Restrukturierungsrecht im Wandel – Der „große Wurf“ aus Berlin.

Ein Überblick.

Und auf einmal war er da. Der langersehnte Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts ist da und hat es in sich: Auf knapp 250 Seiten wird ein Paket – das Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) – geschnürt, welches nicht nur das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen einführt, sondern auch über ein Dutzend bestehender Gesetze anpasst. Insbesondere erfährt die Insolvenzordnung erhebliche Änderungen (vgl. Synopse zu den Änderungen der Insolvenzordnung (InsO)).

Anlass für das SanInsFoG war zum einen die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 des EU-Parlaments und des Rates vom 20. Juni 20191 in nationales Recht und zum anderen die Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen.

Der wesentliche Kern des Referentenentwurfes ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bzw. das Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz (StaRUG). Das StaRUG besteht aus insgesamt 101 Vorschriften und ist in drei Teile aufgeteilt. Im Folgenden sollen die einzelnen Bestandteile des StaRUG näher beleuchtet und ein erster - zusammenfassender - Überblick gegeben werden.

Teil 1 - Krisenfrüherkennung und -management

Der erste Teil des StaRUG beschäftigt sich mit der grundlegenden Überwachungspflicht der Geschäftsleitung. Im Mittelpunkt steht das Erkennen von Krisensituationen und das mögliche Einschreiten und Gegensteuern durch sachgerechte Maßnahmen.

Ein wesentlicher Aspekt der Vorschriften ist, dass die Geschäftsleitung bei drohender Zahlungsunfähigkeit zukünftig Pflichten treffen, die die Wahrung der Interessen der Gläubiger umfassen. Der Gläubigerschutz, der wesentlicher Bestandteil des Insolvenzrechts ist, wird vorverlagert. Bereits im Stadium der vorinsolvenzlichen Krise sind die Interessen der Gläubiger zu wahren. Erst nachgelagert sind fortan die Interessen der Anteilsinhaber zu berücksichtigen.

Für eine Verletzung dieser Pflichten wurde in gleichem Zuge eine Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatz normiert. Ein entsprechender Anspruch soll in bestimmten Fällen – vergleichbar den Regelungen im Aktienrecht – auch von den Gläubigern geltend gemacht werden können.

Teil 2 – Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen

Der zweite Teil des StaRUG bildet den Schwerpunkt des neuen Gesetzes. Es werden Regelungen zum Restrukturierungsplan, zu Restrukturierungsinstrumenten, den Verantwortlichen sowie Bestimmungen für öffentliche Restrukturierungssachen geschaffen.

1. Restrukturierungsplan

Bei der Aufstellung eines Restrukturierungsplanes geht es letztlich um die Frage, wie bestehende Rechtsverhältnisse ausgerichtet bzw. restrukturiert werden können, um die Erhaltung des Unternehmens zu gewährleisten. Von einem Restrukturierungsplan sollen zunächst sämtliche Forderungen, die gegen eine restrukturierungsfähige Person begründet sind (Restrukturierungsforderungen), umfasst werden können. Zudem sollen insbesondere auch die im Zusammenhang mit den Restrukturierungsforderungen bestehenden (Kredit-) Sicherheiten sowie – wie bereits im Rahmen eines Insolvenzplans – ausdrücklich auch Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an der Schuldnerin durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden können.

Bestimmte Rechtsverhältnisse sind von vornherein von der Gestaltungsmöglichkeit ausgenommen. So sind Forderungen von Arbeitnehmerinnen einer Gestaltung nicht zugänglich.

Anforderungen an den Restrukturierungsplan

Die inhaltlichen Anforderungen an einen Restrukturierungsplan ähneln den Anforderungen an einen Insolvenzplan. Es erfolgt ebenfalls eine Aufteilung in einen darstellenden Teil und einen gestaltenden Teil. Auch ist eine Einteilung der Planbetroffenen in unterschiedliche Gruppen erforderlich, soweit Planbetroffene mit unterschiedlichen Rechtsstellungen betroffen sind.

Exemplarisch werden Restrukturierungsmaßnahmen wie Forderungskürzungen und Stundungen im gestaltenden Teil verortet. Dreh- und Angelpunkt ist die Befreiung von den restlichen Verbindlichkeiten, soweit die im Restrukturierungsplan vorgesehene Befriedigung der Gläubiger erfolgt. Dabei können Maßnahmen zur (Re-)Finanzierung unmittelbar im Plan selbst festgelegt werden.

Der Plan muss über diese Bestandteile hinaus u.a. zwingend eine Erklärung vorsehen, welche die Aussichten beinhaltet, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit durch den Plan beseitigt und damit die Bestandsfähigkeit des Unternehmens sichergestellt oder wiederhergestellt wird. Der Fokus der Sanierung hat dabei stets höchste Geltung.

Planabstimmung

Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan ist geprägt von einem Angebot-Annahme-Verhältnis und unterliegt bestimmten Mehrheitserfordernissen.

