Marken im virtuellem Raum – Auswirkungen des Metaverse auf den Markenschutz
Das Metaverse ist nicht mehr nur in der Technologiebranche in aller Munde, sondern beherrscht zunehmend auch die Tagespresse. Immer mehr Unternehmen nutzen es als Plattform, um Kunden zu erreichen. Der Hype ist groß. Entsprechend ist auch das Markenrecht im virtuellen Raum angekommen, die praktische Sorge gleichwohl berechtigt. Wie es um den markenrechtlichen Schutz im virtuellen Raum steht, soll dieser Beitrag beleuchten.
Während das Metaverse noch in den Kinderschuhen steckt, das Aufsehen jedoch unaufhaltsam steigt, stellt sich auf rechtlicher Ebene die Frage, wie es um den Markenschutz im virtuellen Raum bestellt ist. Die Möglichkeit, mittels virtueller Abbildungen des realen Lebens und der jeweiligen Teilnehmer in einer parallelen, virtuellen Sphäre Waren und Dienstleistungen zu transferieren und so einen virtuellen Markt zu erschließen, wirft in diesem Kontext komplexe und neue Risiken, aber auch Chancen auf. Unabhängig davon, ob man als Markeninhaber ein Interesse dafür entwickelt, sich mit dem Metaverse und seinen Eigenheiten zu befassen und es mit seinen Waren und Dienstleistungen zu betreten, sollte sich jeder Markeninhaber vor Augen führen, dass – bei unkontrollierter Weiterentwicklung – Dritte möglicherweise nicht daran gehindert werden, in diesen virtuellen Welten konkurrierende Waren oder Dienstleistungen auch unter Verwendung der „analog“ geschützten Marken zu nutzen. Denn – und darüber herrscht unlängst Einigkeit – auch die Verwendung einer Marke in Computerspielen oder anderen virtuellen Welten kann durchaus eine markenmäßige Benutzung darstellen, die den Schutzbereich bereits bestehender Markenrechte verletzen kann. Die Befassung von Markeninhabern mit dem Metaverse ist daher nicht mehr nur opportun, sondern zwingend geboten.
Ist das Metaverse markenrechtliches Neuland?
Nicht alle Fragestellungen, die sich im Hinblick auf das Markenrecht im virtuellen Raum stellen, sind wirklich „Neuland“. Einige Problemkreise, die mit der Weiterentwicklung des Metaverse mit Blick auf die Markenlandschaft aufkommen, sind im Wesentlichen vergleichbar, wenn nicht gar identisch mit denjenigen, die seinerzeit mit der Entstehung des Internets bereits aufgekommen sind und bisweilen umfassend aufgearbeitet wurden. Nunmehr eben die Virtualisierung statt der Digitalisierung. Ebenso wie damals hat man sich als Markeninhaber hinsichtlich der aktuellen Entwicklungen im virtuellen Raum vor allem mit den folgenden Fragen zu befassen: Entsteht nun ein rechtsfreier, nicht kontrollierbarer Raum, bei dem keiner weiß, welches Recht gilt? Und: Wann schützt meine bestehende Marke mich vor Verletzungshandlungen im virtuellen Raum und wer ist zur Verantwortung zu ziehen?
Was kann ich tun, um meine Marke „fit fürs Metaverse“ zu machen?
