Neuer § 273a ZPO und die Auswirkungen auf den Justizstandort Deutschland
Verbesserter zivilprozessualer Schutz von Geschäfts-
geheimnissen – Änderungen in der ZPO machen den Justiz-
standort Deutschland attraktiver
Deutschland galt im gewerblichen Rechtsschutz lange als bevorzugter Justizstandort, insbesondere dank der hohen Spezialisierung der zuständigen Kammern. Ein gravierendes Defizit bestand jedoch im Bereich des Schutzes von Geschäfts-
geheimnissen. Abgesehen vom Patentrecht war dieser Schutz bislang eher unzureichend, was dazu führte, dass Geheimnisinhaber Gefahr liefen, entweder den Prozess oder ihre vertraulichen Informationen zu verlieren. Diese Unsicherheit machte den ordentlichen Rechtsweg zunehmend unattraktiv.
Mit Inkrafttreten des Justizstandort-Stärkungsgesetzes zum 1. April 2025 wird diese Schutzlücke nun durch die Einführung des neuen § 273a ZPO geschlossen. Die gesetzliche Änderung ist Teil einer umfassenden Reform, die darauf abzielt, Deutschland als Forum für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten stärker zu positionieren. Ziel ist es, den Justiz- und Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken und der Abwanderung wirtschaftsrechtlicher Streitigkeiten in private Schiedsgerichte oder an ausländische Gerichte gezielt entgegenzuwirken (Begr. RegE, BT-Drs. 20/8649, 1, 16). Neben dem verbesserten Schutz von Geschäftsgeheimnissen werden hierzu auch sog. Commercial Courts als spezialisierte Spruchkörper an Oberlandesgerichten eingeführt, und es wird die Möglichkeit geschaffen, Verfahren in englischer Sprache zu führen.
Ausgangspunkt: Öffentlichkeitsgrundsatz und unzureichende Schutzmöglichkeiten
Der im Zivilprozess geltende Öffentlichkeitsgrundsatz nach § 169 GVG konnte bislang nur in Ausnahmefällen durchbrochen werden. Die bestehenden Ausnahmeregelungen zum Ausschluss der Öffentlichkeit, wie etwa §§ 172, 174 GVG, waren eng gefasst und wenig wirksam. Besonders problematisch war, dass der Schutz von Geschäfts-
geheimnissen nicht hinreichend vor der Kenntnisnahme durch die Gegenseite geschützt werden konnte – ein zentrales Problem gerade im gewerblichen Rechtsschutz. Häufig stehen sich im Prozess Wettbewerber gegenüber, denen durch die Offenlegung geschützter Informationen erhebliche wirtschaftliche Vorteile entstehen können. Das gilt besonders (aber eben nicht nur) im Bereich des geistigen Eigentums, wo der Verfahrensgegner durch Einsicht in vertrauliche Unterlagen zu Forschungs- und Entwicklungsprozessen oder Produktionsabläufen wertvolle Kenntnisse gewinnen kann – und das unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.
Das Dilemma ist also offensichtlich: Einerseits verlangt der Zivilprozess die Offenlegung von Informationen, andererseits droht die unkontrollierte Kenntnisnahme durch die Gegenseite. Diese Gefahr führte häufig dazu, dass Geschäftsgeheimnisträger entweder ihre Rechte aufgrund der fehlenden Offenlegung nicht durchsetzen konnten oder aber ihre sensiblen Daten aufgaben. Der Reformbedarf ist also deutlich sichtbar. Gerade weil es keine Handhabe gab, auch Schutz für Schriftsätze oder als Beweismittel vorgetragene Geschäftsgeheimnisse gab.
§ 273a ZPO: Neuer Geheimnisschutz im Zivilprozess
Mit der Einführung des § 273a ZPO wird nun ein effektiver Schutzmechanismus für Geschäftsgeheimnisse im allgemeinen Zivilverfahren geschaffen. Parteien können beim Gericht beantragen, bestimmte Informationen als geheimhaltungsbedürftig einzustufen – vorausgesetzt, sie stellen glaubhaft dar, dass es sich um ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des GeschGehG handelt. Diese Änderung setzt die bereits 2019 mit dem Geschäftsgeheimnisschutzgesetz eingeleitete Stärkung des Geheimnisschutzes konsequent fort.
Die Antragsteller müssen hierzu allein glaubhaft machen, dass es sich um Geschäftsgeheimnisse handelt. Das Gericht entscheidet daraufhin im Rahmen seines Ermessens und ohne Anhörung der Gegenseite über die Einstufung. Sollte dem Antrag stattgegeben werden, sind alle Verfahrensbeteiligten zur Vertraulichkeit verpflichtet. Die betreffenden Informationen dürfen weder im Verfahren noch außerhalb des Verfahrens genutzt oder offenbart werden, und diese Verpflichtung gilt über den Verfahrensabschluss hinaus. Bei Verstößen drohen Ordnungsgelder von bis zu 100.000 Euro oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (§ 17 GeschGehG). Darüber hinaus kann das Gericht den Zugang zu Verfahrensakten oder die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auf bestimmte Personen beschränken.
Effektiver Schutz in allen Zivilverfahren
Mit dieser neuen Regelung wird der Geheimnisschutz auf alle zivilrechtlichen Verfahren ausgeweitet. Bislang galt der Schutz nur in sogenannten Geschäftsgeheimnis-
streitsachen, also in Verfahren, die Ansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisschutz-
gesetz betrafen. Der § 273a ZPO schafft hier einen erheblichen Mehrwert, indem er den dringend benötigten Geheimnisschutz auf alle zivilgerichtlichen Verfahren ausdehnt. Prozessparteien müssen nicht länger zwischen dem Schutz ihrer sensiblen Informationen und einer effektiven Rechtsverfolgung wählen. Unternehmen, die auf den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse angewiesen sind, können nun mit mehr Rechtssicherheit agieren.
Dieser Schritt macht den Zivilprozess – auch im Vergleich zur Schiedsgerichtsbarkeit – für Unternehmen, die auf Geheimnisschutz angewiesen sind, deutlich attraktiver. Durch die klaren Vorgaben und die drastischen Sanktionen wird die Rechtssicherheit erheblich erhöht und der bisweilen weit gefasste Ermessensspielraum der Gerichte eingeschränkt. Das Ziel der Stärkung des Justizstandorts Deutschland rückt so deutlich näher und zeigt, dass Deutschland als Wirtschaftszentrum auch in der internationalen Streitbeilegung eine führende Rolle einnehmen kann.
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