Anfechtungsschutz bei Stundungsvereinbarungen

Wie in unserem Blogbeitrag vom 01.02.2021 berichtet, hat der Bundestag am 28.01.2021 die temporäre „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ erneut bis zum 30.04.2021 verlängert. Daneben hat der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019“ den Anfechtungsschutz im Zusammenhang mit pandemiebedingten Stundungen erneut angehoben.

Diesem Gesetzesbeschluss hat der Bundesrat in seiner 1000. Jubiläumssitzung am 12.02.2021 erwartungsgemäß zugestimmt. Nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt sollen die Neuregelungen rückwirkend zum 01.02.2021 in Kraft treten.

Mit der Einführung des neuen § 2 Abs. 1 Nr. 5 CovInsAG1 und der Streichung des bisherigen § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. e) CovInsAG beabsichtigte der Gesetzgeber, den Anfechtungsschutz für Zahlungen nach der Maßgabe von Stundungsvereinbarungen deutlich zu erhöhen. Insbesondere sollen Gläubiger, die infolge der COVID-19-Pandemie in wirtschaftliche Not geratene Schuldner durch Stundungen unterstützen, wegen dieser Stundungen keinem erhöhten Anfechtungsrisiko ausgesetzt werden. Dadurch sollen u.a. Vermieter geschützt werden, die zur Zeit häufig ihren Vertragspartnern mit Stundungen entgegenkommen.

Jedoch gewährleistet auch die Neuregelung nur unter bestimmten Voraussetzungen einen wirksamen Anfechtungsschutz. Diese Voraussetzungen sind sorgfältig zu prüfen, um im Falle der Insolvenz von Vertragspartnern unerwartete Rückforderungen zu vermeiden. Hinzu kommt, dass der Anfechtungsschutz systematisch auf der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aufbaut und diese in Anbetracht der unterschiedlichen Geltungszeiträume des § 1 CovInsAG eher unübersichtlich ausgestaltet ist.

Überblick über die Neureglung

Nach dem neu eingefügten § 2 Abs. 1 Nr. 5 CovInsAG gelten bis zum 31.03.2022 erfolgende Zahlungen auf Forderungen aufgrund von bis zum 28.02.2021 gewährten Stundungen als nicht gläubigerbenachteiligend, sofern über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren bis zum Ablauf des 31.01.20212 noch nicht eröffnet worden ist. Diese Privilegierung gilt jedoch – vorbehaltlich § 2 Abs. 2 bis 4 CovInsAG – nur unter der Voraussetzung, dass gemäß § 1 Abs. 1 CovInsAG die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist.

Zusammengefasst sind die Voraussetzungen für das Eingreifen des Anfechtungsschutzes also die Folgenden:

  1. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Schuldner
  2. Keine Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem 01.02.2021
  3. Gewährung der Stundung bis zum 28.02.2021
  4. Rückzahlung der gestundeten Forderungen bis zum 31.03.2022

Der Schutz von stundenden Gläubigern vor Anfechtungen hängt also zunächst davon ab, ob der Anfechtungsschutz in zeitlicher Hinsicht eingreift. Es sind dabei die unter 2. bis 4. dargestellten zeitlichen Grenzen zwingend zu beachten. Diese zeitlichen Voraussetzungen kann jeder Gläubiger selbst überprüfen und bei der Abfassung der Stundungsvereinbarung einschließlich des Rückzahlungsplanes berücksichtigen.

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei antragspflichtigen Schuldnern

Enorme Schwierigkeiten und auch Rechtsunsicherheiten bereitet jedoch der Umstand, dass die Insolvenzantragspflicht im Zeitpunkt der Gewährung der Stundung objektiv ausgesetzt sein muss. Auf die subjektive Kenntnis des möglichen Anfechtungsgegners kommt es dagegen nicht an.

Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gemäß § 1 CovInsAG für die verschiedenen Aussetzungszeiträume von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig ist. Aus Sicht des Gläubigers und potenziellen Anfechtungsgegners kommt hinzu, dass er die Einhaltung dieser Voraussetzungen nur eingeschränkt überprüfen kann. Jedoch kann sich der Gläubiger die im Rahmen des § 1 CovInsAG bestehenden Vermutungs- und Beweislastregelungen zunutze machen, um das Anfechtungsrisiko zumindest zu minimieren. Dazu ist zwischen den einzelnen in § 1 CovInsAG genannten Zeiträumen zu differenzieren.