(1) Die Marke als Unterscheidungszeichen im virtuellen Raum
Marken sind nach dem herkömmlichen (juristischen) Verständnis Kennzeichen, die der Unterscheidung der Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen dienen, also sogenannte Unterscheidungszeichen. Markenschutz-zugänglich sind dabei insbesondere Wörter, Namen, Abbildungen, Buchstaben, Zeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstiger Aufmachungen und Farben. Markenschutz ist nicht umfassend, sondern versteht sich aus der Verbindung des konkreten Zeichens mit dem jeweiligen Schutzobjekt. Hier kommt die sogenannte Nizzaer Klassifikation gemäß dem Nizzaer Klassifikationsabkommen (NKA) maßgeblich ins Spiel. Markenschutz erstreckt sich nämlich grundsätzlich nur auf diejenigen Waren und Dienstleistungen, die – bei der Registermarke – zur Anmeldung gereicht wurden oder für welche sie tatsächlich – bei der Benutzungsmarke – im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung verwendet werden. Hinsichtlich des Metaverse gilt hier zunächst, dass Marken grundsätzlich auch zur Kennzeichnung der Herkunft virtueller Güter im Sinne dieses Verständnisses verwendet und vom Verkehr in gleicher Weise als Unterscheidungszeichen im Sinne dieser gesetzlichen Definition wahrgenommen werden können. Die markenrechtliche Klassifikation ist dabei die wesentliche Grundweiche, anhand derer sich entscheidet, ob markenrechtlicher Schutz für eine mit dem Markenzeichen gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung besteht oder nicht. Besteht ein solcher markenrechtlicher Schutz, kann sich sein Inhaber gegen nicht gestattete Verwendungen zur Wehr setzen. Besteht er nicht, dann sind die Abwehrmöglichkeiten einer derartigen Verwendung weitestgehend ausgeschlossen.
Für Markeninhaber stellt sich daher die entscheidende Frage, ob der bereits vorhandene Schutz von „realen“ Waren, wie er gegenwärtig im Register weitestgehend vorhanden ist, ausreicht, um auch einen Schutz im „virtuellen Raum“ für sich in Anspruch nehmen zu können. Anders gefragt: Verletzt ein Anbieter virtueller Waren unter Verwendung eines Zeichens, das eine Marke virtuell abbildet und das identisch oder ähnlich auf dem realen Markt für eine physische Ware geschützt ist, das auch hier bestehende Markenrecht? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten.
Grundsätzlich gilt, dass eine Markenrechtsverletzung – ganz abstrakt ausgedrückt – nach den gesetzlichen Vorschriften unter anderem dann vorliegt, wenn sogenannte Verwechslungsgefahr besteht. Dafür ist es erforderlich, dass ein markenrechtlich geschütztes Zeichen in identischer oder ähnlicher Form für die identischen oder ähnlichen Waren oder Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr benutzt wird. Einig wird man sich hier wohl sein können, dass zwischen einer reinen Abbildung und einem physischen Produkt keine Identität besteht – ein Schuh und ein Bild von einem Schuh sind nicht das Gleiche. Zu hinterfragen ist jedoch, ob das virtuelle Abbild dann aber nicht wenigstens „ähnlich“ ist zu seinem realen Gegenüber. Nur wenn eine derartige Ähnlichkeit vorliegt, können Markeninhaber sich auf der Grundlage ihrer bestehenden Markenrechte gegen Verletzungshandlungen auch im Metaverse zur Wehr setzen.
Eine klare Positionierung haben die hierzu berufenen Markenämter und Gerichte noch nicht vorgenommen. Gleichwohl hat sich insbesondere das Europäische Markenamt (EUIPO) bereits zur Aufgabe gemacht, dem wachsenden Bedürfnis an Rechtsschutz im virtuellen Raum eine rechtliche Grundlage zuzuführen. So hat das Amt erst im Sommer diesen Jahres eine Stellungnahme1 veröffentlicht, aus der deutlich hervorgeht, dass sich zunehmend Markenanmeldungen für den virtuellen Raum beobachten lassen. Virtuelle Waren selbst sind nach der klaren Vorstellung des Amts – ebenso wie NFTs – als „virtuelle Ware“ im Sinne der Warenklasse 9 eintragungsfähig denn – so das Amt – es handele sich hierbei um nichts anderes als ein digitales Bild oder einen digitalen Inhalt, der insoweit selbst als Ware eintragungsfähig ist, als dass konkret gemacht werde, für welche spezifische Art von digitaler Ware (also zum Beispiel Bekleidung) Schutz beansprucht werden solle. Hiervon sind NFTs insoweit abzugrenzen, als es sich nach der Definition des EUIPO hierbei um in einer Blockchain registrierte, eindeutig digitale Zertifikate handelt, die digitale Artikel authentifizieren, nicht aber selbst digitale Ware sind. Auch NFTs fallen selbst jedoch in die Warenklasse 9 und sind eintragungsfähig, wenn die Art des jeweiligen digitalen Artikels mit angegeben wird, der durch das NFT authentifiziert werden soll.
