Update: Rechtliche Auswirkungen der Corona-/Covid-19 Pandemie auf Bauprojekte UPDATE vom 27.03.2020
Die offiziell als Pandemie eingestufte Ausbreitung von Covid-19 hat in Form der Schließung von Kindergärten, Schulen und zahlreichen öffentlichen Einrichtungen bereits erhebliche, spürbare Auswirkungen auf unser Privatleben. Auch in den meisten Unternehmen werden sich bereits Beeinträchtigungen bemerkbar machen, und wirtschaftliche Schäden sind absehbar. Das hiervon auch die Bauwirtschaft betroffen sein wird, liegt auf der Hand. Insbesondere sind Verzögerungen zu befürchten, weil z. B. Lieferengpässe bestehen oder (Nach-) Unternehmer ausfallen.
Mit diesem Beitrag wollen wir der Bauwirtschaft einen ersten Leitfaden an die Hand geben, wie mit den gängigsten Fragestellungen in diesem Zusammenhang umzugehen ist. Aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen habe ich den Beitrag etwas ausgeweitet und bezüglich der Kündigung nach § 643 BGB meine Auffassung geändert.
Auftraggeberpflichten
Zunächst einmal ist zu überlegen, wie es mit der Erfüllung der eigenen Verpflichtungen des Auftraggebers aussieht, wobei das Rechtssystem zwischen „echten“ Pflichten und sogenannten Obliegenheiten unterscheidet. Die „echten“ Pflichten des Auftraggebers beschränken sich in der Regel auf drei, nämlich:
- Die Bezahlung des Werklohns,
- die Abnahme des vertragsgerecht hergestellten Werkes und
- die Lieferung der Planung (ausdrücklich in § 3 Abs. 1 VOB/B, gilt grundsätzlich auch im BGB-Bauvertragsrecht). Gerade hier sind selbstverständlich andere Vertragsgestaltungen möglich und üblich.
An der Verpflichtung zur Bezahlung des Werklohns wird sich auch in der derzeitigen Situation nichts ändern. In der Rechtsprechung gilt der harte Grundsatz „Geld hat man zu haben“ oder mit etwas gesetzteren Worten: Wer ein finanzielle Verpflichtung eingeht, ist uneingeschränkt verantwortlich dafür, diese auch erfüllen zu können. Auch, wenn der Auftraggeber in Folge der Pandemie also einen Liquiditätsengpass haben sollte, ändert das nichts an seiner Verpflichtung zur Zahlung (fälligen) Werklohns. Hier ist im Fall der Fälle Verhandlungsgeschick gefragt, um nicht z. B. eine Leistungseinstellung oder gar Kündigung des Auftragnehmers zu riskieren.
Die Abnahme des Werkes ist wohl mit den geringsten Probleme behaftet. Die Abnahme besteht aus der körperlichen Entgegennahme der Leistung und deren Billigung als im Wesentlichen vertragsgerecht. Die körperliche Entgegennahme wird in der Regel (insbesondere bei vereinbarter förmlicher Abnahme) mit einer Begehung verbunden sein, die je nach Bauvorhaben zeitaufwändig sein kann. Hier könnte es u. U. an Personal des Auftraggebers fehlen, um die Begehung durchzuführen. Die Billigung ist eine Willenserklärung des Auftraggebers, die in aller Regel problemlos sein sollte. Fällt allerdings der Vertretungsberechtigte aus, kann es auch hier zu zeitlichen Problemen kommen. Eine Bevollmächtigung Dritter ist aber problemlos möglich, so dass man hier ggf. vorbeugen kann.
Kommt es zu einer Verzögerung der Abnahme, gerät der Auftraggeber – vorausgesetzt, das Werk ist abnahmefähig – insoweit in Annahmeverzug. Wichtigste Folge des Annahmeverzugs ist, dass die Leistungsgefahr auf den Auftraggeber übergeht. Das heißt, dass der Auftragnehmer im Fall einer zufälligen Verschlechterung oder des Untergangs der Werkleistung nicht haftet. Achtgeben sollte der Auftraggeber zudem, dass der Auftragnehmer den Engpass des Auftraggebers nicht ausnutzt, um die Abnahmewirkungen auf andere Weise herbeizuführen, z. B. über die Fristsetzung nach § 640 Abs. 1 S. 1 BGB. Hier wird zwar u. U. bei der Fristbemessung die aktuelle Ausnahmesituation zu berücksichtigen sein – der Auftraggeber sollte aber organisatorisch dafür sorgen, dass möglichst innerhalb der Frist reagiert und mindestens ein Mangel gerügt wird.
