Frankfurt am Main,

Presseinformation: EuGH verhandelt über Vertrieb gebrauchter Softwarelizenzen – Richterspruch könnte richtungsweisend für gesamte digitale Ökonomie werden

Am 6. März verhandelt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) über die Zulässigkeit des Vertriebs „gebrauchter Software“. Die Entscheidung hat richtungs​weisenden Charakter für das seit Jahren umstrittene Marktfeld. Das Verfahren hat aber auch große Auswirkungen auf die gesamte digitale Ökonomie. Dr. Hauke Hansen von FPS erklärt, warum.

Worum geht es bei dem Fall vor dem EuGH? 
Der Handel mit gebrauchten Lizenzen ist sowohl für die Softwarehersteller als auch die Kunden von großer Bedeutung. Es geht um einen milliardenschweren Markt. Konkret geht es darum, inwieweit gebrauchte Software, die per Download zur Verfügung gestellt wird, ohne Zustimmung des Herstellers weiterverbreitet werden darf. Software nutzt sich zwar – anders als zum Beispiel ein Auto – nicht ab, man spricht aber trotzdem von „gebrauchter“ Software, wenn ein Kunde die von ihm genutzte Software nicht mehr benötigt und sie weiterverkaufen will.

Wer ist an dem EuGH-Verfahren beteiligt? 
Der Softwarehersteller Oracle hat den inzwischen insolventen Münchener Gebrauchtsoftwarehändler HHS usedSoft GmbH verklagt. usedSoft warb damit, Lizenzen für gebrauchte Oracle-Software anzubieten. Die Lizenzbedingungen von Oracle verbieten aber eine Weitergabe der Nutzungsrechte. Die Vorinstanzen haben diese Weitergabeverbote für wirksam erklärt und in dem Angebot von usedSoft eine Verletzung der Urheberrechte Oracles gesehen. Auf die Revision von usedSoft hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH drei Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt (Az. C-128/11).

Worum wird rechtlich gestritten? Was bedeutet der Begriff der Erschöpfung? 
Software ist in Deutschland nach dem Urheberrechtsgesetz geschützt, das zum Teil auf europäischen Richtlinien beruht. Danach gilt – anders als beispielsweise beim Vertrieb von Autos – der Grundsatz, dass jede Verwertungshandlung eines geschützten Werkes – hierzu gehören die Verbreitung, die Vervielfältigung usw. – der Zustimmung des Urhebers. Zu diesem Grundsatz gibt es nun die Ausnahme der Erschöpfung des Verbreitungsrechts. Erschöpfung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass bei physischen Datenträgern, die der Hersteller in den Verkehr gebracht hat, der Abnehmer diese ausnahmsweise ohne Zustimmung des Urhebers weiterverbreiten darf; dessen Rechte sind erschöpft.

Anders verhält es sich aber bei Software, die nicht auf einem Datenträger gehandelt wurde. Da hier die besondere Gefahr besteht, dass diese unkontrolliert kopiert und vervielfältigt wird, haben bisher alle damit befassten deutschen Oberlandesgerichte entschieden, dass das Prinzip der Erschöpfung keine Anwendung findet und der Weitervertrieb von Volumenlizenzen ohne Einwilligung der Urheber damit unzulässig ist.

Worüber hat der EuGH zu entscheiden? 
Der EuGH hat auf Anfrage des BGH darüber zu entscheiden, wie dieser diejenigen Normen des deutschen Urheberrechts auszulegen hat, die auf europäischem Recht beruhen. Die Ausführungen des EuGH muss der BGH anschließend noch auf den konkreten Fall überragen. Erst der BGH trifft also die abschließende Entscheidung.

Alle drei vom BGH vorgelegten Fragen beziehen sich auf die Frage der Erschöpfung. Die erste Frage ist eine Vorfrage, die erst zu den für den Oracle-Fall entscheidenden Punkten hinführt. Sie hat den Hintergrund, dass sich nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich das Verbreitungsrecht erschöpft. Damit dürfe ein Händler ohne Zustimmung des Urhebers zwar den originalen Datenträger verbreiten, aber keine Nutzungsrechte übertragen. Für den Kunden wäre also noch nichts gewonnen. Mit der ersten Vorlagefrage soll daher nun geklärt werden, ob mit einer „erschöpften“ CD nicht immer auch mindestens ein Vervielfältigungsrecht einhergeht.

