Update: Coronavirus – dürfen Veranstaltungen verboten werden?

Nach anfänglichem Zögern wurden auch in Deutschland Veranstaltungsverbote angeordnet, um die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 zu verhindern. Unsere Nachbarländer waren deutlich schneller: Die Schweiz untersagte bereits am 28. Februar alle Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen. In Frankreich wurden am 4. März Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen verboten.

Am 8. März empfahl der Bundesgesundheitsminister, auch in Deutschland Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen abzusagen. Das staatliche Robert Koch-Institut war in seiner Handlungsempfehlung vom 18. März eher zurückhaltend:

„Grundsätzlich ist möglich, die Veranstaltung durchzuführen, unter Auflagen zu erlauben, das Format anzupassen, aber auch die Verschiebung oder Streichung der Veranstaltung sind möglich.“

Diese Zurückhaltung teilten jedoch nicht alle. So verbot beispielsweise die Stadt Frankfurt am Main am 13. März alle Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern im Stadtgebiet. Schließlich verordnete die hessische Landesregierung am 22. März ein allgemeines Kontaktverbot, was ein Verbot von Veranstaltungen einschließt.

Wer darf was?

Gesetzliche Grundlage für das verbindliche Verbot von Veranstaltungen ist das Infektionsschutzgesetz. Nach § 28 können bei Infektionsgefahr die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ angeordnet werden, insbesondere auch Beschränkungen und Verbote von Veranstaltungen. Möglich sind dabei Anordnungen an einzelne Veranstalter, Allgemeinverfügungen für eine Vielzahl von Veranstaltungen oder Rechtsverordnungen für alle Veranstaltungen eines Bundeslandes.

Trotz dieser gesetzlichen Regelung konnte aber der Bundesgesundheitsminister keine Verbote aussprechen, weil hierfür die Behörden vor Ort zuständig sind. In Hessen sind dies die Gesundheitsämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten. Besteht die Infektionsgefahr im gesamten Bundesland, können die Landesregierungen mit einer Rechtsverordnung reagieren.

Entschädigung

Für Veranstalter kann ein Verbot zu erheblichen finanziellen Einbußen führen. Leider ist die Frage der Entschädigung im Infektionsschutzgesetz nur sehr lückenhaft geregelt. Eine ausdrückliche Regelung gibt es für den Verdienstausfall bei einer Quarantäne, nicht jedoch bei einem Veranstaltungsverbot.

Dies muss jedoch nicht das letzte Wort sein. Schon das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 sah in vergleichbaren Fällen eine Entschädigung vor:

„Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine besondern Rechte und Vortheile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genöthigt wird, zu entschädigen gehalten.“

Diesen „Aufopferungsanspruch“ gibt es auch noch in der heutigen Rechtsordnung. Beispielsweise sehen die Polizeigesetze der Bundesländer (in Hessen: § 64 HSOG) eine Entschädigung vor, wenn jemand durch eine behördliche Maßnahme zur Gefahrenabwehr einen Schaden erleidet, obwohl er die Gefahr nicht verursacht hat. Unabhängig von einer gesetzlichen Regelung sprechen Gerichte im Einzelfall kraft Gewohnheitsrecht eine Entschädigung wegen Aufopferung zu.

Da der Veranstalter durch ein Verbot genötigt wird, seine Vorteile (Einnahmen) für das Gemeinwohl (Gesundheit) aufzuopfern, erscheint ein Anspruch auf Entschädigung nicht kategorisch ausgeschlossen. Dabei wird es auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Handelt es sich um eine einmalige oder regelmäßige Veranstaltung? Hätte der Veranstalter seine Verluste reduzieren können, indem er die Veranstaltung ins Internet verlegt? Muss er Eintrittsgelder in bar erstatten oder kann er Gutscheine ausgeben, wie dies von der Bundesregierung vorgeschlagen wird?

Diese und weitere Fragen werden voraussichtlich in den nächsten Monaten die Gerichte beschäftigen.

Vorher zum Verwaltungsgericht?

Aus Sicht des Veranstalters hat der gewohnheitsrechtliche Aufopferungsanspruch einen Nachteil: Der Staat muss nur bei einem rechtmäßigen Verbot bezahlen. Wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit besteht, muss der Veranstalter daher zunächst versuchen, das Verbot vom Verwaltungsgericht aufheben zu lassen.

Dies gilt auch bei halb-freiwilligen Absagen. So wurde beispielsweise die Tourismus-Messe ITB Berlin nicht vom zuständigen Gesundheitsamt, sondern vom Veranstalter abgesagt. In seiner Presseerklärung macht er die strengen Auflagen des Gesundheitsamts für die Absage verantwortlich. In einem solchem Fall sieht es für einen Aufopferungsanspruch schlecht aus, wenn sich der Veranstalter nicht gerichtlich gegen die Auflagen gewehrt hat.

Mittlerweile gibt es die ersten Gerichtsentscheidungen zu virusbedingten Veranstaltungsverboten. Bereits am 13. März entschied das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem Eilverfahren, dass das Verbot einer Veranstaltung (Late Night Shopping) voraussichtlich rechtmäßig ist. Wegen der hohen Infektionsgefahr bei einer Veranstaltung sei das Verbot erforderlich. Ähnlich sah dies der Hessische Verwaltungsgerichtshof bei einer geplanten Demonstration.

Einfach ignorieren?

Ein behördliches Verbot einfach zu ignorieren, dürfte übrigens keine empfehlenswerte Option sein. In diesem Fall drohen dem Veranstalter nämlich ein Bußgeld oder bis zu zwei Jahre Gefängnis.

Fazit

Aus Sicht des Veranstalter wäre es die optimale Lösung, wenn zusammen mit dem Verbot auch eine Entschädigung ausgesprochen wird. Andernfalls muss er sich entscheiden, ob und wie er seine Rechte wahrt.

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