Sofern die Pflicht zur Lieferung der Planung nicht vertraglich auf den Auftragnehmer übertragen ist, kann es hier zu Schwierigkeiten auf Seiten des Auftraggebers kommen, wenn infolge z. B. einer Quarantäne-Anordnung oder schlicht erheblicher Krankheitsausfälle das Personal dazu fehlt. Dabei ist im Ergebnis gleichgültig, ob es sich um eigenes Personal oder – wie meist – um ein beauftragtes Planungsbüro handelt. Erfüllt der Auftraggeber diese Pflicht nicht rechtzeitig, kann er in Schuldnerverzug geraten, mit der Folge, dass dem Auftragnehmer Schadensersatzansprüche (nach § 6 Abs. 6 VOB/B und nach den § 280 Abs. 2, 286 BGB) zustehen können.
Verzug setzt stets Verschulden voraus. Hier stellt sich also die Frage, ob der Auftraggeber angesichts der Covid-19-Pandemie eine verzögerte Lieferung der Planung zu vertreten hat, sofern diese im Zusammenhang mit dem Corona-Virus steht. Das ist dann nicht der Fall, wenn ihm die Leistung infolge höherer Gewalt derzeit unmöglich ist; dann wird er nämlich vorübergehend von der Leistungspflicht frei. Der Begriff der höheren Gewalt wird zwar in Gesetz und VOB/B (§§ 6 und 7) erwähnt, aber nicht definiert. Man versteht darunter jedoch nach der Rechtsprechung ein von außen kommendes Ereignis, das auf eine unbestimmte Anzahl von Personen einwirkt, nicht den Sphären der Vertragspartner zuzuordnen ist sowie objektiv unabwendbar sowie unvorhersehbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.2004 – III ZR 108/03). Der Ausbruch von SARS 2002/2003 wurde durch reiserechtliche Rechtsprechung als höhere Gewalt eingestuft (AG Augsburg, Urteil vom 09.11.2004 – 14 C 4608/03; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.05.2017 – X ZR 142/15). Nach den vorstehenden Kriterien – von außen kommend, nicht aus der Sphäre der Parteien, auf eine unbestimmte Anzahl von Personen einwirkend und unvorhersehbar – ist mit hoher Sicherheit zu erwarten, dass die aktuelle Covid-19-Pandemie gerichtlich im Grundsatz für bestehende Verträge als höhere Gewalt eingeordnet werden wird.
Damit ist die Verschuldensfrage aber noch nicht geklärt, denn (zumindest) zwei Punkte sind jeweils im konkreten Einzelfall zu beachten:
- Zunächst einmal ist zu überlegen, ob Ursache für das konkrete Leistungshindernis denn tatsächlich die Pandemie ist oder ob es für das Leistungshindernis nicht einen anderen Grund So kommt es z. B. auf die vertragliche Gestaltung an, ob der Bauherr verpflichtet ist, die von ihm geschuldete Planung direkt vollständig zur Verfügung zu stellen oder ob er baubegleitend planen (lassen) darf. Ist er verpflichtet, die Planung direkt vollständig zu liefern und hat er dies nicht getan, liegt hierin die Ursache für die Verzögerung und nicht im Ausbruch des Corona-Virus. Hier muss man sich also die vertraglichen Verpflichtungen genau anschauen.
- Zudem muss – wie oben erwähnt – das Ereignis unabwendbar Das wiederum heißt: Das Leistungshindernis ist mit zumutbaren Maßnahmen nicht zu beseitigen. Der Auftraggeber, dem infolge des Coronavirus das Personal für die Planung wegbricht, muss also jedenfalls ernsthaft versuchen, für Ersatz zu sorgen. Erst, wenn ihm dies nachweislich nicht gelingt, wird er infolge der höheren Gewalt vorübergehend von der Leistungspflicht frei und gerät nicht in Verzug. Das Gleiche gilt für den eventuell vom Auftraggeber beauftragten Planer in seinem Verhältnis zum Auftraggeber.
Kommt man schlussendlich zu dem Ergebnis, dass der Auftraggeber die Verzögerung nicht verschuldet hat, scheiden Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers in diesem Zusammenhang aus.
Obliegenheiten des Auftraggebers, Mitwirkungspflichten
Neben den „echten“ Vertragspflichten treffen den Auftraggeber Obliegenheiten. Diese kann man am besten beschreiben als Verpflichtungen gegenüber sich selbst. Der Vertragspartner kann sie zwar nicht einklagen, aber die Nichterfüllung hat negative Folgen für den zur Obliegenheit Verpflichten.