Stundung im Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 28.02.2021

Fällt die Gewährung der Stundung in den Zeitraum zwischen dem 01.01.2021 und dem 28.02.2021, ist für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht von insolvenzreifen Schuldnern gemäß § 1 Abs. 3 CovInsAG grundsätzlich Voraussetzung, dass ein Antrag auf die Gewährung von finanziellen Hilfeleistungen im Rahmen der staatlichen Hilfsprogramme gestellt wurde [Blogbeitrag vom 01.02.2021].

Zur Minimierung des Anfechtungsrisikos ist stundenden Gläubigern deshalb anzuraten, sich von (insolvenzreifen) Schuldnern die Unterlagen zur Antragsstellung vorlegen zu lassen. Darüber hinaus kann das Anfechtungsrisiko weiter minimiert werden, wenn der Gläubiger die Erfolgsaussichten des Antrags auf die Gewährung von finanziellen Hilfeleistungen überprüft. Denn ein Antrag auf die Gewährung von finanziellen Hilfeleistungen führt dann nicht zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist (§ 1 Abs. 3 S. 3 CovInsAG).

Stundung im Zeitraum vom 01.10.2020 bis zum 31.12.2020

Bei dem Abschluss der Stundungsvereinbarung im Zeitraum vom 01.10.2020 bis zum 31.12.2020 ist zu beachten, dass die Insolvenzantragspflicht nicht bei Zahlungsunfähigkeit ausgesetzt war, § 1 Abs. 2 CovInsAG. Bei dem Insolvenzgrund der Überschuldung war die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in diesem Zeitraum grundsätzlich möglich, jedoch nur unter den Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 CovInsAG (dazu sogleich).

Stundung im Zeitraum vom 01.03.2020 bis zum 30.09.2020

Für diesen Zeitraum war die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages dem Grundsatz nach ausgesetzt (§ 1 Abs. 1 S. 1 CovInsAG). Ausnahmsweise war die Insolvenzantragspflicht nicht ausgesetzt, wenn die Insolvenzreife nicht auf der COVID-19-Pandemie beruhte oder wenn keine Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Allerdings wird gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 CovInsAG vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war. Diese Vermutungsregelungen gelten auch im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 5 CovInsAG und bieten Gläubigern einen gewissen Schutz gegen Anfechtungen des Insolvenzverwalters. Denn es obliegt dem Insolvenzverwalter zu beweisen, dass die Insolvenzreife des Schuldners nicht auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Nicht antragspflichtige oder insolvenzreife Schuldner

Gemäß § 2 Abs. 2 CovInsAG kommt der Anfechtungsschutz auch den Gläubigern von Unternehmen zugute, die wegen ihrer Rechtsform generell nicht nach § 15a InsO insolvenzantragspflichtig sind (z.B. Einzelhandelskaufleute und Kommanditgesellschaften mit einer natürlichen Person als Komplementär). Weiterhin ist auch das Vorliegen der materiellen Insolvenz, d.h. das Vorliegen eines Insolvenzeröffnungsgrundes nicht Voraussetzung für den Anfechtungsschutz, wie sich aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 CovInsAG ergibt. Von dieser Regelung sollen nach der Gesetzesbegründung nämlich auch solche Fälle erfasst werden, in denen sich der Schuldner in einer ernsthaften wirtschaftlichen Krise befindet, aber noch nicht die Schwelle zur Insolvenz überschritten hat.

Aus dem Zusammenspiel des Verweises durch § 2 Abs. 1 CoVInsAG auf die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 CoVInsAG sowie der Regelung des § 2 Abs. 2 CoVInsAG folgt also, dass nur für Unternehmen, die tatsächlich einer Insolvenzantragspflicht unterliegen, der Schutz des § 2 Abs. 1 Nr. 5 CovInsAG nicht eingreift. Nicht privilegiert sind also lediglich solche Unternehmen, (i) die kraft ihrer Rechtsform antragspflichtig sind, (ii) bei denen ein Insolvenzeröffnungsgrund vorliegt und (ii) bei denen die Suspendierung der Insolvenzantragspflicht nicht greift.

