Unternehmensverkauf – Keine Haftung des Verhandlungspartners

(OLG München, Urteil vom 24.01.2024 – 7 U 3096/22 – nicht rechtskräftig)

Das Oberlandesgericht München hat einen Fall entschieden, bei dem die Käuferin eine defizitäre Gesellschaft von der Verkäuferin erworben hat. Diese Gesellschaft, die Zielgesellschaft, sollte fortgeführt werden. Um das zu ermöglichen, leistete die Verkäuferin vor dem Verkauf eine Einlage von 10 Mio. Euro als „Equity Contribution“ an die Zielgesellschaft. Hiervon wurden kurz nach dem Erwerb der Zielgesellschaft 7,5 Mio. Euro an die Käuferin als Vorabdividende ausgeschüttet. In der Folge stellte die Zielgesellschaft Insolvenzantrag (Eigenantrag). Die Verkäuferin begehrt die Rückzahlung der Einlage.

Wie in der Praxis häufig, erfolgte der Erwerb der Zielgesellschaft nicht durch den Verhandlungspartner, sondern durch eine andere Gesellschaft (häufig eine hierfür gegründete Zweckgesellschaft). Diese und die verhandlungsführende Gesellschaft gehörten zum gleichen Konzern. Nachdem der Letter of Intent mit der verhandlungsführenden Konzerngesellschaft abgeschlossen wurde und auch die Verhandlungen mit dieser geführt worden waren, wurde der Unternehmenskaufvertrag mit der ebenfalls zum Konzern gehörigen Käuferin abgeschlossen. Die Verkäuferin verlangt die Rückzahlung der Einlage jedoch nicht von der Käuferin, sondern von der verhandlungsführenden Gesellschaft.

Das Oberlandesgericht München I hat das vorangehende Urteil des Landgerichts München I, mit dem die Klage abgewiesen wurde, bestätigt. Das Verfahren ist nunmehr beim Bundesgerichtshof anhängig (Nichtzulassungsbeschwerde).

Nach allgemeinem bürgerlichen Recht haftet der Verhandlungsführer nur dann, wenn er die Rolle als Verhandlungsführer überschreitet. Das ist der Fall, wenn er vorrangig wirtschaftliche eigene Interessen verfolgt, d.h. gleichsam in eigener Sache tätig wird (ein mittelbares Interesse genügt nicht) oder wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt, d. h. sich quasi für die Erfüllung der von ihm verhandelten Regelungen gut sagt (§ 311 Abs. 3 BGB). 

Die Anforderungen der Rechtsprechung an diese Ausnahmen sind eng. So reicht es nicht aus, wenn der Verhandlungsführer Gesellschafterin der Käuferin ist (was hier nicht der Fall war); ebenso wenig reicht ein allgemeines Verhandlungsvertrauen in die ordnungsgemäße Abwicklung der getroffenen Abreden aus. 

Die Besonderheit, dass sowohl die Käuferin wie die Verhandlungsführerin zum gleichen Konzern gehörten, also beide gleichsam für den ‚Konzern‘ gehandelt haben, reicht dem Oberlandesgericht München I nicht aus. Dies entspricht dem Grundsatz, dass es eine allgemeine Konzernhaftung nicht gibt. Es gilt das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip, d. h. jede Gesellschaft ist rechtlich eigenständig und handelt für sich selbst. Dies gilt auch für Konzerngesellschaften.

Nur unter besonderen Voraussetzungen kommt eine Haftung im Konzern in Betracht. Dies etwa dann, wenn ein herrschendes Unternehmen seine Leitungsmacht missbraucht und hierdurch der abhängigen Gesellschaft Nachteile entstehen (§ 311 AktG). Eine solche Konstellation bestand hier nicht.

Fazit und Praxishinweis

Wie der Bundesgerichtshof entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Für die Praxis bleibt es dabei, dass die Haftungsfolgen konkret geregelt werden müssen. Aus Sicht des Verkäufers ist bei dem Erwerb der Zielgesellschaft durch eine Zweckgesellschaft die (gesamtschuldnerische) Haftung des Käufers und des Verhandlungspartners (oder der Konzernmutter) konkret zu vereinbaren oder Sicherheit zu fordern; aus Sicht des Käufers ist klarzustellen, dass die verhandlungsführende Gesellschaft nicht oder nur in einem konkret definierten Umfang eigenständig haftet.

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