Im Bauvertrag geht es dabei in der Regel um Mitwirkungspflichten des Auftraggebers. Das sind z. B. die Übergabe eines für den Auftragnehmer geeigneten Baugrundstückes bzw. Objektes, die Zurverfügungstellung einer brauchbaren Vorunternehmerleistung oder die Beibringung der Baugenehmigung. In Frage kommen aber auch ausstehende Entscheidungen, Bemusterungen etc.
Gesetzliche Anspruchsgrundlage für den Auftragnehmer ist in solchen Fällen in erster Linie § 642 BGB. Demnach kann der Auftragnehmer, wenn der Auftraggeber durch Unterlassen einer Mitwirkungshandlung in Annahmeverzug gerät, eine angemessene Entschädigung verlangen. Problematisch ist dabei, dass dieser Anspruch verschuldensunabhängig ist, grundsätzlich also auch dann entsteht, wenn der Auftraggeber „nichts dafür kann“. Nach der herrschenden Meinung ist die Vorschrift jedoch dahingehend einzuschränken, dass die Ursache für die Verzögerung der Mitwirkungshandlung aus dem Risikobereich des Auftraggebers stammt (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 20.4.201 – VII ZR 194/13). Dazu gehört der Ausbruch einer nicht zu erwartenden Epidemie oder gar Pandemie sicherlich nicht. Aber auch hier wird es auf die beiden oben gestellten Frage ankommen, nämlich:
- Ist der Ausbruch der Covid-19-Pandemie tatsächlich die Ursache für das Hindernis? Wenn der Auftraggeber z. B. den Auftrag erteilt, bevor der die Baugenehmigung erhalten hat, ist dies – jedenfalls, wenn nicht vertraglich dazu ausdrücklich etwas geregelt ist – eine Ursache aus seinem Risikobereich.
- Waren die Auswirkungen des Coronavirus im konkreten Fall für den Auftraggeber vermeidbar oder nicht? Ähnlich wie oben zur höheren Gewalt erläutert, wird der Auftraggeber nachweisen müssen, dass er alles Zumutbare getan hat, um die Verhinderung der Mitwirkungshandlung im konkreten Fall zu vermeiden.
Bejaht man beide Fragen, entfällt der Entschädigungsanspruch.
Rechte und Pflichten der Auftragnehmer
Grundsätzlich können dem Auftragnehmer Schadensersatzansprüche wegen Verzugs (§ 6 Abs. 6 VOB/B oder §§ 280 Abs. 2, 286 BGB) oder Entschädigungsansprüche aus § 642 BGB entstehen, wenn der Auftraggeber seinen Pflichten oder Obliegenheiten nicht nachkommt. Mit diesen Ansprüchen haben wir uns oben bereits befasst.
Aber auch, wenn solche Ansprüche ausscheiden, kann dem Auftragnehmer wegen eines Hindernisses, das aus der Risikosphäre des Auftraggebers stammt, ein Anspruch auf Verlängerung der Bauzeit zustehen. Dieser folgt für den VOB-Bauvertrag aus § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B. Anders als der Anspruch auf Schadensersatz nach § 6 Abs. 6 VOB/B setzt der Anspruch auf Verlängerung der Bauzeit nämlich kein Verschulden des Auftraggebers voraus. Die gleichen Überlegungen gelten auch im BGB-Bauvertrag, da nach § 275 BGB die Leistungspflicht vorübergehend entfällt, solange diese unmöglich ist. Bringt also z. B. der Auftraggeber die geschuldete Planung nicht rechtzeitig bei, ohne dass ihm dabei ein Verschulden vorzuwerfen ist, steht dem Auftragnehmer dennoch ein Anspruch auf Fristverlängerung zu, denn die Behinderung stammt aus dem Risikobereich des Auftraggebers (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) VOB/B).
Ebenso kann dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfristen zustehen, wenn die Behinderung durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände verursacht ist, § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) VOB/B. Mit dem Begriff haben wir uns oben schon auseinandergesetzt. Es sind im Zusammenhang mit dem Corona-Virus insbesondere folgende Konstellationen denkbar:
- Der Auftragnehmer gerät in einen Covid-19-bedingten Lieferengpass. Wenn man ausschließen kann, dass der Auftragnehmer selbst etwas falsch gemacht (z. B. zu spät bestellt) hat, ist auch hier zu prüfen, ob die Behinderung für ihn unabwendbar So ist dem Auftragnehmer zuzumuten, dass es bei anderen Lieferanten als ursprünglich geplant ankauft, selbst wenn die Preise dabei deutlich höher ausfallen sollten. Das Beschaffungsrisiko liegt im Grundsatz beim Auftragnehmer. Er trägt allgemein das Risiko einer auskömmlichen Kalkulation, und es ist seine Sache, wie er den Preis eines Bauvertrages kalkuliert (BGH, Urteil vom 10. 9. 2009 – VII ZR 82/08). Eine Anpassung des Vertragspreises kommt daher nur in extremen Ausnahmefällen in Frage. Sollte sich aber herausstellen, dass er die Lieferung tatsächlich trotz aller zumutbaren Anstrengungen nicht erlangen kann, ist die Behinderung für ihn unabwendbar und die Ausführungsfristen sind entsprechend zu verlängern.
