Temporäre Anpassung des Sanierungs- und Insolvenzrechts in Aussicht

Das Bundeskabinett hat am 5. Oktober 2022 die Einführung eines sanierungs- und insolvenzrechtlichen Krisenfolgenabmilderungsgesetzes (SanInsKG-E) zur Umsetzung der insolvenzrechtlichen Vorgaben aus dem dritten Entlastungspaket der Bundesregierung beschlossen, das in Kürze vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden soll.

Im Wesentlichen sieht die geplante Neuregelung – zunächst temporär –

  • eine Verkürzung des Prognosezeitraums hinsichtlich der Fortführungsprognose im Rahmen der Prüfung der insolvenzrechtlichen Überschuldung,
  • eine Anhebung der Höchstfrist zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung sowie
  • eine Verkürzung der Planungszeiträume für die Erstellung von Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen

vor.

Zu den geplanten Änderungen durch das SanInsKG-E im Einzelnen:

I. Modifizierung des Insolvenzgrundes der Überschuldung

Bei juristischen Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die keine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter besitzen, ist neben dem allgemeinem Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) auch die Überschuldung (§ 19 InsO) Eröffnungsgrund und löst eine Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO aus.

Gemäß der Legaldefinition in § 19 Abs. 2 S. 1 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne setzt daher neben dem Vorliegen einer bilanziellen Überschuldung das Fehlen einer positiven Fortführungsprognose voraus. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt es sich bei der Fortführungsprognose im Kern um eine reine Zahlungsfähigkeitsprognose; auf die Ertragsfähigkeit des Unternehmens kommt es grundsätzlich nicht an.

Bereits im Rahmen des Gesetzes zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVInsAG) hatte der Gesetzgeber den Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung temporär auf vier Monate verkürzt, sofern die Überschuldung des Schuldners auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen war (§ 4 S. 1 COVInsAG).

Im Rahmen des SanInsKG-E soll nunmehr erneut der Prognosezeitraum für die im Rahmen der Überschuldungsprüfung anzustellende Fortführungsprognose von zwölf auf vier Monate verkürzt werden. Im Unterschied zu § 4 S. 1 COVInsAG soll dies aber unabhängig von der Ursache für die Überschuldung gelten. Hintergrund der geplanten Verkürzung des Prognosezeitraums ist nach der Begründung des Entwurfs, dass in der durch außerordentliche Unsicherheiten sowie Preisvolatilitäten geprägten wirtschaftlichen Lage längerfristige Prognosen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden seien. Ziel dieser Änderung ist demnach insbesondere, zusätzliche Insolvenzen wegen Überschuldung aufgrund der derzeitigen Unsicherheiten hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Märkte und Preise zu vermeiden.

Insgesamt wird durch die Verkürzung des Prognosezeitraums der Insolvenzgrund der Überschuldung erheblich abgemildert und entschärft, da nunmehr trotz bilanzieller Überschuldung keine insolvenzrechtliche Überschuldung im Sinne von § 19 InsO vorliegt, wenn eine positive Fortführungsprognose über den – verhältnismäßig kurzen – Zeitraum von vier Monaten besteht.

II. Anhebung der Höchstfrist zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung

Seit dem 1. Januar 2021 sieht § 15a Abs. 1 S. 2 InsO im Falle der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung unterschiedliche Höchstfristen für die Stellung des Insolvenzantrages vor. Für die Zahlungsunfähigkeit gilt eine Höchstfrist von drei Wochen; für die Überschuldung von sechs Wochen. Dabei handelt es sich jedoch um Höchstfristen, welche nur dann ausgenutzt werden dürfen, wenn ein sorgfältiger Geschäftsleiter bei objektiv nachprüfbarer Abwägung zu dem Ergebnis kommt, dass das Zuwarten mit der Antragstellung zur Umsetzung von erfolgsversprechenden Sanierungsmaßnahmen im Interesse der Gläubiger ist.

