Die (un)gerechte Straßenbeitragssatzung
Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen
Viele Bundesländer haben die sog. Straßenausbaubeiträge mittlerweile abgeschafft. Hierbei handelt es sich um eine Kommunalabgabe für bestimmte Maßnahmen des Straßenbaus. Gegenstand ist dabei nicht die erstmalige Herstellung – also Erschließung – einer Verkehrsanlage, sondern vielmehr Maßnahmen an bestehenden Verkehrsanlagen, oft Sanierungen.
In Hessen ist es den Kommunen freigestellt, entsprechende Satzungen nach dem Hessischen Kommunalabgabengesetz (KAG Hessen) zu erlassen und damit Straßenausbaubeiträge zu erheben. Hierbei gibt es einige Fallstricke zu beachten, wie ein aktueller Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Kassel vom 29.01.2025 (Az. 5 A 1017.21.Z) belegt.
Hintergrund der Entscheidung
Mit dem Beschluss wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung der Stadt Kassel gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 06.04.2021 (6 K 5680/17.KS) abgelehnt. Eine Anliegerin hatte sich gegen einen Bescheid der Stadt Kassel über die Vorausleistung für einen Straßenbeitrag nach der (damaligen) Straßenbeitragssatzung der Stadt gewehrt.
Mit Erfolg - das Verwaltungsgericht hob diesen auf, da es die Straßenbeitragssatzung für unwirksam erachtet. § 5 Abs. 1 lit. a) der Satzung verstoße gegen das Vorteilsprinzip nach § 11 Abs. 1 S. 4, Abs. 5 S. 1 KAG Hessen.
§ 5 Abs. 1 lit. a) regelte, dass die Stadt 50 Prozent des ermittelten Aufwands an den beitragsfähigen Kosten trage, soweit die Straße überwiegend dem Anliegerverkehr diene. Die Nichtigkeit dieser Regelung führe aus Sicht des Verwaltungsgerichts zur Gesamtnichtigkeit der Satzung, da eine wirksame Regelung über den Gemeindeanteil fehle.
Vorteilsprinzip und Abgabengerechtigkeit
Diese Entscheidung wurde nun vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt.
Mit der gesetzlichen Formulierung in § 11 Abs. 4 KAG Hessen werde zum Ausdruck gebracht, dass der Anliegervorteil gegenüber dem Vorteil der Allgemeinheit im Falle von Anliegerstraßen prävaliert, mithin mit mehr als 50 Prozent zu bewerten ist.
Diese Gewichtung der Vorteile werde auch durch die weitere Staffelung der Mindestsätze verdeutlicht, die (erst) im Fall der Straßenkategorie „innerörtliche Durchgangsstraße“ eine gemeindliche Mindestbeteiligung am beitragsfähigen Aufwand in Höhe von 50 Prozent vorsieht. Im Falle von Straßen die überwiegend dem Anliegerverkehr dienen, beträgt der Mindestsatz 25 Prozent.
Das Verwaltungsgericht habe zurecht darauf hingewiesen, dass durch diese Staffelung der Mindestsätze in § 11 Abs. 4 S. 1 KAG Hessen zum Ausdruck komme, dass sich der Gemeindeanteil bei Anliegerstraßen in einem Korridor zwischen 25 und unter 50 Prozent bewegen müsse. Mit einem Anteil von 50 Prozent für sog. Anliegerstraßen überschreitet § 5 Abs. 1 lit. a) diesen Korridor – wenn auch nur knapp.
Heißt zusammengefasst:
Im Falle einer Straße, die überwiegend dem Anliegerverkehr dient, muss die Gemeinde mindestens 25 Prozent des Aufwands außer Ansatz lassen. Die Formulierung in § 11 Abs. 4 KAG Hessen erlaubt es der Gemeinde darüber hinaus auch einen höheren Anteil außer Ansatz zu lassen. Dies jedoch nur bis zu einem bestimmten Punkt. Die Grenze zur nächsthöheren Straßenkategorie, also solchen, die überwiegend dem Durchgangsverkehr dienen, darf nicht überschritten werden. Bei solchen hat die Gemeinde mindestens 50 Prozent des Aufwands außer Ansatz zu lassen. Damit bewegt sich der Spielraum für die Gemeinde zwischen 25 und unter 50 Prozent.
Für die nächsthöhere Kategorie – der Durchgangsstraße – muss dasselbe gelten. Hier bewegt sich der Spielraum zwischen 50 und unter 75 Prozent. In der „höchsten“ Kategorie, also Straßen, die dem „überörtlichen“ Durchgangsverkehr dienen, bewegt sich der Spielraum zwischen 75 und 100 Prozent.
Auswirkungen auf die kommunale Satzungspraxis
Der Teufel steckt damit – wie so oft – im Detail. Auf den ersten Blick möchte man meinen, die Regelung schaffe einen Vorteil, da die Stadt – über die gesetzliche Vorgabe in § 11 Abs. 4 KAG Hessen hinaus – im Falle von Anliegerstraßen „nur“ 50 statt 75 Prozent der Kosten an die Bürger weitergibt. Doch dies widerspricht der gesetzlichen Wertung, wonach eine gewisse Abgabengerechtigkeit je nach Straßenkategorie - demnach deren Nutzung durch die Allgemeinheit - geschaffen werden soll.
Insgesamt lässt sich der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs wohl entnehmen, dass die Bemessung der Beitragshöhe konsequenterweise nicht nur in den einzelnen Kategorien, sondern insgesamt gut austariert sein müssen. Nur so kann dem Vorteilsprinzip und der Abgabengerechtigkeit Genüge getan werde. Die Entscheidung veranschaulicht, dass der Erlass von Satzungen für Kommunen nicht immer einfach ist und es auf Detailfragen ankommt. Dies selbst dann, wenn man eine vermeintlich vorteilhafte Regelung schaffen möchte.
Wir bei FPS beraten Kommunen umfassend rund um den Erlass von Satzungen jeder Art. Sollten Sie entsprechenden Beratungsbedarf haben, freuen wir uns auf Ihre Anfrage.
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