Bund erleichtert Vergaben als Anschub für die Wirtschaft

Wie bereits durch die Bundesregierung avisiert, soll neben den umfänglichen Förderprogrammen auch durch Erleichterungen der Auftragsvergabe die Wirtschaft angeschoben werden.

Diese Ankündigung hatte vielfältige Spekulationen ausgelöst (siehe hierzu z.B. https://www.vergabeblog.de/2020-06-18/vergaberechtsvereinfachung-im-zuge-des-corona-konjunkturpakets-sieben-vorschlaege-fuer-effizientere-und-schnellere-beschaffungsprojekte/) und die allgemeine Diskussion, ob Vergaberecht nicht – auch losgelöst von COVID 19 – einfacher gehen muss, wiederaufleben lassen. Ein Diskussionspunkt: Kann es hier überhaupt einen „großen Wurf“ geben, da jedenfalls die Zuständigkeit für den Bereich der Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte ja bei der EU und nicht beim Bund liegt?

Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit Pressemitteilung vom 08.07.2020 nun die beschlossenen Maßnahmen veröffentlicht. Wie erwartet betreffen diese Maßnahmen den Unterschwellenbereich und erfassen sowohl Vergaben von Liefer- oder Dienstleistungen im Anwendungsbereich der UVgO als auch Bauleistungen nach der VOB/A.

Welche neuen Spielräume gibt es?

Konkret werden durch die Handlungsanweisung folgende Spielräume für erleichterte Verfahren eröffnet:

Liefer- und Dienstleistungen

  • Bis zu einer Wertgrenze von 100.000,- Euro ohne Umsatzsteuer kann eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb sowie ein Verhandlungsvergaben mit oder ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden.
  • Wird auf dieser Basis ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb gewählt, besteht eine Pflicht zur Veröffentlichung einer Bekanntmachung vorab auf www.bund.de.
  • Direktaufträge waren bisher auf Basis von § 14 UVGO nur bis 1.000,- Euro ohne Umsatzsteuer möglich. Diese Grenze wird auf 3.000,- Euro erhöht.

Bauaufträge

  • Eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb kann bei einem Auftragswert von bis zu 1 Million Euro ohne Umsatzsteuer durchgeführt werden.
  • Freihändige Vergaben können bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000,- Euro ohne Umsatzsteuer durchgeführt werden.
  • Auch hier gilt die Pflicht, die Vergaben unter www.bund.de zu veröffentlichen, § 20 Abs. 4 VOB/A.
  • Direktaufträge sind bis 5.000,- Euro ohne Umsatzsteuer möglich.
  • Nach Insolvenz oder Kündigung soll eine freihändige Vergabe auch dann zulässig sein, wenn die Restleistung kurzfristig vergeben werden muss, um Störungen von Folgegewerken abzuwenden.

Was ändert sich im Oberschwellenbereich?

Hier wird ähnlich wie bei den Notbeschaffungen von Schutzausstattungen ein auslegungsfähiger Begriff konkretisiert: Es wird festgehalten, dass angesichts der drohenden konjunkturellen Lage generell von der Dringlichkeit investiver Maßnahmen der öffentlichen Hand auszugehen ist. Die Fristen müssen gleichwohl im Einzelfall angemessen sein.

Für wen gelten die Erleichterungen?

Der Leitfaden gilt unmittelbar für Beschaffungen des Bundes. Interessant: gemäß Nr. 3 sollten die in Nr. 1 und 2 des Leitfadens dargestellten Erleichterungen auch für Zuwendungsempfänger gelten, die gemäß des Zuwendungsbescheides bzw. dessen Nebenbestimmungen die UVgO oder die VOB/A anzuwenden haben.

Für sonstige öffentliche Auftraggeber gilt der Handlungsleitfaden nicht. Hier müsste die jeweilige Landesregierung entsprechende Erleichterungen beschließen. Dies ist nicht unwahrscheinlich: Auch in der Finanzkrise wurden die erhöhten Wertgrenzen auch auf Landesebene weitgehend übernommen.

Geht jetzt alles?

Die Schelte des Bundesrechnungshofes in der Bewertung des Konjunkturpaketes zur Bekämpfung in der Finanzkrise ist manchem noch im Kopf. Daher betont die Handlungsanweisung, dass die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie der Gleichbehandlung und Transparenz gleichwohl zu beachten sind. Auch die Korruptionsprävention bedarf in formloseren beschleunigten Verfahren mit geringerem Wettbewerb besonderen Augenmerks. Und mit Blick auf den „Green Deal“ soll die Beschleunigung nicht auf Kosten der Energieeffizienz sowie des Klimaschutzes gehen.

Ist das jetzt der große Wurf?

Rechtlich ganz sicher nicht. Da jedoch die Masse der Beschaffungsvorgänge sich in diesem kleinteiligen Bereich bewegt, für den sich nun Erleichterungen ergeben, ist – ähnlich wie bei der Senkung der Umsatzsteuer – eine Wirkung in der Breite zu erwarten.

Was kommt noch?

Unter dem Gesichtspunkt der Regionalförderung werden die Bundesländer hier erwartbar mitziehen. Weiterhin soll – so die Pressemitteilung der Bundesregierung – im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft auf weitere Erleichterungen für den Oberschwellenbereich hingewirkt werden.

Bis wann gelten die Erleichterungen?

Die Erleichterungen für Vergabestellen des Bundes sind bis zum 21.12.2020 beschränkt. Vor dem Hintergrund des internen Vorlaufs von Beschaffungsmaßnahmen ist zu sehen, wie schnell die neuen Regelungen nutzbar gemacht werden können. Positiv in diesem Zusammenhang: Der Leitfaden spricht auch das ganz zentrale Thema der Ressourcen der Vergabestellen an: Ohne das erforderliche Personal für die Durchführung der beschleunigten Vergaben kommen die Verfahrensvereinfachungen nicht zum tragen. Es ist zu hoffen, dass dieser Hinweis auch die notwendige Unterstützung in der praktischen Umsetzung findet.

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