Daran schließt sich die zweite Vorlagefrage an, nämlich ob die für das Verbreitungsrecht von originalen Datenträgern geltende Erschöpfung entsprechend auch für online in den Verkehr gebrachte und anschließend vom Erstkäufer auf CD gebrannte Software gelten soll. Würde man diese Frage bejahen, könnte man einer gebrannten CD folglich nicht mehr ansehen, ob sie eine bloße Raubkopie oder zu einem „erschöpften“ Original geworden ist.

Auf die Spitze getrieben wird dies in der dritten Vorlagefrage, in der der EuGH zu klären hat, ob für en fall, dass die zweite Frage bejaht wird, die Ausnahme der Erschöpfung für die Software selbst dann greifen soll, wenn vom Gebrauchtsoftwarehändler gar keine Software übertragen wird, sondern ausschließlich Lizenzen. Genau dafür hat usedSoft nämlich geworben.

Wird die erforderliche Zustimmung von den Herstellern denn überhaupt erteilt? 
Viele Hersteller erlauben entsprechend in ihren Nutzungsbedingungen seit jeher die Weitergabe von originalen Datenträgern. Problematisch ist deshalb primär die Weiterübertragung von reinen Nutzungsrechten aus Volumenlizenzverträgen. Da es sich häufig um komplexe Verträge mit einer Vielzahl von Rechten und Pflichten handelt, besteht für die Hersteller ein Interesse daran, zu prüfen, ob die Herauslösung einzelner Nutzungsrechte aus dem Vertrag sinnvoll ist.

Aufgrund der bereits erwähnten Gefahr einer unrechtmäßigen Vervielfältigung ist es nachvollziehbar, dass die Hersteller wissen möchten, wer gerade wo welche Lizenz nutzt. Ein uneingeschränkt zulässiger digitaler Zweitmarkt könnte die Verfolgung der Softwarepiraterie nahezu unmöglich machen.

Wie läuft der Handel praktisch? 
Die Gebrauchtsoftwarehändler teilen sich in zwei Lager: Das eine respektiert die Forderung der Hersteller danach, über Softwareübertragungen informiert zu werden. Das andere Lager – und hierzu gehört usedSoft – geht davon aus, dass Volumenlizenzen auch ohne Zustimmung des Softwareanbieters neu zusammengestellt und weiterverkauft wer-den dürfen. Dessen Kunden erhalten beispielsweise einen gebrannten Datenträger mit der Software, eine selbst erstellte Lizenzurkunde und ein Notartestat. Damit soll den Kun-den suggeriert werden, dass die Lizenzübertragung quasi amtlich bestätigt wird.

Welche Konsequenzen hat der Fall für andere digitale Güter wie E-Books oder digitale Musik? 
Die EuGH-Entscheidung ist nicht nur für die Softwarebranche von Bedeutung. Betroffen sind alle Produkte, die auf digitalem Wege vertrieben werden. Zu nennen sind z.B. Mp3-Musikdateien, Hörbücher oder E-Books, ein immer größer werdender Markt. Hier liegt die Gefahr auf der Hand, dass der Erstmarkt erheblich leiden oder sogar zusammenbrechen würde, wenn man eine Weiterverbreitung (die z.B. auch bei iTunes untersagt ist) und da-mit einen uneingeschränkten Zweitmarkt zuließe. Denn anders als bei gebrauchten CDs oder Büchern nutzen sich digitale Musik oder E-Books nicht ab und sind immer neuwertig. Entsprechende digitale Geschäftsmodelle könnten dann nicht mehr funktionieren. Auch die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen würde sehr erschwert. Davon wären nicht nur die großen Konzerne betroffen; leiden würden vor allem die Künstler, Interpreten und Autoren, die mit erheblichen Einkommenseinbußen zu rechnen hätten.

Muss urheberrechtlicher Schutz vor diesem Hintergrund im digitalen Zeitalter neu gedacht werden? Wie könnte oder müsste der Gesetzgeber reagieren? 
Die Digitalisierung der geschützten Werke und die damit einhergehende unbeschränkt mögliche Vervielfältigung stellt das Urheberrecht vor neue Herausforderungen. Hier ist ein Ausgleich zwischen dem Schutz des Urhebers, der Ermöglichung eines möglichst freien Handels und den Verbraucherinteressen anzustreben.

Berater bei FPS

Pressemitteilung

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