- Der Auftragnehmer gerät in einen Personalengpass. Auch hier liegt das Risiko grundsätzlich bei ihm. Es stellen sich also wiederum die beiden bekannten Fragen:
- Ist die Störung auf die Pandemie zurückzuführen? Das ist z. B. nicht der Fall, wenn die ausländischen Arbeiter aus Angst davor, demnächst nicht mehr nachhause zurückkehren zu können, die Baustelle verlassen. Es ist hingegen der Fall, wenn die Baustelle selbst, der beauftragte Nachunternehmer oder auch eigenes Personal unter Quarantäne gestellt werden. Zu prüfen ist auch, ob der Auftragnehmer Nachunternehmer einsetzen durfte. § 4 Abs. 8 VOB/B sieht im Grundsatz vor, dass die Leistungen selbst erbracht werden. Verstößt der Auftragnehmer gegen eine solche Verpflichtung, liegt die Ursache für den Personalengpass nicht in der Pandemie, sondern in diesem vertragswidrigen Verhalten.
- Ist die Behinderung für den Auftragnehmer unabwendbar oder nicht? Auch hinsichtlich des Personals wird der Auftragnehmer nachweisen müssen, dass er alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, den Personalengpass durch Ersatz, ggf. auch teureren Ersatz, zu beseitigen.
Je nach Beantwortung der vorstehenden Fragen im konkreten Fall kann dem Auftragnehmer also im Zusammenhang mit dem Corona-Virus ein Anspruch auf Bauzeitverlängerung entstehen. Dieser ist aber keineswegs offenkundig. Offenkundig ist lediglich, dass eine Pandemie ausgebrochen ist. Aber weder, dass diese sich auf die konkreten Leistungen des Auftragnehmers behindernd auswirkt, noch was die hindernden Auswirkungen sind, ist offenkundig. Sofern der Auftragnehmer also keine Behinderungsanzeige schreibt, ist zweifelhaft, ob er tatsächlich Anspruch auf Berücksichtigung der hindernden Umstände hat (§ 6 Abs. 1 S. 2 VOB/B).
Beendigung des Bauvertrags
Davon ausgehend, dass der konkrete Bauvertrag keine besonderen Regelungen enthält, können Bauverträge nach § 648a BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden. Für Bauverträge, die vor dem 01.01.2018 geschlossen worden sind, greift die Rechtsprechung auf die entsprechende Anwendung von § 314 BGB zurück. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann. Ob ein solcher Fall vorliegt, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Allerdings verlangt die Rechtsprechung für die außerordentliche Kündigung auch ein sogenanntes Zurechnungsmoment; d. h., dass der Kündigungsgrund zumindest in die Sphäre des Vertragspartners des Kündigenden fallen muss. Das ist bei der höheren Gewalt gerade nicht der Fall.
Weiter sieht § 643 BGB ein Kündigungsrecht des Auftragnehmers bei unterlassenen Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers vor. Demnach gilt der Vertrag als aufgehoben, nachdem eine angemessene Frist zur Nachholung der Mitwirkungshandlung fruchtlos abgelaufen ist. § 9 Abs. 2 VOB/B regelt diesen Fall mit der Abwandlung, dass nach Ablauf der Nachfrist die Kündigung noch ausgesprochen werden muss. Der Annahmeverzug, in welchen der Auftraggeber hierbei nach § 642 BGB geraten muss, tritt grundsätzlich verschuldensunabhängig ein. Ob hier ein Korrektiv erforderlich ist für den Fall, dass die Störung nicht aus dem Risikobereich des Auftraggebers stammt, ist – soweit ersichtlich – bislang nicht geklärt. Einerseits geht es hier nicht um eine Entschädigung, sondern um die Möglichkeit, sich aus einer wirtschaftlich unbefriedigenden Situation zu befreien. Andererseits würde eine uneingeschränkte Anwendung aber zu dem Ergebnis führen, dass im Fall des Verzugs des Auftraggebers mit einer Leistungspflicht der Auftragnehmer nicht kündigen kann, bei unterlassener Mitwirkungshandlung aber doch. Außerdem würde einerseits der Entschädigungsanspruch entfallen, andererseits wäre aber der schwerere Einschnitt, die Kündigung, möglich. Daher meine ich im Ergebnis (anders, als noch in der ersten Fassung dieses Beitrags!), dass das Kündigungsrecht dahingehend einzuschränken ist, dass bei einem Unterlassen, das auf die aktuelle Krisensituation zurückzuführen ist, die Kündigung nach § 643 BGB oder § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B unzulässig ist.