Damit macht das Amt zwar deutlich, dass virtuelle Waren grundsätzlich eingetragen und damit selbst Gegenstand markenrechtlichen Schutzes werden können. Gleichwohl bleibt die Frage, ob eine Warenähnlichkeit virtueller Güter zu physischen (analogen) Gütern besteht und damit unabhängig von einer Erweiterung des Markenportfolios die bisherige Anmeldung zum Schutze vor Verletzungshandlungen im virtuellen Raum genügen kann. Für eine Warenähnlichkeit sprechen nach diesseitigem Dafürhalten mehrere Gründe. Zunächst spricht dafür, dass insbesondere analoge Konsumgüter bereits umfassend und zumeist nur noch ausschließlich im ubiquitären Internet insbesondere durch Social-Media- und Influencer-Marketing beworben werden. All diese digitalen Werbehandlungen sind schon vor dem Auftreten des Metaverse anerkannt worden. Eine weitere Differenzierung zwischen Digitalisierung und Virtualisierung erscheint weder nachvollziehbar noch sachlich geboten. Entscheidender – aus rechtlicher Sicht – ist jedoch, dass Marken im heutigen Wirtschaftsgeschehen ökonomische Ziele und Funktionen verfolgen. So verfolgt das Markenrecht nach der aus der europäischen Rechtsprechung erwachsenen und unlängst anerkannten Multifunktionalität der Marke (EuGH, Urt. v. 18.6.2009, Rs. C-487/07 – L’Oréal/Bellure) neben der Grundfunktion der Herkunftsfunktion vor allem auch das Ziel, dem Inhaber ein Recht einzuräumen, über die Marke eine Suggestiv- und Attraktionskraft zu entwickeln, die über reine Qualitätserwartungen hinausgeht. Markeninhabern gewährt das Gesetz gar ausdrücklich auch das Recht, unter der Marke Werbung zu betreiben. Daneben zählt es zu den anerkannt schutzwürdigen Interessen des Markeninhabers, eine Marke eben auch zum Aufbau und Erhalt eines Rufs einzusetzen, um auf diese Weise die Kundenbindung zu stärken. In diesem Kontext würde es solchen Funktionszuweisungen und Zweckrichtungen zuwiderlaufen, die Handlungsfreiheit der Markeninhaber für das „virtuelle Äquivalent“ ihrer Waren einzuschränken.
Dabei liegt es auf der Hand, dass der Verbraucher das Abbild einer ihm bekannten analogen Ware im virtuellen Raum auf den jeweiligen ihm bekannten Hersteller zurückführen wird. Verneint man eine Ähnlichkeit der virtuellen Waren mit den analogen Waren, so führt dies letztlich dazu, dass der Markeninhaber im virtuellen Raum an seiner durch das Markenrecht gewährten Freiheit, die ihm das Zeichenrecht in Bezug auf das konkrete Zeichen und die konkret geschützten Waren und Dienstleistungen bietet, ungerechtfertigterweise beschränkt wird.
(2) Das Metaverse ist kein rechtsfreier Raum!
Zweiter gewichtiger Problemkreis ist die Frage des anwendbaren Rechts bzw. der Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung in der ubiquitären virtuellen Welt. Rechte des geistigen Eigentums – also auch Markenrechte – sind von den jeweiligen Rechtsordnungen hervorgebrachte Institutionen, sodass deren Schutzgehalt sich zwangsläufig auf das jeweilige Hoheitsgebiet beschränkt. Genau wie im Internet mangelt es auch im Metaverse an entsprechenden territorialen Grenzen. Daher kann es mitunter zum einen schwierig sein, das anwendbare Markenrecht zu identifizieren, geschweige denn einen entsprechenden Unterlassungsanspruch letztlich auch im gesamten virtuellen Raum durchzusetzen.
