Urteil des OLG Köln v. 6.5.2021 – 18 U 133/20 – Unwirksamkeit treuwidriger Stimmabgaben
Gesellschafter sind in der Ausübung ihrer Stimmrechte grundsätzlich frei. Diese Freiheit kann aber in besonderen Fällen durch die gesellschafterliche Treupflicht ausnahmsweise eingeschränkt sein, wenn die zu beschließende Maßnahme zur Vermeidung der Vernichtung wesentlicher Werte oder zur Vermeidung erheblicher Verluste „objektiv unabweisbar“ erforderlich und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist. Der Gesellschafter ist dann verpflichtet, einem für das Unternehmen unerlässlichen Beschlussvorschlag zuzustimmen oder zumindest nicht gegen diesen zu stimmen.
In solchen Fällen hat der Versammlungsleiter die schwierige Aufgabe, eine entgegen dem Beschlussvorschlag abgegebene treuwidrige Stimme nicht zu werten und den Beschluss ohne Berücksichtigung der treuwidrigen Stimme festzustellen.
Das Oberlandesgericht Köln hat diese Vorgehensweise bei einer Abstimmung über die Auflösung einer nicht fortführungsfähigen Gesellschaft gebilligt:
Bei der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft hatten zwei von drei Aktionären für die Auflösung der Gesellschaft gestimmt. Der Dritte lehnte eine Auflösung ab; die notwendige qualifizierte Mehrheit von 75% war somit nicht erreicht. Der Versammlungsleiter stellte den Beschluss dennoch als angenommen fest und führte an, die Gegenstimme sei als treuwidrig zu bewerten und daher nicht zu berücksichtigen. Die Gesellschaft hatte schon seit mehr als fünf Jahren eine negative Finanz-, Vermögens- und Ertragslage und keine Aussicht auf ein Neugeschäft.
Das Oberlandesgericht Köln hat in seinem Urteil auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Treuepflicht bei der GmbH Bezug genommen. Es bestätigte, dass eine Pflicht zur Zustimmung zur Auflösung der Gesellschaft besteht, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks dauerhaft unmöglich geworden ist. Dies war hier festzustellen, weil die Gesellschaft aufgrund ihrer finanziellen Situation keine wirtschaftliche Perspektive hatte und dauerhaft nur Verluste erwirtschaftete.
Anmerkung:
Diese Rechtsprechung knüpft an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, nach der Gesellschafter, die einer notwendigen Sanierung und Zahlung eines Sanierungsbeitrags nicht zustimmen, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden können („Sanieren oder Ausscheiden“).
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