Die Höchstfrist bezüglich der Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung soll nun vorübergehend bis zum 31. Dezember 2023 von sechs auf acht Wochen angehoben werden. Hintergrund ist die Überlegung, dadurch dem Schuldner zu ermöglichen, laufende Sanierungsbemühungen erfolgreich abzuschließen oder Sanierungsmechanismen nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) oder die Durchführung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung (siehe dazu unten) ordentlich und gewissenhaft vorzubereiten.

Von der geplanten Reform insgesamt unberührt bleibt der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit. Bezüglich der Zahlungsunfähigkeit gilt nach wie vor die Pflicht zur unverzüglichen Stellung eines Insolvenzantrags bzw. innerhalb der Höchstfrist von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 15a Abs. 1 S. 2 InsO).

III. Verkürzung der Planungszeiträume für die Erstellung von Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen

Ebenfalls vor dem Hintergrund der bestehenden Prognoseunsicherheiten sollen die Planungszeiträume für die Erstellung von Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen von sechs auf vier Monate verkürzt werden.

Im Rahmen der Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) ist der Schuldner berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters im Insolvenzverfahren über die Insolvenzmasse zu verfügen. Damit ein Insolvenzgericht die Eigenverwaltung anordnet, muss der Schuldner gemäß § 270a Abs. 1 InsO unter anderem dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung eine Eigenverwaltungsplanung beifügen. Kernbestandteil der Eigenverwaltungsplanung ist ein Finanzplan über einen Zeitraum von sechs Monaten, welcher eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden sollen, § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Dieser Zeitraum für den Finanzplan wird nun um zwei Monate verkürzt, was grundsätzlich zu einer Erleichterung im Rahmen der Eigenverwaltungsplanung führen könnte. Jedoch darf nicht verkannt werden, dass die Finanzierung des Eigenverwaltungsverfahrens essentiell für eine erfolgreiche Sanierung in der Eigenverwaltung ist und das Eigenverwaltungsverfahren oftmals über einen längeren Zeitraum andauert und während des gesamten Zeitraums die Finanzierung gewährleistet sein muss. Die tatsächlichen Erleichterungen dürften sich daher in engen Grenzen halten.

Unter dem zum 01.01.2021 neu in Kraft getretenen StaRUG kann ein Schuldner unter anderem eine Stabilisierungsanordnung des Restrukturierungsgerichts gemäß §§ 49 ff. StaRUG beantragen. Entsprechend zu dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung ist dem Antrag auf Erlass einer Stabilisierungsanordnung eine Restrukturierungsplanung beizufügen, welche insbesondere einen Finanzplan enthalten muss, der den Zeitraum von sechs Monaten umfasst und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des Unternehmens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll (§ 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG). Wie für die Eigenverwaltungsplanung ist auch für diese Finanzplanung eine Reduzierung des Prognosezeitraums auf nunmehr vier Monate geplant.

IV. Fazit & Ausblick

Von den geplanten Änderungen dürfte die Verkürzung des Prognosezeitraums bei der Fortführungsprognose im Rahmen der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung von zwölf auf vier Monate die mit Abstand bedeutsamste Änderung sein. Durch die Verkürzung des Prognosezeitraums verliert der Insolvenzgrund der Überschuldung erheblich an Schärfe.

Die praktischen Erleichterungen der weiteren geplanten Änderungen dürften sich jedoch in engen Grenzen halten, da insoweit die maßgeblichen Zeiträume – gerade im Vergleich zur deutlichen Reduktion des Prognosezeitraums bei der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung – eher maßvoll angepasst werden sollen.

Ob der Gesetzgeber aufgrund der wirtschaftlichen und (außen-)politischen Unsicherheiten sowie den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Lage weitere insolvenzrechtliche Reformen zur Bewältigung dieser Situation unternehmen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls dürfte es nicht auszuschließen sein, dass die zunächst nur temporären Änderungen – wie im Falle des COVInsAG auch – verlängert werden.

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