Im Übrigen partizipieren alle sonstigen Schuldner (und deren Gläubiger) vom Anfechtungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 CovInsAG. Dies betrifft also Unternehmen, die keiner Antragspflicht unterliegen sowie Unternehmen, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind. Erforderlich ist hier allein, dass die zeitlichen Grenzen (s.o.) der Stundungsprivilegierung eingehalten werden.

Vor dem 01.02.2021 eröffnete Insolvenzverfahren

Für Insolvenzverfahren, die bereits vor dem 01.02.2021 eröffnet wurden, gilt der verstärkte Anfechtungsschutz des § 2 Abs. 1 Nr. 5 CovInsAG nicht. Stattdessen bleibt es wohl bei der für die Gläubiger weitaus ungünstigeren Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 it. e) CovInsAG a.F.

Auch hier ist erforderlich, dass die Insolvenzantragspflicht des Schuldners im Zeitpunkt der Gewährung der Stundung tatsächlich ausgesetzt war. Die oben dargestellten Schwierigkeiten hinsichtlich der Unsicherheiten über die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht stellen sich also auch hier.

Hinzu kommen aber noch die beiden folgenden Anforderungen:

Vor der Neuregelung war umstritten, ob die nach der Zahlungserleichterung erfolgende Leistung des Schuldners an seinen Gläubiger auch dann privilegiert ist, wenn diese Leistung erst nach Ablauf des Aussetzungszeitraums erfolgt. Denn § 2 Abs. 1 Nr. 4 it. e) CovInsAG a.F. enthält, anders als § 2 Abs. 1 Nr. 2 CovInsAG, keine zeitliche Begrenzung für die Rückzahlung. Zum Teil wird daher angenommen, dass die Rückzahlung – entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 2 CovInsAG – bis zum 30.09.2023 erfolgen muss, um anfechtungsfrei zu sein. Darüber hinaus wird für einen kompletten Wegfall der zeitlichen Grenze der Rückzahlung mit dem Argument Stellung bezogen, dass § 2 Abs. 1 Nr. 4 it. e) CovInsAG a.F. den guten Glauben des Gläubigers in die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners erfordere. Auf der anderen Seite wird dafür plädiert, dass auch die Zahlungen im Aussetzungszeitraum erfolgen müssten, um anfechtungsfest zu sein.

Zudem gilt der Anfechtungsausschluss nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Zwar ist hier die positive Kenntnis des Gläubigers erforderlich, welche der anfechtende und ggf. klagende Insolvenzverwalter darzulegen und ggf. zu beweisen hat. Dieser Nachweis dürfte auch nur äußerst selten gelingen. Ungeachtet dessen beinhaltet diese Rückausnahme für Gläubiger ein zusätzliches Risiko.

Fazit

Für ab dem 01.02.2021 eröffnete Insolvenzverfahren bringt die Neuregelung Gläubigern, die sich Anfechtungsansprüchen des Insolvenzverwalters ausgesetzt sehen, in eine deutlich komfortablere Position. Bei der Abfassung von Stundungsvereinbarungen ist unbedingt zu beachten, dass diese spätestens bis zum 28.02.2021 abzuschließen sind und sämtliche Rückzahlungen bis zum 31.03.2022 erfolgen müssen. Zudem sind eigene Prüfungen zu empfehlen, um nachvollziehen zu können, ob der Anwendungsbereich der Neuregelungen auf Seiten des betroffenen Schuldners eröffnet ist.

Für Altfälle bleibt es hingegen bei der unsichereren Rechtslage. Auch hier ist nach Möglichkeit zu prüfen, ob die Insolvenzantragspflicht im Zeitpunkt der Stundungsvereinbarung tatsächlich ausgesetzt war. Misslich bleibt aber der Umstand, dass unklar ist, ob Rückzahlungen nach Maßgabe der Stundungsvereinbarung, die erst nach dem Ablauf des Aussetzungszeitraumes erfolgen, ebenfalls geschützt sind. 

1 Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz.

2 Voraussichtlich soll das Gesetz am 01.02.2021 (rückwirkend) in Kraft treten.

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