Virtuelle Haupt- und Mitgliederversammlungen auch im Jahr 2021 – Was gilt?

Im Blogbeitrag „Erhebliche Erleichterungen auch im Gesellschaftsrecht“ vom 23. März 2020 haben wir über die schnelle gesetzgeberische Reaktion auf die Covid-19 Pandemie mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht („Covid-19-Gesetz“) berichtet und eine rechtliche Einschätzung zu den neuen Regelungen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts abgegeben. Der Gesetzgeber hat mit Art. 2 des Covid-19-Gesetzes das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie („COVMG“) mit Wirkung zum 28. März 2020 geschaffen.

I. Geltungsdauer auch im Jahr 2021

Die Regelungen im COVMG waren ursprünglich bis zum 31. Dezember 2020 befristet. Gemäß § 8 COVMG ist „[d]as Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz […] ermächtigt [worden], durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Geltung der §§ 1 bis 5 gemäß § 7 bis höchstens zum 31. Dezember 2021 zu verlängern, wenn dies aufgrund fortbestehender Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in der Bundesrepublik Deutschland geboten erscheint.“

Das BMJV hat von dieser Ermächtigung mit der am 28. Oktober 2020 im Bundesgesetzblatt verkündeten und zum 29. Oktober 2020 in Kraft getretenen Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie Gebrauch gemacht. Die Reglungen des COVMG gelten nunmehr bis zum 31. Dezember 2021.

Einzelheiten zu den gegenständlichen Regelungen finden Sie in unserem Blogbeitrag „Erhebliche Erleichterungen auch im Gesellschaftsrecht“ vom 23. März 2020.

II. Neue Regelungen für die virtuellen Haupt- und Mitgliederversammlungen ab dem 28.02.2021

Kurz vor Jahresende ist der Gesetzgeber erneut tätig geworden. Der Bundestag hat am 22. Dezember 2020 das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht („COVMG-AnpassungsG“) beschlossen. Das Gesetz enthält wichtige Reglungen für die Haupt- und Mitgliederversammlungssaison 2021. Die Neuregelungen stärken die Aktionärsrechte, schaffen mehr Rechtssicherheit und sind insgesamt zu begrüßen.

Die Gesetzesänderungen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts treten gemäß Art. 14 des COVMG-AnpassungsG abweichend von den übrigen Gesetzesänderungen erst am 28. Februar 2021 in Kraft, wiederum befristet bis zum 31. Dezember 2021. Die Haupt- und Mitgliederversammlungen sind daher ab März 2021 (bis zum 31. Dezember 2021) nach den Neuregeln durchzuführen.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Regelungsaspekte:

1. Fragerecht statt Fragemöglichkeit der Aktionäre und Antwortpflicht des Vorstandes

Nachgebessert wurde zunächst die Interaktion mit den Aktionären. Zukünftig soll ein Aktionär im Rahmen einer virtuellen Hauptversammlung ein Fragerecht haben, das bis zu einem Tag vor der virtuellen Hauptversammlung elektronisch geltend zu machen ist. Bislang sah § 1 II 1 Nr. 3 COVMG lediglich eine „Fragemöglichkeit“ vor, welche, wie der Begriff bereits verdeutlicht, kein Recht auf Antwort beinhaltet. Durch das COVMG-AnpassungsG wird die Fragemöglichkeit zu einem Fragerecht fortentwickelt. Der Begriff „Fragemöglichkeit“ wird entsprechend durch den Begriff „Fragerecht“ ersetzt.

Diese Gesetzesänderung korrespondiert mit der Ermessensreduktion des Vorstandes in dem neuen § 1 Abs. 2 S. 2 COVMG. Nach der derzeitigen Regelung in § 1 Abs. 2 S. 2 COVMG bezieht sich das pflichtgemäße, freie Ermessen des Vorstands sowohl auf das „Ob“ als auch das „Wie“ der Beantwortung der von den Aktionären gestellten Fragen. Durch das COVMG-AnpassungsG wird dieses Ermessen auf das „Wie“ der Beantwortung reduziert, sodass die Aktionärsfragen grundsätzlich zu beantworten sind. Dem Vorstand bleibt es jedoch weiterhin überlassen, inhaltlich gleiche oder ähnliche Fragen zusammenzufassen und einheitlich zu beantworten, wenn ihm das sinnvoll erscheint.

