Geothermie
Mandantenstory
Heißes Pflaster
Erdwärme aus dem Untergrund Frankfurts

Frankfurt am Main will bis zum Jahr 2035 klimaneutral sein. Die Nutzung von Erdwärme könnte dabei helfen, diesen hohen Anspruch zu erfüllen. Denn die Temperaturen im Untergrund Frankfurts, in Hunderten Metern Tiefe, sind außergewöhnlich hoch. Jetzt soll eine Probebohrung neue Erkenntnisse liefern. Die Wirtschaftskanzlei FPS begleitet das Projekt für einen der Projektpartner, die LandesEnergieAgentur Hessen, in den Bereichen Vergaberecht, Liegenschaftsrecht und öffentlichem Recht. 

Es ist ein eisig kalter Dezembermorgen, doch auf dem Gelände des früheren Rebstockbads im Frankfurter Stadtteil Bockenheim herrscht reges Treiben. Ein riesiger, orangener Bohrturm überragt die Gruppe, die sich für einen Pressetermin auf der hier errichteten Baustelle eingefunden hat, darunter Journalisten, Staatssekretäre, Anwälte der Wirtschaftskanzlei FPS und Mitarbeitende von Stadt und Land. Grund der Zusammenkunft: Tief unter der Erde ist es deutlich wärmer als hier oben – und das nicht nur an bitterkalten Wintertagen.

Schon lange ist bekannt, dass im Frankfurter Untergrund außergewöhnlich hohe Temperaturen herrschen. Während man in 100 Metern Tiefe andernorts höchstens 10 Grad Celsius misst, sind es unter Frankfurt 28 Grad. Untersuchungen des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie deuten darauf hin, dass in 800 Metern Tiefe möglicherweise sogar 40 Grad warmes Thermalwasser sprudelt, das aus dem nördlichen Oberrheingraben bei Trebur bis nach Frankfurt strömt.

Baustelle Geothermie

Baustein für ein klimaneutrales Frankfurt

Die Wärme aus der Erde, auch Geothermie genannt, kommt der Stadt sehr gelegen, will sie doch bis 2035 klimaneutral sein. Und die Geothermie zählt zu den erneuerbaren Energiequellen. Außerdem eignet sie sich gleichermaßen zum Heizen, Kühlen und zum Erzeugen von Strom. Sie ist jedoch nicht so einfach zu nutzen wie zum Beispiel die Sonnenenergie, bei der es ausreicht, ein Solarpanel zu installieren und anzuschließen. Um Erdwärme zu fördern, sind viele geologische Faktoren zu berücksichtigen.

Um etwa mehr über Temperaturen sowie Leitfähigkeit und Durchlässigkeit des Gesteins zu erfahren, startete die Stadt Frankfurt am Main als Bauherrin zusammen mit dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie sowie weiteren Projektpartnern die Probebohrung am Rebstockbad. Im November 2022 ging es los. Etwa zehn Meter schafft der Bohrer am Tag, Ziel ist eine Tiefe von 800 Metern. Die ersten Ergebnisse sollen im März 2023 vorliegen. Wenn alles gut läuft, könnten künftig das neue Erlebnisbad und das geplante Wohngebiet Römerhöfe mit klimafreundlicher Erdwärme versorgt werden. 

Jens Deutschendorf

Mit ihrer ganzjährigen Verfügbarkeit ist Geothermie eine hervorragende Ergänzung zu Sonne und Wind und besonders interessant zur Beheizung von Gebäuden.

Jens Deutschendorf, Staatssekretär

Ein Schatz tief im Erdreich

Frankfurts Klimadezernentin Rosemarie Heilig ist gespannt auf die Ergebnisse der Bohrung. Für sie ist klar: „Wir müssen uns von fossilen Energieträgern und anderen Staaten unabhängig machen.“ Frankfurt werde ohne Geothermie nicht in der Lage sein, ausreichend erneuerbare Energie im Stadtgebiet zu erzeugen. Dazu reichen die Flächen nicht aus. Deshalb betont Heilig: „Wenn wir mit der Forschungsbohrung beweisen können, dass ein lohnender Wärmeschatz unter Frankfurt schlummert, dann werden wir ihn auch nutzen.“ Julia Woth von der LandesEnergieAgentur Hessen (LEA) betont zugleich die besonderen Vorteile der Geothermie: Sie sei in der Lage, Energie unabhängig von Wettereinflüssen und politischen Krisen bereitzustellen – und das zuverlässig, preisstabil und klimafreundlich.