Während also im realen Leben die Landesgrenzen den Markenschutz weitestgehend räumlich einkreisen, verschwinden ebendiese natürlichen Grenzen im virtuellen Raum. Die hieraus erwachsenden Probleme sind jedoch altbekannt. Hier manifestiert sich nämlich letztlich das, was als „rechtsverletzende Benutzung im Internet“ schon seit einigen Jahren Gegenstand einer Vielzahl markenrechtlicher Auseinandersetzungen geworden ist. Entscheidende Parameter für die Anwendbarkeit des Rechts eines Landes können daher im virtuellen Raum – gleichlaufend mit den Gedanken zu Internetfällen – nur die Umstände des Einzelfalls sein. So ist denkbar logisch, dass die Nutzung im Metaverse keine Benutzungshandlung in allen Ländern der Welt bedeuten kann. Ebenso löst nicht jedes im Inland abrufbare Angebot bei Verwechslungsgefahr mit einem inländischen Kennzeichen kennzeichenrechtliche Ansprüche aus. Vielmehr bedarf es für eine markenrechtlich relevante Verletzungshandlung eines wirtschaftlich relevanten Inlandsbezugs (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 13.10.2004, Az. I ZR 163/02) oder – um es in den Worten der WIPO auszudrücken – eines „commercial effects“ (vgl. IPO; Joint Recommendation, Pt. II „Use of a sign on the internet“).
(3) Handlungsbedarf für Markeninhaber
Es wird nunmehr deutlich, dass im Metaverse aus markenrechtlicher Sicht noch große Unklarheit herrscht. Insbesondere fehlt es an aussagekräftigen Entscheidungen seitens der Markenämter und Gerichte zur Ähnlichkeit analoger zu virtuellen Waren. Das „Neuland“ Metaverse lässt bislang noch keine klaren Tendenzen erkennen, inwieweit dies letztlich bejaht oder verneint wird.
Ob und inwieweit Anbieter in der virtuellen Welt durch das Anbieten oder den Verkauf von virtuellen Waren letztlich Markenrechtsverletzungen begehen an Marken, deren Schutzanspruch sich grundsätzlich auf den analogen Warenbereich beschränkt, wird in den laufenden Jahren durch die Rechtsprechung und Amtspraxis seine maßgebliche Prägung finden. Fest steht jedenfalls, dass – auch wenn die Konturen des virtuellen Raums noch lange nicht greifbar oder gar final sind – Markeninhaber gut beraten sind, den technischen Entwicklungen rechtlichen Markenschutz folgen zu lassen. Markenkonflikte sind vorprogrammiert. Frühzeitiger Markenschutz im virtuellen Raum begegnet dem Risiko, dass die Gerichts- und Amtspraxis die Grenzen markenrechtsverletzender Nutzungen zu eng zieht.
Fazit
Das Metaverse ist kein rechtsfreier Raum. Es bietet für Markeninhaber neue Möglichkeiten der Kennzeichennutzung, birgt aber zugleich auch neue Risiken. Keinesfalls darf man das Metaverse unbesehen lassen, vielmehr sind die neuen Entwicklungen im virtuellen Raum dringend in markenstrategische Erwägungen einzubeziehen. Unabhängig davon, ob ein Markeninhaber das Metaverse für sich als potenziellen Einsatzbereich gewinnen mag oder nicht, empfiehlt es sich aus markenrechtlicher Sicht, einen möglichst umfassenden Schutz auch in dieser virtuellen Sphäre anzustreben. Dies bedeutet neben einer Erweiterung des Markenportfolios auf den virtuellen Raum auch eine ggf. territoriale Ausdehnung des Schutzes auf weitere Jurisdiktionen. Nicht zuletzt erscheint es auch nahezu zwingend geboten, strategische Markenüberwachungen im virtuellen Bereich vorzunehmen und sich gegen Angriffe aktiv zur Wehr zu setzen.
Markenrecht im Metaverse ist letztlich ein Thema, welches maßgeblich von den Markenämtern und der Rechtsprechung anzugehen ist. Markeninhaber und ihre Markenrechtler sind gleichwohl berufen, durch strategische Maßnahmen zum einen den Markenschutz unter den neuen Bedingungen sicherzustellen, zum anderen aber auch durch solche strategischen Maßnahmen sowie eine konsequente Rechtsdurchsetzung diese Entwicklungsprozesse aktiv mitzugestalten. Man sieht es also deutlich: Damit der Markenschutz auch im Metaverse gesichert bleibt, haben Markeninhaber einiges zu beachten!
Ein Beitrag von