kritische und beleidigende Beiträge produzieren, ist es umso wichtiger, ein starker Schwert, wie das des UWG an der Hand zu haben. Trotz der unbegrenzten Möglichkeiten des Internets und der weitestgehenden Unkontrollierbarkeit verbleibt so ein sinnvoller und stets zu beachtender Schutzmechanismus im Interesse eines fairen Wettbewerbs zugunsten aller Beteiligten.

Inwieweit sich die Gerichte nunmehr auch mit Blick auf Konkurrenzverhältnis der einzelnen Influencer untereinander befassen und einen hierzu anzulegenden Maßstab etablieren bleibt abzuwarten, wenngleich die bisherigen Erwägungen und Entscheidungen hier einen gleichlaufenden Tenor sauber begründen könnten. Die Herausforderungen, die mit Influencer-Marketing einhergehen sind auch weiter mannigfaltig und wohl noch lange nicht am Ende. Grund genug, dass der Gesetzgeber mit dem am 28.05.2022 in Kraft tretenden Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 24.3.2021 (BT-Drs. 19/27873) mehrere speziell das Influencer-Marketing betreffende Ergänzungen und Änderungen auch im UWG vorsieht.

Festzuhalten bleibt, dass das Influencer-Recht als relativ junge aber komplexe Materie die Beratungspraxis auch weiterhin fordern wird aber auch zwingend erforderlich macht. Es zeichnet sich eine begrüßenswerte Tendenz ab, die die betreffenden Kreativen in ihrer beruflichen Tätigkeit schützen und als wichtigen Teil der Gesellschaft etablieren und anerkennen will und letztlich auch muss. Daran gilt es anzuknüpfen und das Recht auch weiterhin diesem neuen Markt zu öffnen und diese wichtige und relevante Branche weiter zu fördern und „an die Hand zu nehmen.“

Ein Beitrag von

  • Dr. Christoph Matras