Staatssekretär Jens Deutschendorf, der im Hessischen Wirtschaftsministerium arbeitet, setzt ebenfalls große Hoffnungen in die Erdwärme unter der Mainmetropole – und damit auch in die Testbohrung, die er als Schlüsselprojekt für die Stadt bezeichnet. „Mit ihrer ganzjährigen Verfügbarkeit ist Geothermie eine hervorragende Ergänzung zu Sonne und Wind und besonders interessant zur Beheizung von Gebäuden“, betont er. „Immer wieder wird gefordert, den CO2-Ausstoß so schnell wie möglich zu senken. Die Lösung könnte zu unseren Füßen liegen.“

Klimafreundlicher Warmbadetag

Voller Vorfreude ist auch Dr. Boris Zielinski, Sportdezernent und Chef der Frankfurter Bäder-Betriebe: „Wenn die Nutzung der Erdwärme gelingt, entsteht mit dem neuen Rebstockbad auch hinsichtlich des Energiekonzeptes ein Leuchtturmprojekt für die deutsche Schwimmbadlandschaft.“

Die Testbohrung am Rebstockbad zählt zu den mitteltiefen Bohrungen, ist aber die tiefste jemals vorgenommene Bohrung im Frankfurter Stadtgebiet. In Frankfurt gibt es weitere 280 Erdwärme-Projekte, etwa auf dem Areal des Henninger-Turms sowie auf dem Hochhausensemble FOUR Frankfurt, das sich noch in der Bauphase befindet. In Hessen wird an 20 weiteren Standorten gebohrt.

Infografik zur Geothermie

Energiequelle mit Tradition

Das Wissen um die unterirdischen Wärmequellen ist schon alt, weiß Professor Dr. Thomas Schmid, Präsident des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie. „Die erste Bohrung in Frankfurt fand bereits 1893 statt“, berichtet er. Damals bohrte eine Brauerei aus dem Stadtteil Sachsenhausen 286 Meter tief und stieß auf 30 Grad warmes Thermalwasser. Doch damals wusste man nichts damit anzufangen und schüttete das Loch wieder zu. „Zum Bierbrauen war das Wasser zu warm“, erzählt Schmid und ergänzt mit einem Schmunzeln: „Frankfurt hätte ein Kurbad werden können.“

Dr. Olaf Dziallas

Die theoretischen Risiken sind gering, aber vielfältig: Egal, ob bei einem Sturm ein Bagger umfällt oder gar Wasser unerwartet mit Hochdruck aus dem Boden schießt – es muss für die Beteiligten und insbesondere für die Versicherung klar sein, wer haftet.

Dr. Olaf Dziallas, Rechtsanwalt für FPS

Juristische Unterstützung

Bei allen Chancen, die in der Geothermie stecken: Ein solch komplexes Vorhaben wie die Probebohrung am Rebstockbad birgt juristische Herausforderungen. Die Frankfurter Wirtschaftskanzlei FPS berät deswegen die LandesEnergieAgentur dabei. Sie seien stolz, an einem solchen Zukunftsprojekt beteiligt zu sein und einen Einblick in die Welt der Geothermie zu erhalten, erzählen die FPS-Rechtsanwälte Dr. Annette Rosenkötter und Dr. Olaf Dziallas beim Ortstermin.

Rosenkötter berät die LEA im Bereich Vergaberecht: „Zu meinen Aufgaben gehört es, dafür zu sorgen, dass die Ausschreibungen und Auftragsvergaben an die beteiligten Baufirmen rechtlich einwandfrei ablaufen.“ Aufgrund des hohen Zeitdrucks und der generell kleinen Anzahl an Bohrunternehmen sei dies mitunter herausfordernd, aber auch spannend gewesen. 

Ihr Kollege Dziallas unterstützt die LEA verwaltungsrechtlich und baurechtlich, aber auch im Bereich Haftungsrecht. „Die theoretischen Risiken sind gering, aber vielfältig: Egal, ob bei einem Sturm ein Bagger umfällt oder gar Wasser unerwartet mit Hochdruck aus dem Boden schießt – es muss für die Beteiligten und insbesondere für die Versicherung klar sein, wer haftet.“

Alle Beteiligten hoffen natürlich, dass es keine derartigen Zwischenfälle geben wird und dass das Gestein unter Mainhattan durchlässig genug ist, um ausreichende Mengen heißes Wasser fördern zu können. Dann muss in naher Zukunft auch an kalten Wintertagen auf dem Gelände des Rebstockbads niemand mehr frieren.

Text: Silke Bauer
Bilder: Jens Lindemann

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Dr. Olaf Dziallas
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