Darüber hinaus haben die Parteien im VOB-Vertrag die Kündigungsmöglichkeit des § 6 Abs. 7 VOB/B. Danach kann jede Partei den Vertrag kündigen, wenn die Unterbrechung der Leistungen länger als drei Monate andauert und dies nicht auf eine Störung aus dem eigenen Risikobereich zurückzuführen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.1997 – VII ZR 64/96). Unterbrechung heißt in diesem Fall, dass nichts mehr geschehen kann, was unter Zugrundelegung der dem Auftragnehmer vertraglich auferlegten Leistungspflichten mit zur unmittelbaren Leistungserstellung und damit zum Leistungsfortschritt als solchem gehört (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2008 – I-21 U 22/07). Im Grunde geht es um den völligen Stillstand der Hauptleistungen. Hintergrund und Sinn und Zweck der Regelung ist, die Parteien aus einem unbilligen Zustand befreien zu können, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, wer für diese Situation verantwortlich ist (eingeschränkt nur für den Fall, dass eine Partei die Situation bewusst herbeigeführt hat). Daher ist meine Meinung, dass die Regelung auch im Fall der Covid-19-Pandemie uneingeschränkt Geltung erfährt.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B kann der Auftragnehmer den Vertrag kündigen, wenn der Auftraggeber in Schuldnerverzug gerät, insbesondere schuldhaft eine fällige Zahlung trotz Setzens einer angemessenen Frist mit Kündigungsandrohung nicht leistet. Aufgrund des Grundsatzes, dass man Geld zu haben hat, wird hier eine Entschuldigung mit Hinweis auf die höhere Gewalt nicht weiterhelfen, so dass der Auftragnehmer auch in der derzeitigen Krise kündigen kann, wenn der Auftraggeber seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Der Zahlungsverzug des Bestellers (Auftraggebers) kann auch im BGB-Bauvertrag einen wichtigen Grund für eine Kündigung nach § 648a BGB darstellen.
Schließlich ist noch an § 313 Abs. 3 BGB zu denken. Demnach ist eine Kündigung im Fall einer Störung der Geschäftsgrundlage grundsätzlich denkbar. Allerdings sind die Hürden hier sehr hoch, und die Beendigung des Vertrages ist nur ultima ratio, der eine Vertragsanpassung vorgeht. Eine Vertragsbeendigung nach § 313 Abs. 3 BGB kommt daher nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht.
Ansprüche Dritter, z. B. von Mietern
Es stellt sich schließlich noch die Frage, welche Ansprüche eventuell von Dritten an den Bauherrn herangetragen werden könnten. Der gängigste Fall dürfte der sein, dass der Bauherr das Objekt bereits vermietet hat und ihm nun wegen der verspäteten Übergabe Mietausfälle und/oder Vertragsstrafen drohen. Hiermit befasst sich unser Beitrag zum Mietrecht in der Corona-Krise.
Fazit
Die aktuelle Situation bringt große, insbesondere zeitliche Probleme für laufende Baustellen mit sich. Dabei sind deren Folgen, wenn sich alle vertragsgerecht verhalten, letzten Endes von beiden Parteien gleichermaßen zu tragen: Der Auftraggeber muss mit einer Verzögerung der Baustelle rechnen, für welche er den Auftragnehmer nicht zur Rechenschaft ziehen kann. Der Auftragnehmer hat u. U. laufende Kosten aus der Verlängerung der Bauzeit, für welche er aber keinen Ersatz verlangen kann.
Unter Rückgriff auf den Kooperationsgedanken des BGH halte ich es daher für empfehlenswert, dass die Parteien frühzeitig aufeinander zugehen und einvernehmliche Regelungen für den Umgang mit der derzeitigen Situation treffen. Auf diese Weise lassen sich sowohl die zeitlichen als auch die finanziellen Auswirkungen der Pandemie am besten kontrollieren, und der spätere Fortgang der Baumaßnahme kann auf „sichere Füße gestellt“ werden.
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