Zur Anfechtbarkeit von Darlehensrückzahlungen in der späteren Insolvenz - BGH, Urteil vom 18.04.2024 – IX ZR 129/2022

Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter von der darlehensgebenden Bank Beträge zurück, die diese zur Rückzahlung eines Darlehens erhalten hat.

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der O-GmbH. Deren Geschäftsgegenstand war die Vermietung von durch Darlehen finanzierten Wohnimmobilien. Zu diesem Zweck gewährte die beklagte Bank der O-GmbH mehrere Darlehen. Diese wurden (u.a.) durch Abtretung der gegenwärtigen und zukünftigen Mietforderungen besichert. 

Ab Mitte 2011 verwaltete die H-GmbH die Grundstücke der O-GmbH und war auch mit dem Einzug der Mieten betraut. Die Mieten gingen auf einem der Bank verpfändeten Konto der H­GmbH ein und wurden von dieser auf Anweisung der O-GmbH auf die Konten der Bank weitergeleitet. 

Der Insolvenzverwalter verlangt die Rückgewähr i.H.v. 242.874,26 EUR, die in der Zeit vom 29.06.2011 bis 13.07.2012 in dieser Weise an die Bank weitergeleitet wurden. Zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit der O-GmbH legte der Verwalter im Prozess einen Liquiditätsstatus vor, der die einzelnen Zahlungspflichten und Zahlungsmittel jedoch nicht näher angab.

Das Landgericht hat die Bank zur Rückgewähr der ab dem 31.10.2011 erhaltenen Zahlungen i.H.v. 193.927,77 EUR nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Bank hat das Oberlandesgericht Brandenburg die Klage i.H.v. weiteren 8.327,72 EUR abgewiesen und die weitergehende Berufung der Bank zurückgewiesen (Sachverhalt verkürzt). 

Die Revision der Bank hatte Erfolg.

Das Urteil weist zwei praxisrelevante Schwerpunkte auf:

  • Zum einen geht es um den Nachweis der zum Zahlungszeitpunkt vorliegenden Zahlungsunfähigkeit und des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes als Voraussetzung der Anfechtung der Darlehensrückzahlung (Absichtsanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO; hierzu unter 1.); 
  • zum anderen geht es darum, dass Darlehensgeber wie nachrangige Gesellschafter behandelt werden, wenn sie sich gesellschaftergleiche Rechte (Mitspracherechte, Gewinnbeteiligungen) gewähren lassen (Anfechtung der Darlehensrückzahlung bei Gesellschafterdarlehen oder gesellschaftsgleichen Darlehen gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO; hierzu unter 2.).
Zu 1.:

Grund für die Vorsatzanfechtung ist, dass der Schuldner bei der Leistung beabsichtigt oder billigt, seine übrigen Gläubiger nicht vollständig befriedigen zu können und der Empfänger der Leistung dies weiß. Eine solche wissentliche Benachteiligung der anderen Gläubiger widerspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger in der Insolvenz und wird im Insolvenzverfahren rückabgewickelt.

Erforderlich und ausreichend ist die Kenntnis von Umständen, aus denen sich die eingetretene und fortbestehende Zahlungsunfähigkeit ergibt. Wenn nach der aus objektiver Sicht erkannten und erwartbaren Entwicklung eine Überwindung der zum Zeitpunkt der Leistung bestehenden Zahlungsunfähigkeit auch künftig nicht erwartet werden kann, d.h. bekannt ist oder in Kauf genommen wird, die übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können, ist ein Benachteiligungsvorsatz zu bejahen.

Beträgt die zum Zeitpunkt der Leistung bestehende Lücke zwischen den von der Gesellschaft zu zahlenden Beträgen und den zu diesem Zeitpunkt und innerhalb von drei Wochen zur Verfügung stehenden Mitteln mehr als 10 %, liegt regelmäßig Zahlungsunfähigkeit vor. Dies kann von dem Insolvenzverwalter grundsätzlich auch mit einem Liquiditätsstatus dargelegt werden.

