Bußgeldregress gegen Geschäftsleiter – Können Unternehmen ihre Geschäftsleiter für Bußgelder zur Verantwortung ziehen?

Worum geht es?

Bußgelder sind für Unternehmen in vielen Bereichen des Wirtschaftslebens relevant, im Kartell- und Kapitalmarktrecht ebenso wie im Bereich des Datenschutzes oder der Geldwäsche-Compliance, aber auch in dem gerade viel diskutierten Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, um nur einige zu nennen. Das Bußgeld kann dabei 
- nach Maßgabe der jeweils einschlägigen Ordnungsvorschriften - gegen das Unternehmen, aber auch gegen die handelnde Person verhängt werden.  

Den Geschäftsleiter (Vorstand, Geschäftsführer) trifft eine „Legalitätspflicht“ ebenso wie eine „Legalitätskontrollpflicht“. Er darf selbst keine bußgeldrelevanten Vorschriften verletzen und muss durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass solche Verstöße in dem Unternehmen nicht erfolgen bzw. diese ggf. unterbinden.

Verwirklicht ein Geschäftsleiter oder ein Mitarbeiter einen Bußgeldtatbestand und kommt es zur Bebußung des Unternehmens, stellt sich die Frage, ob sich das Unternehmen an den Geschäftsleiter wenden und Regress für die gezahlten Bußgelder verlangen darf oder muss. 

Aktuelle Rechtsprechung

In der bisher ergangenen Rechtsprechung besteht Uneinigkeit.

1. Klage gegen den Geschäftsführer abgewiesen: 

(Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.01.2015- Az. 16 Sa 459/14; rechtskräftig)

In dieser Entscheidung wies das Gericht eine Regressklage gegen den Geschäftsführer einer GmbH ab. Zur Begründung führte das Gericht an, dass eine zivilrechtliche Innenhaftung dazu führen würde, dass die Entscheidung des Gesetzgebers in § 81a GWB, wonach das Unternehmen in Verantwortung genommen wird, ansonsten unterlaufen würde. 

2. Haftung des Geschäftsführers bejaht: 

(Hinweisbeschlüsse des Landgerichts Dortmund vom 21.06.2023 und 14.08.2023 - Az. 8 O 5/22; nicht rechtskräftig)

Das Landgericht Dortmund geht dagegen von einem Regressanspruch der Gesellschaft gegen den beklagten Geschäftsführer aus. Begründet wurde dies damit, dass die Gesellschaft nur durch ihr Organ handeln könne und damit der Regressanspruch als einzige Sanktionsmaßnahme in Frage kommt. 

Das Ordnungswidrigkeitengesetz stelle nicht auf die Verantwortung der Unternehmen für eigenes Fehlverhalten ab, sondern habe als Ziel, die Vermögensvorteile zu entziehen, die durch Handeln der Leitungspersonen generiert wurden. Daher ziele der Präventionszweck nicht nur auf die Gesellschaft als juristische Person ab, sondern auch auf die Geschäftsführung. Dieser Zweck werde nur erreicht, wenn es zum Regress kommt und die Geschäftsführer haften.

3. Klage gegen den Vorstand bzw. Geschäftsführer abgewiesen: 

(Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf 27.07.2023 - Az. VI-6 U 1/22; rechtskräftig) 

In dieser Entscheidung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf einen Regressanspruch gegen den Vorstand der Muttergesellschaft und zugleich Geschäftsführer der Tochtergesellschaft verneint. Das Gericht führte an, dass eine Verbandsgeldbuße notwendigerweise einer Anknüpfungstat einer natürlichen Person bedürfe. Zudem sei der gesetzlichen Unterscheidung Rechnung zu tragen, dass sowohl das Unternehmen wie der Vorstand bzw. Geschäftsführer Adressat des Bußgelds werden können. 