Das Plangebot ist von der Schuldnerin zu stellen und an die Planbetroffenen zu richten. Hierbei muss der Hinweis enthalten sein, dass bei Annahme durch die Mehrheit auch diejenigen Planbetroffenen einer Wirksamkeit ausgesetzt sind, welche eine Annahme ablehnen. Das Planangebot muss zudem für die Planbetroffene wichtige Informationen enthalten, so etwa, welche Forderungen und Rechte genau einbezogen sind, welchen Gruppen die Betroffenen angehören und welche Stimmrechte ihnen zustehen.

Grundsätzlich ist vor der Abgabe des Planangebotes eine gemeinschaftliche Erörterung mit allen Planbetroffenen abzuhalten.

Der Schuldnerin ist die Option gegeben, eine Planbetroffenenversammlung einzuberufen und die Planbetroffenen über den Plan abstimmen zu lassen. Die einzelnen Stimmrechte der Planbetroffenen richten sich nach dem Betrag der Restrukturierungsforderung, dem Wert der Sicherheiten sowie bei Anteils- und Mitgliedschaftsrechten nach der Höhe der Beteiligung.

Bezüglich der nötigen Mehrheiten soll Folgendes gelten: Die Annahme des Planes erfordert, dass in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen.

Wird in einer Gruppe eine erforderliche Mehrheit nicht erreicht, soll es in bestimmten Fällen zu einer Zustimmungsfiktion kommen. Demnach soll eine Zustimmung dennoch als erteilt gelten, wenn die Mitglieder der besagten Gruppe durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne ihn stünden. Durch die Regelungen zur Planabstimmung wird deutlich, welchen erheblichen Nutzung die neuen Instrumente haben können. Der störende Gläubiger soll hinter die Sanierung des schuldnerischen Unternehmens zurücktreten – auch außerhalb von Insolvenzverfahren.

2. Restrukturierungs- und Stabilisierungsinstrumente

Das StaRUG sieht verschiedene Instrumente vor, welche der nachhaltigen Bewältigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit dienen können. Das jeweilige Restrukturierungsvorhaben muss bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht angezeigt werden. Es handelt sich folglich um gerichtliche Verfahren und Maßnahmen.

Die abschließend aufgeführten Instrumente sind die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung), die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung), die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplanes erheblich sind (Vorprüfung), die gerichtliche Beendigung von gegenseitigen Verträgen (Vertragsbeendigung) sowie die gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung).

Eine Restrukturierungssache ist mit besonderen Pflichten für die Schuldnerin verbunden. Die Interessen der Gesamtheit der Gläubigerinnen sind zu wahren und es ist alles zu unterlassen, was mit dem Ziel des angezeigten Restrukturierungskonzepts unvereinbar ist.

Sachlich zuständig für Restrukturierungssachen werden die neu zu errichtenden Restrukturierungsgerichte, welche an den Amtsgerichten, in dessen Bezirk das Oberlandesgericht seinen Sitz hat, zu finden sein werden. Allerdings besteht auch – wie bereits für die Insolvenzgerichte – die Ermächtigung zugunsten der Landesregierungen, Spezialzuständigkeiten für einzelne Amtsgerichte zu begründen. In jedem Fall wird durch die Etablierung der Restrukturierungsgerichte eine begrüßenswerte Bündelung von Kompetenzen erreicht werden können.

Gerichtliche Planabstimmung und Vorprüfung

Zur Vermeidung von Risiken bei einer außergerichtlichen Abstimmung über den Restrukturierungsplan wird die Option einer gerichtliche Panabstimmung geschaffen. Zur Entlastung des Abstimmungstermins soll zudem die Möglichkeit einer gerichtlichen Vorprüfung bestehen.

Vertragsbeendigung

Im Rahmen der Verwirklichung eines Restrukturierungsvorhabens durch gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans können auf Antrag der Schuldnerin einzelne Verträge beendet werden. Entsprechend der Regelungen der Insolvenzordnung sollen nunmehr auch vorinsolvenzlich gegenseitige, beidseitig nicht vollständig erfüllte Verträge beendet werden können. Mit einer entsprechenden Bestätigung des Restrukturierungsplans kann aus den dadurch beendeten Verträgen keine Erfüllung mehr verlangt werden.

Stabilisierung

Um das Restrukturierungsziel zu sichern, kann das Restrukturierungsgericht auf Antrag der Schuldner anordnen, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung eingestellt oder untersagt werden und dass Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens, welche im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahren als Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden könnten, von der Gläubigerin nicht durchgesetzt werden dürfen. Letzteres wird insbesondere die Verwertung von Kreditsicherheiten betreffen. Die beantragte Stabilisierungsanordnung ist von der Schuldnerin ihrem Inhalt, dem Adressatenkreis und der Dauer nach zu bezeichnen.

