Was plant die Ampel zum Vergaberecht? Ein erster Überblick

Im gestern vorgelegten Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP findet sich auch ein kurzer Unterabschnitt zum Thema Vergaberecht. Dabei werden die neuen Regierungsparteien nur an wenigen Stellen konkret und nehmen sich vor Vergabeverfahren zu „vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und [zu] beschleunigen“.

Eine Ausrichtung soll wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ erfolgen. Die Koalitionäre betonen darüber hinaus „die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen [dabei nicht] zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen“. Interessant wäre zu wissen wo die zukünftige Bundesregierung Klarstellungsbedarf in der nationalen Umsetzung europäischen Vergaberechts sieht, so konkret wird sie an dieser Stelle jedoch nicht.

Konkreter ist die Ankündigung des Aufbaus eines „Systems zur Berechnung von Klima- und Umweltkosten“ an dem sich die öffentliche Hand beteiligen soll. Dieses wird allerdings an keiner weiteren Stelle des Koalitionsvertrages erwähnt. Im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen wurden Klima- und Umweltkosten allerdings bereits im Bereich der Mobilitätswende erwähnt.

Mehr Zuspruch wird in der Praxis aber sicherlich ein anderes Vorhaben erfahren. Die Koalitionäre wollen eine rechtssichere zentrale Plattform für die Vergabe zu schaffen. Dort sollen alle öffentlichen Vergaben mit einer Präqualifizierungsstelle für Bieter zusammengeführt werden. Eine solche zentrale Anlaufstelle wäre sicherlich in der Praxis eine Erleichterung insbesondere für Bieter. Allerdings sind ähnlich gelagerte Bestrebungen bisher nicht erfolgreich gewesen. Insofern bleibt zu hoffen, dass die neue Koalition hier eine erfolgreiche Strategie findet.

Neben dem Kapitel zum Vergaberecht finden sich auch an weiteren Stellen relevante Punkte für diesen Bereich. Im Kapitel „Digitaler Staat und digitale Verwaltung“ findet sich die Ankündigung offener Standards für öffentliche IT-Projekte. Software, die aus Entwicklungsaufträgen entsteht, soll öffentlich gemacht werden und auf Open-Source basieren (S.15).

Auch die neue Bundesregierung möchte die maritime Wirtschaft in Deutschland stärken. Dazu sollen Vergabeverfahren beschleunigt werden und der Marine Unter- und Überwasserschiffbau, sowie die Instandhaltung als Schlüsseltechnologie definiert sein (S.28). Hier wird also die Priorisierung der bisherigen Regierung (siehe hierzu auch unsere Blogbeiträge vom 15. November 2019 und vom 20. Februar 2020. Öffentliche Aufträge sollen zudem an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der Branche gebunden werden (S.71). Maßgeblich für die Vergabe soll eine „einfache, unbürokratische Erklärung“ sein. In vielen Bundesländern sind ähnliche Verpflichtungserklärungen bereits Standard. Im Bereich der Wirtschaftsprüfung soll die öffentliche Auftragsvergabe zur Belebung der Marktverhältnisse genutzt werden (S.173). Diese scheinbar angestrebte größere Unabhängigkeit von wenigen großen externen Beratern findet sich auch im Kontext der Planungsbeschleunigung zum Ausdruck (S.12) : Die Inhouse-Beratungskapazitäten der öffentlichen Hand sollen zu Beschleunigungsagenturen ausgebaut werden, auf die auch Länder und Kommunen einfach zugreifen können.

Generell kündigen die Koalitionäre (S.28) eine Stärkung der Beteiligungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Betriebe in Ausschreibungen an. Mittelständische Interessen sollen konkret bei Mobilitätsausschreibungen berücksichtigt werden (S.51). Daneben werden auch Startups und junge Unternehmen explizit erwähnt. Für sie soll ein rechtssicherer Zugang zu öffentlichen Aufträgen vereinfacht werden (siehe hierzu auch https://blog.fps-law.de/vergabe/vergaberecht-fuer-start-ups-verborgene-chancen-und-praxistipps/).

Textauszug:

Vergaberecht

Wir wollen die öffentlichen Vergabeverfahren vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen. Die Bundesregierung wird die öffentliche Beschaffung und Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausrichten und die Verbindlichkeit stärken, ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen. Wir werden die bestehenden Anforderungen entsprechend des europäischen Vergaberechts im nationalen Vergaberecht präzisieren. Die öffentliche Hand soll sich am Aufbau eines Systems zur Berechnung von Klima- und Umweltkosten beteiligen. 34 Wir wollen die rechtssichere Digitalisierung in diesem Bereich vorantreiben und dazu eine anwenderfreundliche zentrale Plattform schaffen, über die alle öffentlichen Vergaben zugänglich sind und die eine Präqualifizierung der Unternehmen ermöglicht. Wir wollen schnelle Entscheidungen bei Vergabeverfahren der öffentlichen Hand fördern und unterstützen dabei Länder und Kommunen bei der Vereinfachung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. (vgl. S. 33f.)

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