Weiter sei mit einzubeziehen, dass Bußgelder nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens bemessen werden und dadurch bei unterschiedlichen Adressaten unterschiedliche Beurteilungspunkte einfließen müssten. Dies zeige, dass die Bebußung des Unternehmens vor allem den Zweck habe, dass rechtlich verselbstständigte Vermögen der juristischen Person zu treffen, nicht die für sie handelnden Personen. 

Dieses Urteil ist hervorzuheben, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf das neben dem Bundesgerichtshof relevante Kartellgericht in Deutschland und auch das Berufungsgericht gegen Entscheidungen des Landgerichts Dortmund ist. Abzuwarten bleibt, ob das Landgericht Dortmund vor dem Hintergrund der rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf an seiner Auffassung festhält.

Literatur 

Die überwiegende Meinung der Literatur lässt einen Regressanspruch gegen die Geschäftsleiter grundsätzlich zu. Dabei wird jedoch eine Einschränkung vorgenommen: Gegenstand des Regresses ist nicht das gesamte Bußgeld, sondern nur der Teil der die Ahndung des Verstoßes ausmacht, nicht derjenige, der die Vorteile des Unternehmens durch den Verstoß wieder beseitigt. 

Denn Zweck des Vorstands-/Geschäftsführerregresses ist neben der Verhaltensteuerung zu legalem Handeln die Schadenskompensation. Soweit dem Unternehmen (rechtswidrige) Vorteile zugeflossen sind, ist diesem ein (ersatzfähiger) Schaden aber nicht entstanden. Denn durch die ordnungsrechtliche Rückabwicklung dieses Vorteils als Teil des Bußgelds (Vorteilsabschöpfung) wird nur der Zustand wiederhergestellt, der bei einem von Vorneherein gesetzmäßigem Handeln bestehen würde.   

Fazit und Handlungsempfehlung 

Nachdem die von dem Oberlandesgericht Düsseldorf zugelassenen Revision zum Bundesgerichtshof nicht durchgeführt wurde und das vorgenannte Urteil rechtskräftig ist, bleibt eine höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten. Bis dahin besteht eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit.

Vor diesem Hintergrund kommt der Verpflichtung der Geschäftsführung zur Schaffung von Compliance-Strukturen zur gehörigen Überwachung von Mitarbeitern besondere Bedeutung zu. Diese werden in der Rechtsprechung wie folgt vorgegeben (Oberlandesgericht Nürnberg, Urt. v. 30.03.2022 – Az. 12 U 1520/19):

„Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers gebietet (…) eine interne Organisationsstruktur der Gesellschaft zu schaffen, die die Rechtmäßigkeit und Effizienz ihres Handelns gewährleistet. (…) Aus der Legalitätspflicht folgt die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Einrichtung eines Compliance Management Systems, also zu organisatorischen Vorkehrungen, die die Begehung von Rechtsverstößen durch die Gesellschaft oder deren Mitarbeiter verhindern. Dabei ist der Geschäftsführer (…) verpflichtet, sofort einzugreifen, wenn sich Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten zeigen.“ 

Die ordnungsgemäße Organisation des Unternehmens ist danach ebenso haftungsvermeidend, wie eine nicht ausreichende Organisation haftungsbegründend ist.

Das Landgericht Dortmund hat zutreffend angemerkt, dass eine vollständige Entlastung des Unternehmens von der Zahlung eines verhängten Bußgeldes im Wege des Regresses gegen die Geschäftsführung ein Einzelfall bleiben wird, weil die Bußgelder oftmals das Vermögen der Geschäftsleiter ebenso wie die Deckungssummen einer D&O-Versicherung überschreiten. Es ist deshalb anzuraten neben einem ordnungsgemäßen Compliance-System die Einbeziehung eines Bußgeldregresses durch die Gesellschaft in die D&O-Versicherung und diesbezügliche Haftungsausschlüsse (in der Regel bei vorsätzlichem und bedingt vorsätzlichem Handeln) sorgfältig zu prüfen. 

Ein Beitrag von