Die Stabilisierungsanordnung ist insgesamt an strenge Voraussetzungen gebunden. Sie ergeht vor allem nur dann, wenn die von der Schuldnerin vorgelegte Restrukturierungsplanung vollständig und schlüssig ist und keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass z.B. die Restrukturierungsplanung auf unzutreffenden Tatsachen beruht, die Restrukturierung aussichtslos ist, die Schuldnerin noch nicht drohend zahlungsunfähig ist oder die beantrage Anordnung nicht erforderlich ist für das Restrukturierungsziel.

Die Stabilisierungsanordnung ist zunächst für eine Dauer von bis zu drei Monaten vorgesehen, kann unter engen Voraussetzungen jedoch bis zu acht Monate betragen. Während der Anordnungsdauer können Gläubiger keinen Insolvenzantrag gegen die Schuldnerin stellen. Zudem können Gläubiger nicht allein wegen der rückständigen Leistung, die ihr im Anordnungszeitraum obliegenden Leistungen verweigern oder den Vertrag beenden oder abändern.

Insgesamt stellt die Stabilisierung ein umfassendes „Standstill“ dar, welches die Schuldnerin in die Lage versetzt, die Restrukturierungsmaßnahmen unter dem Schutz der Restrukturierungssache umzusetzen.

Planbestätigung

Um einen Eintritt der im Restrukturierungsplan festgelegten Wirkungen zu erreichen, ist eine Planbestätigung durch das Gericht erforderlich.

Das Gericht hat auf Antrag der Schuldnerin den von den Planbetroffenen angenommenen Plan zu bestätigen. Das Gericht hat die Möglichkeit, vor der Entscheidung über eine Bestätigung die Planbetroffenen anzuhören. Eine dahingehende Verpflichtung besteht, wenn die Planabstimmung nicht im gerichtlichen Verfahren erfolgt ist.

In bestimmten Fällen hat das Gericht die Bestätigung von Amts wegen zu versagen. Das ist etwa der Fall, wenn die Schuldnerin nicht drohend zahlungsunfähig ist oder die Ansprüche, die den Planbetroffenen durch den gestaltenden Teil des Planes zugewiesen werden, und die durch den Plan nicht berührten Ansprüche der übrigen Gläubigerinnen offensichtlich nicht erfüllt werden können.

Die Planbetroffenen, die gegen den Restrukturierungsplan gestimmt haben, können beantragen, dass die Bestätigung des Planes versagt wird, wenn sie durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden (Minderheitenschutz).

Wird der Plan durch das Gericht bestätigt, so treten die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Wirkungen ein – und zwar für sämtliche Planbetroffenen. Die Sanierungsbeiträge der Gläubiger im Zusammenhang mit einem Restrukturierungsplan unterliegen mit dessen Rechtskraft besonderem Schutz, insbesondere vor einer späteren Insolvenzanfechtung.

Die im Restrukturierungsplan vorgesehen Maßnahmen wie z.B. eine Stundung oder ein Erlass leben – vorbehaltlich abweichender Regelungen im Restrukturierungsplan – nur dann wieder auf, wenn die Schuldnerin mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand gerät oder über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.

3. Restrukturierungsbeauftragte

Eine Restrukturierung gemäß den Regelungen des StaRUG verläuft grundsätzlich zwischen der Schuldnerin und ihren Gläubigern. Unter bestimmten Voraussetzungen ist jedoch eine Restrukturierungsbeauftragte vom Restrukturierungsgericht zu bestellen. Dabei muss es sich um eine für den Einzelfall geeignete, geschäftskundige und von den Gläubigerinnen und der Schuldnerin unabhängige natürliche Person handeln. Ferner wird eine Restrukturierungsbeauftragte auf Antrag der Schuldnerin oder eines Quorums von mindestens 25% der Gläubigerstimmen bestellt.

Die Restrukturierungsbeauftragte wirkt an der Restrukturierung mit, indem sie die Sachlage überwacht. Stellt sie Umstände fest, die eine Aufhebung der Restrukturierungssache rechtfertigen, hat sie diese dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

Teil 3: Sanierungsmoderation

Zukünftig soll durch die Sanierungsmoderation eine weitere Maßnahme für krisenbehaftete Unternehmen geschaffen werden. Dabei kann die Restrukturierung auf Antrag der Schuldnerin durch eine Sanierungsmoderation begleitet werden. Das Restrukturierungsgericht bestellt dabei eine geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern der Schuldnerin unabhängige natürliche Person zur Sanierungsmoderatorin.

Aufgabe der Sanierungsmoderatorin ist es, zwischen der Schuldnerin und den Gläubigern zu vermitteln. Kommt es zu einem Sanierungsvergleich zwischen Schuldnerin und Gläubigern, kann eine Bestätigung durch das Gericht erfolgen, soweit dies von der Schuldnerin beantragt wird. Der Sanierungsvergleich unterliegt sodann ebenfalls dem Schutz vor späterer Anfechtung. 


1 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, und Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132.

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