Wettbewerbsrecht Update – Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs

Am 10.09.2020 hat der Bundestag das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ beschlossen, welches mit Ausnahme der Regelungen zur Anspruchsberechtigung am 02.01.2021 in Kraft getreten ist (BGBl. 2020 I S. 2568). Mit diesem Gesetz einher gehen zahlreiche Änderungen im „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG), welche eine hohe Praxisrelevanz aufweisen.

Das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ soll die gesetzgeberische Antwort auf die zunehmende Zahl rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen sein und damit zu einer Stärkung des Wettbewerbs im Interesse der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer beitragen. Liegt hierin also „das Ende der Abmahnindustrie?“1

Was ändert sich nun?

Im Bereich des UWG betrifft das Gesetz vor allem vier Aspekte:

  • Erhöhung der Anforderungen an die Befugnis zur Geltendmachung von Ansprüchen nach dem UWG
  • der sog. „Missbrauchstatbestand“
  • Verringerung von finanziellen Anreizen für Abmahnungen durch Anpassung der inhaltlichen Anforderungen an eine Abmahnung sowie Begrenzung der Höhe von Vertragsstrafen
  • „Neuordnung“ der Zuständigkeitsvorschriften der Gerichte

Die Änderungen im Einzelnen

I. Die Mitbewerbereigenschaft

Nach der bisherigen Rechtslage war es jedem Gewerbetreibenden erlaubt, gegen wettbewerbswidrige Handlungen anderer Gewerbetreibenden mittels eines Unterlassungsanspruchs im Sinne des § 8 Abs. 1 UWG vorzugehen, wenn diese zueinander in einem irgendwie gearteten Wettbewerbsverhältnis stehen. Diese weitreichende Befugnis wird durch den zum Ende des Jahres in Kraft tretenden § 8 UWG nF nunmehr eingeschränkt. Künftig ist Anspruchsberechtigter im Sinne dieser Norm nur noch derjenige Mitbewerber „der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichen Maßen und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt“. Ziel der Novellierung ist es, das Recht Unterlassung zu fordern auf diejenigen zu beschränken, die tatsächlich betroffen sind, wobei ausweislich der Gesetzesbegründung an die diesbezüglichen Anforderungen nicht allzu hohe Hürden zu stellen sind.

II. Die Klagebefugnis von Wirtschaftsverbänden

Aktuell sind über § 8 Abs.3 Nr. 2 UWG rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen klagebefugt, soweit diese den materiellen Anforderungen der Norm (also insbesondere eine gewisse Größe haben und das satzungsmäßige Ziel der Durchsetzung gewerblicher Interessen verfolgen) entsprechen. Bis dato wird das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür durch das entsprechende Gericht im Verfahren überprüft. Die Neuregelung lagert diese Prüfung nunmehr aus und führt eine Liste der sog. „qualifizierten Wirtschaftsverbände“ ein, welche durch das Bundesamt der Justiz geführt wird. Anspruchsberechtigt ist ab dem 01.12.2021 damit nur noch, wer in dieser Liste aufgeführt ist. Dies wird seitens des Gesetzgebers damit legitimiert, dass es für die Gerichte nicht immer nachprüfbar sei, inwieweit ein Wirtschaftsverband tatsächlich den Anforderungen entspricht und sieht die Änderung als Reaktion auf Missbrauchsbeschwerden.

III. Der „neue“ Missbrauchstatbestand

Der vormals in § 8 Abs. 4 UWG verortete Missbrauchstatbestand wurde mit Wirkung zum 02.01.2021 ausgelagert und findet sich nun in einer eigenen Vorschrift, § 8c UWG. Inhaltlich entspricht die Norm der alten Fassung, ergänzt um sieben Regelbeispiele. Der Gesetzgeber nennt als Fälle des Missbrauchs nunmehr explizit Fälle des reinen Gewinnerzielungsinteresses und verbietet unter anderem ausdrücklich sog. Abmahnwellen, indem er erhebliche Zahlen von Abmahnungen gegen Verstöße gegen die gleiche Rechtsvorschrift als rechtsmissbräuchlich qualifiziert. Ebenso sind Abmahnung hiernach verboten, wenn sie einen unangemessen hohen Gegenstandswert oder eine überhöhte Vertragsstrafe aufweisen.

IV. Die Abmahnung

Die Abmahnung, also „die Mitteilung eines Anspruchsberechtigten an einen Verletzer, dass er sich durch eine im Einzelnen bezeichnete Handlung wettbewerbswidrig verhalten habe, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen und binnen einer bestimmten Frist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben“ (Begr. RegE BT-Drs. 15/1487, S. 25) muss künftig formelle Voraussetzungen zwingend erfüllen, um einen Aufwendungsersatzanspruch des Abmahnenden zu begründen. Wird eine Abmahnung diesen Anforderungen nicht gerecht, so kann dies Gegenansprüche des Abgemahnten begründen (§ 13 Abs. 5 UWG).

V. Sonderfall: Informations- und Kennzeichnungspflichten

Gemäß § 13 Abs. 4 UWG sind künftig Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen für eine Abmahnung durch klagebefugte Mitbewerber ausgeschlossen, wenn es sich um Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten handelt, die auf Telemedien begangen werden oder um sonstige Verstöße gegen die DSGVO oder das BDSG durch Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen sowie vergleichbare Vereine, soweit diese gewerblich tätig sind.

