Entschädigung von Selbständigen und Unternehmen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen Corona-Schutz-Maßnahmen
Es besteht Handlungsbedarf. Ansprüche müssen innerhalb von 12 Monaten nach Einstellung der Tätigkeit (also ab Schließung des Geschäftsbetriebs) angemeldet werden - folglich bis spätestens 16. März 2021.
Die Geltendmachung der Ansprüche ist zu empfehlen. Eine Reihe von rechtlichen Fragen sind angesichts der außergewöhnlichen Umstände noch zukünftig zu klären.
Entschädigung nach § 56 Infektionsschutzgesetz
Nach § 56 Abs. 1 und Abs. 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhalten Selbständige eine Entschädigung, wenn der Betrieb oder die Praxis während der Dauer einer Maßnahme zur Eindämmung der Corona-Pandemie ruht. Ob auch Unternehmen im Falle einer Betriebsschließung Berechtigte im Sinne von § 56 Abs. 1 IfSG sind, ist umstritten. Es sprechen gute Argumente dafür. Dies wird durch die Gerichte noch zu klären sein. Unmittelbar anwendbar ist die Vorschrift, deren Adressaten natürliche Personen sind, nicht. Allerdings kommt eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 1 IfSG in Betracht.
Ein Entschädigungsanspruch nach dem IfSG setzt grundsätzlich voraus, dass eine Maßnahme im Sinne des Infektionsschutzgesetzes gegenüber dem Störer angeordnet wird. Das ist der Infizierte oder der einer Ansteckung Verdächtige, bei dem noch keine Symptome erkennbar sind. In einem solchen Fall kann gegenüber einem Selbstständigen, etwa weil er im direkten Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person war, eine behördliche Quarantäne nach § 30 IfSG oder ein berufliches Tätigkeitsverbot nach § 31 IfSG angeordnet werden.
Wie ist es aber mit Ansprüchen von Selbständigen und Unternehmen, die keine Störer sind, sondern aufgrund der flächendeckenden Maßnahmen ihre Betriebe schließen mussten?
Denn die durch Rechtsverordnungen der Länder angeordneten Maßnahmen gelten unterschiedslos gegenüber sämtlichen dort genannten Branchen, ganz gleich ob die jeweils betroffenen Personen in den von der Verordnung erfassten Betrieben (als nicht erkannte Infizierte ohne Symptome) Störer im Sinne des IfSG waren oder nicht.
Diese Frage ist umstritten und ebenfalls durch die Rechtsprechung zu beantworten.
Entschädigung nach allgemeinem Ordnungsrecht
Selbst wenn ein Entschädigungsanspruch nach dem IfSG nicht in Betracht käme, könnte den betroffenen Selbständigen oder Unternehmen ein Anspruch aus allgemeinem Ordnungsrecht zustehen. Für NRW käme hier etwa § 39 OBG NRW, für Niedersachsen etwa § 80 NPOG in Betracht. Das OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.04.2020 – 13 MN 104/20, hatte nahezu beiläufig erklärt, dass der Antragsteller des dort zu entscheidenden Falls, „sofern ihm kein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG zusteht, und soweit er nicht Begünstigter einer der Maßnahmenpakete des Bundes und des Landes Niedersachsen ist, als Nichtstörer einen Ausgleichsanspruch nach allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Grundsätzen beanspruchen können [dürfte] (vgl. § 80 ff. NPOG).“
Ob aus dieser Aussage des OVG Lüneburg geschlossen werden kann, dass ein Betroffener einer Corona-Schutz-Maßnahme entweder Entschädigung als Störer nach dem IfSG oder als Nichtstörer nach den allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Vorschriften verlangen kann, bleibt zunächst offen. Auf die Entschädigungsfrage kam es bei dem Fall des OVG Lüneburg letztlich nicht an.
Umsatzmindernde Auflagen
Entschädigungsansprüche kommen auch deshalb in Betracht, wenn behördliche Auflagen zu einem Umsatzrückgang geführt haben, bspw. das Abstandsgebot von mindestens 1,5 Meter sowie die Hygieneauflagen in der Gastronomie oder im Einzelhandel. Ob es sich insofern um eine entschädigungslose bloße Betriebsbeeinträchtigung oder um eine entschädigungspflichtige anteilige Tätigkeitsuntersagung handelt, ist noch nicht geklärt und ebenfalls durch die Gerichte aufzuarbeiten.
Höhe der Entschädigung
Die Entschädigung nach allgemeinem Ordnungsrecht und nach dem IfSG dürfte in der Höhe gleich sein. Sie bemisst sich nach dem IfSG gemäß § 56 Abs. 2 IfSG nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 SGB V gewährt, soweit der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt. Zur Berechnung der Entschädigungshöhe bei Selbstständigen ist nach § 56 Abs. 3 Satz 4 IfSG ein Zwölftel des Arbeitseinkommens im Sinne von § 15 SGB IV aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit zugrunde zu legen.
Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme nach § 56 Abs. 1 IfSG ruht, können weiterhin den Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang geltend machen. Die konkrete Höhe eines solchen Anspruchs in angemessenem Umfang ist im Einzelfall zu ermitteln. Zusätzlich kommt der Ersatz von weiterlaufenden und nicht gedeckten Betriebsausgaben in Betracht. Zu solchen Betriebsausgaben zählen z.B. Miete für Geschäftsräume, Versicherungskosten und andere Fixkosten, die nicht mehr durch Einnahmen gedeckt sind. Der Ersatz erfolgt in angemessenem Umfang.
Bei Unternehmen dürfte im Rahmen der analogen Anwendung des § 56 IfSG statt des Verdienstausfalls auf den entgangenen Gewinn abzustellen sein. Maßgeblich für die Höhe könnten bspw. die Umsätze des letzten Geschäftsjahres oder das Mittel der letzten drei Geschäftsjahre sein.
Siehe auch Beitrag: Corona-Entschädigung und Legal Tech: Vereinfachte Anspruchsdurchsetzung für Geschädigte?!
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