Vorliegend wies der vom Insolvenzverwalter hierzu vorgelegte Liquiditätsstatus die fälligen Passiva ohne nähere Differenzierung als Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung, aus Umsatzsteuer und als kurzfristigen Kapitalverbindlichkeiten aus. Die beklagte Bank hat diesen Liquiditätsstatus und die einzelnen Positionen bestritten. Dies reichte aus.  

Denn die Anforderungen an das Bestreiten hängen davon ab, wie genau der Vortrag des Verwalters ist. Danach war das Bestreiten der Bank ausreichend substanziiert. Denn der Insolvenzverwalter hat den von ihm vorgelegten Liquiditätsstatus nicht durch Rechnungen und Kontoauszüge etc. belegt. Damit bestand für die Beklagte weder Anlass noch die Möglichkeit, ihr Bestreiten näher zu erläutern.

Zu 2.:

Nach Ablehnung der Vorsatzanfechtung kam noch eine Anfechtbarkeit der Darlehenstilgungen unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen in Betracht. Wenn der Darlehensgeber sich in dem Darlehensvertrag Rechte einräumen lässt, die ihm unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft geben und dieser Einfluss in einer Weise ausgestaltet und absichert, die es rechtfertigt, ihn einem Gesellschafter gleichzustellen, muss er sich auch wie ein Gesellschafter behandeln lassen. Das Fremd- wird dann zum Eigenkapital. 

Ausreichend hierfür ist die rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf Entscheidungen der Gesellschaft und eine Teilhabe an deren wirtschaftlichem Erfolg. Dies war vorliegend zu prüfen, weil in den Darlehensverträgen besondere Informationsrechte, ein Zustimmungsvorbehalt für Investitionen ab 25.000 Euro und eine Beteiligung von 20 % an einem Verkaufserlös der Objekte, vereinbart worden war.

Ob dies für eine Behandlung wie ein Gesellschafter ausreichte, konnte der BGH gleichwohl dahinstehen lassen, weil die gesetzlichen Fristen für eine Anfechtung insoweit bereits abgelaufen waren.  

Fazit:

Dem Insolvenzverwalter, der im Gegensatz zum Anfechtungsgegner über Zugang zur Buchhaltung der insolventen Gesellschaft verfügt, ist es möglich, den von ihm vorgelegten Liquiditätsstatus durch Vorlage von Rechnungen und Nachweisen zu untermauern. Außenstehende können dies nicht. Geschäftsführern oder anderweitig in die finanziellen Verhältnisse der insolventen Gesellschaft näher Eingebundenen nützt das Urteil deshalb nichts. 

Für Darlehensgeber bleibt es bei dem Grundsatz, die Rolle als Darlehensgeber nicht zu verlassen, um Fremdkapitalgeber zu bleiben und nicht in die Finanzierungsverantwortung eines Gesellschafters zu kommen.

Persönliche Anmerkung:

Der Verfasser hat die ersten beiden Instanzen des Verfahrens anwaltlich für die mitverklagte Hausverwaltung begleitet, die nach (rechtskräftiger) Klageabweisung in den ersten beiden Instanzen an dem Revisionsverfahren nicht mehr beteiligt war. 

Ungeachtet der von dem BGH überzeugend entschiedenen rechtlichen Fragen macht der Fall deutlich, dass es im Prozess häufig – lange und vorrangig vor der Klärung rechtlicher Fragen – auf die präzise Herausarbeitung der tatsächlichen Verhältnisse und dahinter stehenden Interessen und Motive der Beteiligten (einschließlich der Richter und des Insolvenzverwalters) und eine effiziente Verfahrensführung, d.h. der offensiven Anwendung und Ausnutzung der (hier) insolvenzrechtlichen und zivilprozessualen Rechte, ankommt. 

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