Der Gesetzgeber bildet mit diesen Gesetzesänderungen im Wesentlichen die weit überwiegende Praxis aus der vergangenen Hauptversammlungssaison 2020 ab. Sehr viele Unternehmen hatten sich ohnehin eigenverantwortlich dazu entschieden, alle eingegangenen Aktionärsfragen zu beantworten.

2. Fiktionslösung für Anträge und Wahlvorschläge der Aktionäre

Das COVMG-AnpassungsG sieht ferner vor, dass Anträge oder Wahlvorschläge (§§ 126, 127 AktG) von Aktionären in der virtuellen Hauptversammlung so zu behandeln sind, als wären sie in dieser (nochmals) gestellt worden, wenn sie der Gesellschaft rechtzeitig zugegangen sind, der Aktionär ordnungsgemäß legitimiert, also seinen Anteilsbesitz nachgewiesen hat, und zur Hauptversammlung angemeldet ist (sog. Fiktionslösung). Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass eine – nach allgemeiner Auffassung erforderliche – (nochmalige) Antragstellung im Rahmen der Hauptversammlung nicht möglich ist, wenn den elektronisch teilnehmenden Aktionären kein Antragsrecht gewährt wird oder den Aktionären die einzuräumende Stimmrechtsausübung lediglich im Wege der Briefwahl ermöglicht wird.

Die Gesetzesänderung schafft auch an dieser Stelle Rechtssicherheit für die ohnehin im vergangenen Jahr von vielen Aktiengesellschaften praktizierte Vorgehensweise und stärkt die Aktionärsrechte ohne die Abhaltung von virtuellen Hauptversammlungen zu erschweren.

3. Keine Einberufungspflicht für Vereinsvorstände?

Viele kleine Vereine verfügen nicht über ausreichende Mittel, um die jährliche Mitgliederversammlung als virtuelle Mitgliederversammlung gemäß § 5 Abs. 2 COMVG durchzuführen. Es gibt zudem auch Vereine, die aufgrund ihrer Altersstruktur nicht bereit oder in der Lage sind, eine virtuelle Mitgliederversammlung durchzuführen. In der Fachliteratur wurde zwar teilweise unter bestimmten Voraussetzungen die Aussetzung der Einberufungspflicht für kleinere Vereine, bei welchen die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist, befürwortet (s. Blogbeitrag „Haftungsfragen bei der Absage einer Präsenz-Mitgliederversammlung bei Vereinen“ vom 27. Oktober 2020). Doch waren viele Vereinsvorstände im vergangenen Jahr unsicher, wie sie sich verhalten sollen und ob sie von der Möglichkeit der virtuellen Mitgliederversammlung Gebrauch machen müssen, um etwa die eigene Haftung zu vermeiden. Diese Frage hat sich oft auch bei Vereinsvorständen gestellt, die eine bereits einberufene Präsenz-Mitgliederversammlung aufgrund behördlicher Vorgaben absagen mussten.

Der Gesetzgeber hat auch darauf regiert und mit dem neu eingefügten § 5 Abs. 2a COVMG klargestellt, dass der Vorstand abweichend von § 36 BGB nicht verpflichtet ist, die in der Satzung vorgesehene ordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliedersammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.

4. Elektronische Kommunikation und Erleichterte Beschlussfassung auch für die Vorstände von Vereinen und Stiftungen

Schließlich war bislang unklar, ob die Regelungen in § 5 Abs. 2 und 3 COVMG bezüglich der Durchführung von virtuellen Mitgliederversammlungen und zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren auch für andere Vereins- und Stiftungsorgane gelten sollen, bei denen ebenfalls ein Bedürfnis besteht, die Sitzung im Wege der elektronischen Kommunikation durchzuführen und Beschlüsse außerhalb der Versammlung zu fassen. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich Abhilfe geschaffen und in dem neu eingefügten § 5 Abs. 3a) COVMG geregelt, dass § 5 Abs. 2 und Abs. 3 COVMG entsprechend auch für den Vorstand von Vereinen und Stiftungen gelten.  

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