Im Onlinehandel werden bis dato ein Großteil der Abmahnungen wegen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten ausgesprochen. Die Neufassung will die Anreize verringern, auch mittels Software und gezielter Suchen solche Wettbewerbsverstöße zu Geld zu wandeln.

Als Beispiele für Kennzeichnungs- und Informationspflichten in diesem Sinne nennt die Gesetzesbegründung § 5 TMG, Informationspflichten im Fernabsatzverträgen nach § 312d BGB, die Pflichten zur Widerrufsbelehrung und die Vorschriften der Preisangabenverordnung (BT-Drs. 19/12084, S. 32).

Nichtsdestotrotz soll dies nicht als „Freifahrtschein“ verstanden werden, denn der Aufwendungsersatzanspruch der sonst Anspruchsberechtigten bleibt aufrechterhalten, sodass die ordnungsgemäße Umsetzung dieser Pflichten keineswegs vernachlässigt werden darf.

VI. Vertragsstrafe

Die Vertragsstrafe ist quasi das Druckmittel, um weitere Verstöße einzudämmen. Im Allgemeinen gilt hier, dass die Vertragsstrafe im Einzelnen so hoch sein muss, dass der Verletzer voraussichtlich keine weiteren Verletzungen begehen wird. § 13a UWG kodifiziert nun die in der Literatur und Rechtsprechung anerkannten Grundsätze, nach denen sich die Höhe einer solchen Vertragsstrafe bemisst und begrenzt zudem die Vertragsstrafe bei einfach gelagerten Fällen auf 1.000 €.

VII. Gerichtsstand

Die zuletzt bedeutsame Änderung findet sich in § 14 UWG – dem Gerichtsstand. Vor allem bei Online-Verstößen konnte sich der Abmahnende bislang selbst aussuchen, vor welchem Gericht er klagt, da öffentliche Inhalte regelmäßig an jedem Ort zur Kenntnis genommen werden können und damit der sog. „Gerichtsstand der unerlaubten Handlung“ faktisch überall sein kann. Jedenfalls in diesem Bereich der Telemedien und des Onlinegeschäftsverkehrs gilt nunmehr, dass das Gericht des Wohnorts bzw. des Geschäftssitzes der Beklagten, also des zuvor abgemahnten, zuständig ist.

Konsequenzen für die Praxis

Mit Ausnahme der Regelungen zur Klagebefugnis haben die vorgenannten Änderungen bereits Geltung und müssen daher beachtet werden. Mit der Änderung im UWG und weiteren Gesetzen verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, im Sinne eines fairen Wettbewerbs zugunsten der Verbraucher und Mitbewerber gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, um eine missbräuchliche Verwendung des Wettbewerbsrechts einzudämmen. Wenngleich es keine Änderungen in den materiellen Voraussetzungen eines Wettbewerbsverstoßes gibt, führen die vorgenommenen Änderungen jedoch zu einigen beachtenswerten und praxisrelevanten Neuerungen.

Die Einschränkung der aktivlegitimierten Mitbewerber ist zu begrüßen, wenngleich die gewählte Formulierung zunächst einer Konkretisierung durch die Rechtsprechung bedarf. Spannend wird es sein, ob die Rechtsprechung eine Linie findet, das neu geschaffene Kriterium handhabbar zu machen.

Betroffene bzw. Abgemahnte sollten künftig genau darauf achten, weshalb (insbesondere im Onlinegeschäftsverkehr) und wie sie abgemahnt wurden. Hierbei empfiehlt es sich nach wie vor, auf eine Abmahnung nicht voreilig zu reagieren und sicherheitshalber eine rechtliche Prüfung durchführen zu lassen – dies nun mehr denn je und insbesondere deshalb, weil dem Betroffenen effektive Gegenrechte zustehen können.

Auch lohnt es sich, einen Blick in vergangene Abmahnungen zu werfen und sich zu fragen, ob der Abmahnende fortwährend zur Aufrechterhaltung des Unterlassungsbegehrens berechtigt ist. Denn mit Geltung des § 8 UWG nF zum 01.12.2021 verliert möglicherweise der ein oder andere Abmahner seine Anspruchsberechtigung. Zwar kann dann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Schuldner der Unterlassungserklärung das Festhalten am Unterlassungsvertrag schlechterdings unzumutbar wäre. Dennoch kann dem Schuldner in diesem Fall ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 314 BGB zustehen (BGHZ 133, 316 – Altunterwerfung I; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 13, Rn. 208).

Insgesamt gilt daher, dass mit den Änderungen im UWG weitere Stellschrauben hinzukommen, um Wettbewerbsverstöße wirksam durchzusetzen. Ob das gesetzgeberische Ziel, die „Abmahnindustrie“ in ihre Schranken zu weisen mittels dieser Änderungen erreicht oder zumindest gefördert wird, bleibt abzuwarten und wäre durchaus wünschenswert.

1 https://www.n-tv.de/politik/Gesetz-schuetzt-Haendler-vor-Abmahnungen-article22088896.html

Ein Beitrag von

  • Dr. Christoph Matras